Mehr Toleranz gegen Staunässe
Stress-Signalweg bei niedrigem Sauerstoffgehalt entdeckt
Einem deutschen Forschungsteam ist es gelungen, einen neuen Signalweg zu identifizieren: Er initiiert bei Staunässe und damit einhergehenden Sauerstoffmangel im Wurzelbereich transkriptorische Anpassungsreaktionen. Die Forscher:innen hoffen, dass mit den gewonnenen Ergebnissen Nutzpflanzen in Zukunft besser an Staunässe angepasst werden können.
Mit dem Klimawandel kommt es nicht nur zu längeren Trockenperioden, sondern auch zu häufigeren Starkniederschlägen. Pflanzen brauchen wie alle Lebewesen Sauerstoff zum Überleben. Bei Staunässe und Überflutungen kommt es aber im Wurzelbereich zu einer Sauerstoff-Mangelsituation (Hypoxie). Um den Stoffwechsel aufrecht erhalten zu können, reagieren die Pflanze mit dem Anschalten eines speziellen Überlebensprogramms: einem anaeroben Stoffwechsel. Doch Nutzpflanzen sind nicht optimal auf diese Situation vorbereitet. Es kommt bei länger anhaltendem Sauerstoffmangel zu deutlichen Ertragsrückgängen und das Überleben der Pflanzen steht letztendlich auf dem Spiel.
Membrangebundene Transkriptionsfaktoren
Wie die frühe Aktivierung der Regulationsvorgänge bei Sauerstoff-Mangelsituationen zustande kommt, hat ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) und der Universität Bielefeld nun an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana näher untersucht.
Sie sind fündig geworden: Es wurden drei in der Membran des Endoplasmatischen Retikulums (ER) verankerte Transkriptionsfaktoren gefunden (ANAC013, ANAC016 und ANAC017), die sich an die Promotoren von bekannten Hypoxie-Kerngenen (HCGs) binden können und diese Gene anschalten. Zu diesen Genen zählen beispielsweise Alkoholdehydrogenasen, Pyruvatdecarboxylasen und Stärke-Synthasen, die den anaeroben Stoffwechsel unterstützen.
Protease setzt Transkriptionsfaktor frei
Allerdings gelangt nur ein Transkriptionsfaktor, ANAC013, gleich zu Beginn des Sauerstoffmangels in den Zellkern - etwa nach 1,5 Stunden. Auch der Mechanismus der Freisetzung von ANAC013 aus der Membran des ER ist nun bekannt: Bestimmte Aminosäurereste in der Transmembrandomäne von ANAC013 werden durch die RHOMBOID-LIKE 2 (RBL2) Protease abgespalten und der Transkriptionsfaktor so freigesetzt – er wandert anschließend in den Zellkern und kann dort eine schnelle transkriptionale Neuprogrammierung des Stoffwechsels initiieren.
Signal kommt aus den Mitochondrien
Bei Kontrollexperimenten zeigten rbl-Knockout-Mutanten und ANAC013-Knockdown-Linien eine geringere Toleranz gegenüber Sauerstoffmangel und bestätigten damit den postulierten Mechanismus. Darüber hinaus konnte das Forschungsteam zeigen, dass die Spaltung von ANAC013 durch die RHOMBOID-LIKE 2 (RBL2) Protease von einem aus dem Mitochondrium stammenden Signal abhängt.
„Da das neu identifizierte Modul, bestehend aus dem ANAC013-Faktor und seiner prozessierenden Protease, in Pflanzen konserviert ist, können wir uns vorstellen, dass die gewonnenen Ergebnisse auf Nutzpflanzen übertragen werden können, um deren Toleranz gegenüber Staunässe zu verbessern," so der an der Studie beteiligte Schmidt-Schippers von der Universität Bielefeld.
Quelle:
Eysholdt-Derzsó, E. et al.: (2023) „Endoplasmic reticulum-bound ANAC013 factor is cleaved by RHOMBOID-LIKE 2 during the initial response to hypoxia in Arabidopsis thaliana.“ In: PNAS (2023). doi: 10.1073/pnas.2221308120
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Titelbild: Staunässe und Überflutungen nehmen mit dem Klimawandel ebenfalls zu. (Bildquelle: © Dimitris Vetsikas / Pixabay)