Pflanzenschutz ohne Chemie
RNA-„Impfung“ gegen Krankheitserreger und Schädlinge
Pflanzenschutzmittel können teilweise erhebliche Kollateralschäden verursachen und führen nicht selten zu Resistenzen bei Erregern und Schädlingen. Wissenschaftler haben nun eine Impfung für Pflanzen entwickelt, die gegenüber herkömmlichen Mitteln gleich mehrfach punktet. Für die Zulassung fehlen jedoch noch die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Schädlinge und Krankheitserreger verursachen beträchtliche Ernteeinbußen im Ackerbau. Einer aktuellen Studie zufolge würden die finanziellen Einbußen der Landwirte weltweit bis zu 540 Milliarden US-Dollar pro Jahr betragen, wenn die Pflanzen nicht geschützt werden. In der konventionellen Landwirtschaft greift man daher regelmäßig auf chemische Pflanzenschutzmittel zurück. Das Problem dabei: Diese Mittel haben ein eher breites Wirkspektrum und treffen dadurch nicht nur die Schadorganismen. Über den Regen gelangen sie außerdem in Gewässer und können neben Wasserorganismen auch Mensch und Umwelt schädigen. Sind die Mittel zudem über einen längeren Zeitraum im Einsatz, besteht die Gefahr einer Resistenzbildung bei Erregern und Schädlingen. Die Wirkstoffe werden unwirksam.
RNA-Impfung bereitet Abwehrmechanismen vor
Eine vielversprechende neue Art des Pflanzenschutzes basiert auf einem natürlichen Prozess: RNA-Interferenz (RNAi). RNAi ist ein natürlicher Mechanismus der Genregulation in nahezu allen Organismen, der zum gezielten Abschalten von Genen führt. Er dient auch zur Abwehr fremder RNA, z. B. von Viren.
RNAi wird durch doppelsträngige RNA (dsRNA) ausgelöst, die durch ein natürlich vorkommendes Enzym in den Zellen in kleinere Stücke zerlegt wird. Einzelstränge dieser kurzen RNA-Fragmente binden an komplementäre Boten-RNA (mRNA), die dadurch zerstört wird. Die Proteinbiosynthese für die betroffenen Gene ist damit gestoppt.
Wenn nun dsRNA auf Pflanzen gesprüht wird, die Sequenzen von Genen der Krankheitserreger oder Schädlinge enthält, werden gezielt diese Gene stillgelegt. Das Erbgut der Pflanze oder von den Zielorganismen wird dabei nicht verändert. „Der neue Pflanzenschutzansatz ist eine Art Impfung der Pflanze mit doppelsträngigen RNA-Molekülen“, fasst Studienleiterin Minna Poranen von der Universität Helsinki dieses Prinzip zusammen.
Vorteile gegenüber herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln
Gegenüber herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln bringt ein RNA-basierter Ansatz drei wesentliche Vorteile mit sich:
1. Hohe Spezifität: Die Abwehr des Erregers erfolgt sehr spezifisch. Nur diejenigen RNA-Moleküle wirken, die dieselbe Sequenz wie das Pathogen aufweisen. Andere Gene in der Pflanze bleiben von diesem Vorgang unberührt.
2. Keine Rückstände: RNA-Moleküle werden sehr schnell abgebaut. Im Gegensatz zu chemischen Pflanzenschutzmitteln reichern sie sich nicht in der Umwelt an. RNA-Sprays führen nicht wie chemische Pflanzenschutzmittel zu unerwünschten Rückständen in Nahrungsmitteln, da sie über den natürlichen RNA-Stilllegungs-Stoffwechsel der Pflanzen abgebaut werden.
3. Keine Resistenzen: Es ist nahezu ausgeschlossen, dass Schädlinge und Pathogene gegen diese Art der Bekämpfung resistent werden können. Erst wenn sich in diesen Organismen nahezu die gesamte Sequenz der Zielgene durch spontane Mutationen verändern würde, könnte die dsRNA nicht mehr wirken. Dann wären aber auch die Zielgene in diesen Organismen nicht mehr funktional und die Pathogene wohl nicht mehr lebensfähig.
Bei all den überzeugenden Vorteilen stellt sich die Frage, warum doppelsträngige RNAs zum Sprühen nicht längt die chemischen Pflanzenschutzmittel abgelöst haben. Das hat mehrere Gründe.
Herausforderung: wirtschaftliche Herstellung
„Die große Herausforderung bei der Entwicklung von RNA-basierten Pflanzenschutz-Vakzinen ist die Herstellung der RNA-Moleküle. Zwar kann man durchaus bereits doppelsträngige RNA-Moleküle chemisch produzieren, für den Pflanzenschutz sind solche herkömmlichen Produktionsmethoden aber zu ineffizient und zu teuer“, so Poranen. Ihr Team hat nun eine neue Herstellungsmethode entwickelt, die das neue Pflanzenschutzsystem zur Marktreife führen könnte.
Dabei nutzen die Forscher die Amplifizierungsmaschinerie des Bakteriophagen phi6, eines Bakterien zerstörenden Virus. Komponenten dieser Maschinerie übertrugen sie in das Bakterium Pseudomonas syringae, das dadurch dauerhaft und stabil die gewünschte dsRNA produzieren kann und sich unkompliziert in großen Fermentern anzüchten lässt.
Während bei alternativen Herstellungsverfahren doppelsträngige RNA zunächst über die DNA als Matrize transkribiert und dann synthetisch zur gewünschten Länge zusammengefügt wird, basiert das phi6-System auf der Replikation von doppelsträngiger RNA durch eine RNA-abhängige RNA Polymerase, die qualitativ hochwertige und lange doppelsträngige RNA-Moleküle produziert. Das System lässt sich zudem einfach an verschiedene RNA-Sequenzen anpassen. Technisch stehen also alle Lichter auf „grün“.
Rechtliche Rahmenbedingungen fehlen
„Wann der Impfstoff für Pflanzen auf den Markt kommen wird, lässt sich nur schwer vorhersagen, da es bisher noch keine rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung von doppelsträngiger RNA als Pflanzenschutzmittel gibt“, so Poranen. Für eine kommerzielle Anwendung außerhalb von Versuchsfeldern sind diese aber unbedingt notwendig.
Quelle:
Niehl, A. et al. (2018): Synthetic biology approach for plant protection using dsRNA. In: Plant Biotechnology J., (25. März 2018), doi: 10.1111/pbi.12904.
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Titelbild: Krankheitserreger wie Viren können zu erheblichen Ernteverlusten führen. (Bildquelle: © Miyuki Satake / Fotolia.com)