Neue Perspektiven für den Pflanzenschutz mit HIGS

Interview mit Dr. habil. Patrick Schweizer über das Projekt „dsRNAguard“

07.05.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Projektleiter Dr. Patrick Schweizer und Wanxin Chen, Mitarbeiterin im Projekt, kontrollieren das randomisierte Versuchsdesign des Fusarium Infektionsversuches in Mini Gewächshäusern. (Quelle: © P. Schweizer)

Projektleiter Dr. Patrick Schweizer und Wanxin Chen, Mitarbeiterin im Projekt, kontrollieren das randomisierte Versuchsdesign des Fusarium Infektionsversuches in Mini Gewächshäusern. (Quelle: © P. Schweizer)

Kulturpflanzen, die Abwehr-RNAs produzieren, könnten die neue Lösung gegen Schadpilze sein. Den Wissenschaftlern des Projektes dsRNAguard geht es jedoch nicht allein um die Zucht pilzresistenter Pflanzen. Patrick Schweizer leitet das Projekt am Leibniz Institut für Kulturpflanzenforschung. Mit Pflanzenforschung.de spricht er über die Chancen, die sich durch Methoden wie dem Host Induced Gene Silencing (HIGS) für die moderne Landwirtschaft auftun.

Pflanzenforschung.de: Pilzkrankheiten durch Mehltau-Erreger und Fusarium-Pilze verursachen weltweit katastrophale Ernteschäden und verunreinigen Lebensmittel mit gefährlichen Toxinen. Warum ist es so schwierig, Kulturpflanzen gegen diese Erreger widerstandsfähig zu machen?

Dr. habil. Patrick Schweizer: Dafür gibt es mehrere Gründe. Pathogene Pflanzenerreger sind eine Art „Moving Target“. Sobald Pflanzen resistent werden, weichen die pathogenen Organismen diesem Druck aus. Über Jahrmillionen haben diese Erreger einen hochredundanten Satz an infektiösen Faktoren entwickelt. Werden Pflanzen gegen einen resistent, so schmeißen die Pilzerreger ihn durch Mutagenese einfach raus und nehmen einen neuen. Sie sind also bestens gerüstet, um bei züchterischen Maßnahmen gegen zu halten.

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Krankheitssymptome des Fusarium Schadpilzes, die sich in der Ähre einer anfälligen Pflanze ausbreiten (links) oder sich auf die mit einem schwarzen Punkt markierten Inokulationsstellen der Pilzsporen in einer resistenten Ähre (rechts) beschränken.

Krankheitssymptome des Fusarium Schadpilzes, die sich in der Ähre einer anfälligen Pflanze ausbreiten (links) oder sich auf die mit einem schwarzen Punkt markierten Inokulationsstellen der Pilzsporen in einer resistenten Ähre (rechts) beschränken.

Bildquelle: © P. Schweizer

Das zweite Problem ist, dass Pilzpathogene ganz unterschiedliche Strategien haben, um Pflanzen zu befallen. Mehltaupilze beispielsweise sind hochspezialisiert und können sich zugleich an Resistenzen schnell anpassen. Fusariumpilze hingegen, können sich sehr gut gegen die pflanzlichen Abwehrmechanismus schützen oder bleiben vom Immunsystem der Pflanze so lange unerkannt, bis sie den Wirt besiedelt haben.

Bei Pathogene der letzteren Strategie ist es sehr schwierig einzelne Resistenzgene auszumachen. Um einen wirksamen Schutz zu erzielen, muss man mehrere Gene kombinieren. Das entwickeln einer Breitbandresistenz ist züchterisch sehr aufwendig und meistens mit Nachteilen verbunden. Da diese Gene oft aus Wildpflanzen eingekreuzt werden, erhält man in der Regel unerwünschte, mit dem Resistenzgen gekoppelte Gene, die z.B. ertragsmindernd wirken können. Diese kann man erst durch Rückkreuzungen wieder loswerden. Und das kann Jahrzehnten dauern.

Pflanzenforschung.de: Durch den neuen HIGS-Ansatz, der durch das Projekt dsRNAguard entwickelt wurde, produzieren die Pflanzen gegen Pilzgene gerichtete RNAi-Moleküle. Diese gelangen in den Pilz und legen dort die Proteinproduktion lahm. Was sind die Vorteile der Methode gegenüber einer herkömmlichen züchterischen Resistenz?

Dr. habil. Patrick Schweizer: Eine der Stärken von HIGS ist seine enorme Flexibilität. Wir können theoretisch jedes Gen stilllegen und damit sowohl hochkonservierte als auch artenspezifische Effektoren der Krankheitserreger angreifen. Je nachdem, welches sich als das beste Target herausstellt.

Mit HIGS können wir auch ohne großen technischen Aufwand und mit vergleichsweise geringen Kosten mehrere Targets gleichzeitig angreifen. Derzeit testen wir beispielsweise RNAi-Konstrukte, die sich gegen drei Pilzfaktoren gleichzeitig richten. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist auch, dass Pathogene kaum eine Chance haben, gegen die RNAis Resistenzen zu entwickeln. Weil die Boten-RNA (mRNA) des Pathogens zerstört wird, nützen dem Pilz einzelne Punktmutationen, die zu einer anderen Proteinvariante führen, nichts. Der Pilz müsste viele Mutationen gleichzeitig einführen, oder gleich das komplette Gen eliminieren, um auszuweichen. Es ist daher wichtig, Faktoren anzugreifen, die für den Pilz unverzichtbar sind. Als letzte, verzweifelte Maßnahme könnte der Pilz auch seinen gesamten RNAi-Apparat  stilllegen. Alle drei Anpassungsmöglichkeiten halte ich aus evolutionsbiologischer Sicht jedoch für extrem unwahrscheinlich bis unmöglich.

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Das PLANT 2030 Projekt dsRNAguard erforscht einen neuen Ansatz - Host Induced Gene Silencing (HIGS) - mit dem sich Pflanzen zukünftig selbst gegen Pilzpathogene wehren sollen. Mehr zum Projekt

Das PLANT 2030 Projekt dsRNAguard erforscht einen neuen Ansatz - Host Induced Gene Silencing (HIGS) - mit dem sich Pflanzen zukünftig selbst gegen Pilzpathogene wehren sollen.
Mehr zum Projekt

Pflanzenforschung.de: Die Ergebnisse ihres Projektes zeigen, dass die HIGS Strategie in sehr unterschiedlichen Kulturpflanzen, wie Gerste, Mais, Kartoffeln und Tomaten funktioniert. Welches Potential hat das HIGS-Prinzip für andere Kulturpflanzen?

Dr. habil. Patrick Schweizer: Besonders bei Mehltau- und Rostpilzen würde ich erwarten, dass HIGS in allen Kulturpflanzen funktioniert. Bei anderen Schadpilzen muss man zwei Einschränkungen machen. Es gibt auch Pilze, die keinen RNAi-Apparat besitzen. Dazu gehört zum Beispiel das Maispathogen Ustilago maydis. Außerdem interagieren nicht alle Pathogene so „intim“ mit den Wirtszellen. Einige Pilze sind keine obligaten Parasiten, d.h. sie müssen ihren gesamten Lebenszyklus nicht auf lebenden Wirtszellen durchführen und könnten so auch weniger anfällig für den HIGS-Ansatz sein. Möglicherweise ist das beispielsweise  bei den Botrytis Schimmelpilzen der Fall, die häufig Wein, Erdbeeren und andere Früchte befallen.

Besonders Attraktiv ist der Ansatz jedoch gerade für Pflanzen, bei denen Aroma und Geschmack im Vordergrund stehen und bei denen man durch Einbringen einer genetischen Resistenz, auch andere genetische Eigenschaften stark verändern würde. Durch Einkreuzen von Resistenzgenen erhält man eventuell eine gegen Mehltau resistente Weinsorte. Aber es ist dann bestimmt kein Riesling mehr.

Pflanzenforschung.de: Dass Pflanzen Abwehr-RNAs auf Schadpilze übertragen können, ist eine ganz neue Erkenntnis Ihrer Forschung. Wie gelangen die RNA-Moleküle beim Host Induced Gene Silencing (HIGS) vom Pflanzenwirt in den Erreger?

Dr. habil. Patrick Schweizer: So genau wissen wir das noch nicht. Momentan vermuten wir, dass die Übertragung vom Pflanzenwirt in den Erreger durch den Umbau der Zellwand erfolgt, der in befallenen Pflanzenzellen stattfindet. Für diesen Umbau benötigen die Zellen Bausteine und Enzyme. Diese werden in sogenannten Golgi- als auch in exosomalen Partikeln verpackt und zur Infektionsstelle transportiert. Unsere derzeitige Hypothese ist, dass die RNAi Moleküle über diese Transportwege aus der befallenen Pflanzenzelle heraus in den interzellulären Raum gelangen.  Die Pilze, so vermuten wir, nehmen unter Anderem exosomale Partikel dann über Endozytose auf, einem Mechanismus, mit dem sie auch Nährstoffe der Pflanze zu sich nehmen.

Pflanzenforschung.de: Ist die Übertragung von RNAs ein natürliches Phänomen in der Natur?

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Mini Gewächshäuser für Versuche mit transgenen Pflanzen unter feldähnlichen Bedingungen auf dem Areal des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Drei der Häuser wurden mit Versuchspflanzen des dsRNAguard Projektes bepflanzt.

Mini Gewächshäuser für Versuche mit transgenen Pflanzen unter feldähnlichen Bedingungen auf dem Areal des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Drei der Häuser wurden mit Versuchspflanzen des dsRNAguard Projektes bepflanzt.

Bildquelle: © P. Schweizer

Dr. habil. Patrick Schweizer: Wir spekulieren, dass die Übertragung von RNAi-Molekülen via Exosomen ursprünglich zur Kommunikation zwischen Organismen entstanden ist und dann bei höheren Organismen zur interzellulären Kommunikation z.B. des Nervensystems umfunktioniert wurde. Auf jeden Fall wurde bei tierischen Systemen gezeigt, dass exosomale Partikel kleine RNAs enthalten.

Mit unserem Industriepartner Bayer Crop Science führen wir derzeit Transkriptomanalysen durch, um zu überprüfen, ob es natürliche siRNA‘s gibt, die sich bei einem Pilzbefall in den Pflanzenzellen anhäufen.

Pflanzenforschung.de: Pflanzen gentechnisch zu verändern, stößt bei europäischen Konsumenten derzeit auf eine sehr geringe Akzeptanz. Wie wäre das bei Pflanzen, die RNAi-Moleküle produzieren?

Dr. habil. Patrick Schweizer: Grundsätzlich können wir nie ausschließen, dass was wir konsumieren unseren Organismus in irgendeiner Form belasten kann. Fast alle Nahrungsmittel sind voll mit Proteinen und Sekundärstoffen, die wir nicht kennen und die potentiell auch allergen oder krebserregend wirken können.

Bei HIGS bleibt das Erbgut der Pflanzen, mit Ausnahme des zusätzlichen RNAi-Gens, völlig unverändert. Es wird auch kein artfremdes, transgenes Protein produziert. Das viel diskutierte allergene Potential entfällt also. Wir gehen daher von einer sehr hohen Sicherheit für Konsumenten und Umwelt aus.

Pflanzenforschung.de: Die RNAi-Sequenzen könnten aber auch unbeabsichtigt gegen ein pflanzliches oder ein menschliches Gen gerichtet sein?

Dr. habil. Patrick Schweizer: Die RNA Sequenzen muss man sehr sorgfältig auswählen, damit man kein pflanzliches oder menschliches „Off-Target“ trifft. Man kann auch nicht immer 100%tig ausschließen, dass der Konsument ein „Off-Target“ trägt, gegen das das RNAi-Molekül wirken könnte.

Mittlerweile weiß man aber, dass fast alle Lebewesen natürlicherweise ganze Populationen nicht-kodierender RNAs und siRNAs produzieren. Z.B. zur Abwehr von Viren oder zur Steuerung von Entwicklungsprozessen. Diese konsumieren wir also täglich, ohne zu testen, ob sie ein menschliches Gen stilllegen könnten. Ich halte das Risiko, das von einem zusätzlichen RNA-Typ ausgeht daher für sehr gering.

Man muss aber jeden Eingriff in den Stoffwechsel oder ins Genom einer Pflanze umfassend in Fütterungsstudien prüfen, bevor man mit hinreichender Sicherheit sagen kann, dass keinerlei negative Folgen zu erwarten sind.

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Wanxin Chen tested Fusarium Zielgene im Sicherheitslabor mit dem silencing barley stripe mosaic Virus.

Wanxin Chen tested Fusarium Zielgene im Sicherheitslabor mit dem silencing barley stripe mosaic Virus.

Bildquelle: © P. Schweizer

Pflanzenforschung.de: Was wäre ihr Wunsch für das Projekt dsRNAguard?

Dr. habil. Patrick Schweizer: Den Proof of Concept haben wir bereits erbracht. Jetzt hoffen wir bald zu zeigen, dass wir die Produktion der pilzabwehrenden RNAi-Moleküle auch stabil in den Genomen wichtiger Kulturpflanzen verankern können. Bei Kartoffel, Weizen und Mais sind wir da auf gutem Wege.

Mein größter Wunsch wäre jedoch, dass wir es schaffen, die Möglichkeiten dieser Technik erfolgreich zu kommunizieren und die Risikodiskussion der grünen Gentechnik in eine Chancendiskussion umzuwandeln. Wir sehen in dem Projekt dsRNAguard ein positives Beispiel dafür, dass grüne Gentechnik nicht nur herbizidtolerante Pflanzen hervorbringt.

Pflanzen und Lebensmittel, die mit weniger Pestiziden behandelt werden können, sind ein klarer Vorteil für die Umwelt und den Konsumenten. Wir hoffen mit dem Projekt dsRNAguard eine fruchtbare Diskussion darüber in Gang zu setzen, welche Ansätze der grünen Gentechnik wirklich sinnvoll sind und eine echte Chance bieten.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Zum Weiterlesen:
Projektporträt „dsRNAguard“ - Kulturpflanzen schalten die Gene ihrer Feinde ab

Titelbild: Projektleiter Dr. Patrick Schweizer und Wanxin Chen, Mitarbeiterin im Projekt, kontrollieren das randomisierte Versuchsdesign des Fusarium Infektionsversuches in Mini Gewächshäusern. (Quelle: © P. Schweizer)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030