Pflanzliche CO2-Senken verdorren
Die Welt wird wärmer, grüner wird sie deshalb aber nicht. Pflanzen binden sogar weniger Kohlenstoffdioxid in Biomasse als in den Jahrzehnten zuvor.
Laut einer neuen Studie im Fachjournal Science ist die Menge der von Landpflanzen produzierten Biomasse während der Jahre 2000-2009 im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt leicht zurückgegangen. US-Ökologen der Universität Montana stellten nach der Auswertung von Satellitendaten fest, dass terrestrische Pflanzen in dem Zeitraum weltweit pro Jahr etwa 550 Millionen Tonnen weniger Biomasse produzierten. Das entspricht ca. 1% ihres jährlichen Biomasseaufbaus. Im Gegensatz dazu war in den Jahren 1982-1999 für die pflanzliche Produktion ein deutlich positiver Trend mit ca. 6% Zuwachs zu verzeichnen. Man nahm also an, höhere CO2-Werte und Temperaturen würden das Pflanzenwachstum begünstigen. Die aktuellen Ergebnisse aus der wärmsten Dekade seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 widersprechen diesem bisherigen Trend.
Die Wissenschaftler untersuchten die weltweite terrestrische Nettoprimärproduktion (NPP), also die Menge atmosphärischen Kohlenstoffdioxids (CO2), die von Pflanzen gebunden und in Biomasse umgesetzt wird. Auf diesem ersten Schritt des Kohlenstoff-Kreislaufs basiert das Vermögen von Pflanzen als CO2-Senken zu wirken und zur Reduktion des atmosphärischen CO2 beizutragen. Wenn laut der Studie diese Nettoprimärproduktion aufgrund der Klimaerwärmung geringer ausfällt, könnte das eine positive Rückkopplung mit negativen Folgen für die Umwelt in Gang setzen: Je weniger CO2 die Pflanzen binden, desto mehr steigt der Anteil von CO2 in der Atmosphäre, was wiederum die Klimaerwärmung fördert und das Pflanzenwachstum noch mehr hemmt. Zusätzlich könnte eine niedrigere Primärproduktion auch negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Gerade in Ländern des Südens, wo häufig landwirtschaftliche Produktion den Lebensunterhalt sichert und Lebensmittel knapp sind, brach die Nettoprimärproduktion von Biomasse besonders ein. Deshalb mahnen die Forscher, dass verminderte NPP-Raten die globale landwirtschaftliche Produktion bremsen könnten. Dies hätte Folgen für die Lebensmittelsicherheit, aber auch die Erzeugung von Rohstoffen für die Industrie und von Energie aus Biokraftstoffen.
Der Norden gewinnt, der Süden verliert
Wenngleich die globale Primärproduktion über das letzte Jahrzehnt insgesamt schrumpfte, waren die Entwicklungen regional sehr unterschiedlich. Pflanzen auf der Nordhalbkugel profitieren von der Wärme und längeren Wachstumsperioden. Auf der Südhalbkugel dagegen hemmen Wasserstress und lange Dürreperioden das Wachstum der Pflanzen. Die einflussreichen tropischen Ökosysteme wie der Amazonas, die 93% der Nettoprimärproduktion-Veränderung ausmachen, sind stark betroffen. Deshalb ist der Gesamteffekt negativ, trotz positiver Wachstumsentwicklung auf der Nordhalbkugel.
In höheren Breitengraden schränken die häufig kühlen Temperaturen und kurzen Vegetationsperioden das Pflanzenwachstum ein. Daher kommt die Klimaerwärmung vielen nördlichen Regionen wie China, Indien, Nordamerika und Europa zugute, ca. 65% der Vegetationsflächen verzeichneten hier Nettoprimärproduktions- zuwächse. Im Gegensatz dazu verlieren 70% der Flächen auf der Südhalbkugel erheblich an Produktivität und ziehen die Gesamtbilanz damit ins Minus. Denn in tieferen Breiten limitiert vor allem Wasserknappheit das Wachstum. Außerdem führt die steigende Lufttemperatur im Süden dazu, dass die Pflanzen mehr Photorespiration betreiben. Sie verstoffwechseln das in der Photosynthese gebundene CO2 und setzen es in die Atmosphäre frei. Somit tragen Klimaerwärmung und Dürre dazu bei, dass pflanzliche CO2-Senken verdorren.
Radiospektrometerdaten ergeben Weltkarten der Nettoprimärproduktion
Die Veränderungen der Nettoprimärproduktion bestimmten die Ökologen mithilfe von Klimadaten und Werten des NASA Satelliten Terra. Ein Strahlenmessgerät im Satelliten misst die reflektierte Strahlung von der Erdoberfläche und kann bestimmen, wo und wie stark Pflanzen wachsen. Je stärker Pflanzen photosynthetisch aktiv sind und CO2 in Biomasse umsetzen, desto weniger reflektieren sie im Bereich zwischen 400-700nm. Denn genau diese Strahlung wird in der Photosynthese absorbiert. Dies registriert das Satelliten-Spektrometer und setzt die Reflektionsdaten in eine Landkarte um. Farbunterschiede in den Satellitenkarten symbolisieren die regional unterschiedlichen Biomassebildungsraten. Zusammen mit Informationen über Niederschlagsmengen, Wolkenbedeckung, Temperatur und anderen Klimawerten können die Forscher Rückschlüsse über die Nettoprimärproduktion von Pflanzen schließen und diese in ihre Modellrechnungen einfließen lassen.
Zukunft der Landpflanzen
In den kommenden Jahren muss der Trend der pflanzlichen Primärproduktion weiter genau beobachtet werden. Denn noch kann man nicht exakt abschätzen, ob es sich bei den Zahlen um normale Schwankungen oder extreme Veränderungen auf Grund der sich verändernden globalen Rahmenbedingungen handelt. Möglich ist auch, dass die neuen Ergebnisse eine grundsätzliche und langfristige Trendumkehr dokumentieren. Bei fortgesetztem Temperaturanstieg und weiteren Dürren würden Pflanzen dann immer weniger Lebensmittel und Rohstoffe liefern können und immer geringere Mengen CO2 binden. Dies stellt dann eine völlig neue Herausforderung für die Pflanzenforschung dar. Zum einen müssen Pflanzen besser an die sich ändernden Bedingungen angepasst werden ohne an Produktivität und Zuverlässigkeit zu verlieren. Zum anderen müssen Systeme geschaffen werden, die stärker als CO2-Senken wirken.
Quelle:
Zhao, M. und W. Running (2010). Drought-Induced Reduction in Global Terrestrial Net Primary Production from 2000 Through 2009. Science (20.08.2010). DOI: 10.1126/science.1192666 (link).
Zum Weiterlesen:
- Grüne Lunge atmet tief durch
- Kohlendioxid: die gemischte Bilanz der Landwirtschaft
- Teufelskreis: Klimaerwärmung führt zu weiterem Kohlendioxidanstieg
- NASA Animation: How has the Atmospheric Carbon Uptake from Plants Changed in the Last Decade?
Titelbild: Klimaerwärmung hat negative Folgen für pflanzliche CO2-Senken (Quelle: © Ibefisch / PIXELIO www.pixelio.de)