Reste-Essen

Nachhaltiges Substrat für hydroponische Anbausysteme entwickelt

19.10.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Hydroponische Anbausysteme könnten künftig ein nachhaltiges Nährsubstrat nutzen, das auch noch Mikronährstoffe an die Pflanzen liefert. (Bildquelle: © iamareri / Pixabay)

Hydroponische Anbausysteme könnten künftig ein nachhaltiges Nährsubstrat nutzen, das auch noch Mikronährstoffe an die Pflanzen liefert. (Bildquelle: © iamareri / Pixabay)

Die urbane Landwirtschaft könnte in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Umso wichtiger ist es, sie nachhaltiger zu konzipieren, als das in der konventionellen Landwirtschaft oftmals der Fall ist. Ein neues Nährsubstrat aus landwirtschaftlichen Reststoffen könnte dazu beitragen.

Die Covid-19-Pandemie hat es gezeigt und auch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine belegen es: Lokale Rohstoff- und Warenkreisläufe können die Versorgungssicherheit erhöhen. Im Lebensmittelsektor könnte dazu auch die urbane Landwirtschaft beitragen, insbesondere in Form hydroponischer Systeme. Die wichtigste Rolle spielen dabei derzeit hydroponische Verfahren mit einem festen Nährmedium. Forschende haben nun ein Konzept vorgestellt, wie ein hydroponisches Substrat aus biobasierten Reststoffen aussehen könnte, das mit herkömmlichen Substraten qualitativ mindestens gleichwertig wäre.

Keratin als Grundlage

Heute gängige Substrate bestehen oft aus Steinwolle, Perlit oder Phenolharzschaumstoff. Steinwolle erzeugt jedoch feine Staubpartikel, die nicht in die Atemluft gelangen sollten. Außerdem ist sie nicht biologisch abbaubar. Perlit kann Wasser nur sehr kurzzeitig speichern, und Phenolharzschaumstoff endet als Plastikmüll.

#####1#####
Forschende haben ein Wachstumsmedium für die urbane Landwirtschaft entwickelt, das aus menschlichem Haar extrahiertes Keratin enthält.

Forschende haben ein Wachstumsmedium für die urbane Landwirtschaft entwickelt, das aus menschlichem Haar extrahiertes Keratin enthält.

Bildquelle: © Engin Akyurt/ Pixabay

Als Alternative schlägt eine Gruppe von Fachleuten nun Keratin vor. Aus der Medizin ist bekannt, dass diese Faserproteine sehr gut biokompatibel und bioaktiv sind. Außerdem fällt Keratin oftmals als Reststoff an: Es bildet einen wesentlichen Bestandteil von Haar, Wolle, Horn und Federn. Ein hydroponisches Substrat aus landwirtschaftlichen Reststoffen würde somit im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zugleich Abfälle vermeiden.

Für die Pflanzen hat das aus Aminosäuren bestehende Keratin den Vorteil, dass es Mikronährstoffe binden kann, die während der Anzucht kontrolliert freigesetzt werden. Allerdings bindet Keratin nur wenig Wasser und auch seine mechanischen Eigenschaften sind nicht überzeugend. Deshalb haben die Forscherinnen und Forscher einen zweiten Rohstoff eingebunden: Nanocellulose. Das ebenfalls biobasierte Material könnte beide Schwachpunkte ausgleichen und ist auch ein typischer Reststoff der Landwirtschaft: Cellulose kommt beispielsweise in Schalen vieler Früchte und in Ernteresten von Gemüse vor. Nicht zuletzt gilt Nanocellulose als gesundheitlich unbedenklich.

Gerüst und Mikronährstofflieferant

Für seine Studien hat das Forschungsteam daher mittels Gefriertrocknung ein Verbundmaterial aus Keratin aus menschlichem Haar und Cellulosenanoröhrchen aus Weichholzschnitzeln hergestellt. Ein weiteres Testsubstrat enthielt zusätzlich Kohlenstoffquantenpunkte (kleine Kohlenstoff-Nanopartikel) und Kupfer. Von Kohlenstoffquantenpunkten wurde bereits vorher gezeigt, dass sie die Photosynthese und damit das Wachstum einer Pflanze fördern können. Kupfer ist ein wichtiger Mikronährstoff. Es sollte mit diesem Experiment überprüft werden, ob das Substrat solche landwirtschaftlich relevanten Chemikalien an die Pflanzen abgeben kann.

Die auf diese Weise erzeugten hydroponischen Substrate besaßen eine hohe Porosität, gut vernetzte Poren und auch unter Feuchtigkeit belastbare mechanische Eigenschaften. Außerdem konnten sie große Mengen Wasser speichern und ließen sich in vielfältigen Formen und Größen produzieren.

Im Detail zeigte sich, dass die Cellulosenanoröhrchen die Stabilität des Keratins wie erwartet erhöhten und die Kohlenstoff-/Kupferbeladung diese noch weiter steigerte. Letzteres ist vermutlich auf Verbindungen zwischen den Kupferionen und Thiolgruppen des Keratins zurückzuführen. Das Substrat mit Kohlenstoff und Kupfer konnte zudem das 40-Fache seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen, vergleichbar mit Phenolharzschaumstoff.

#####2#####
Das Substrat auf Keratinbasis ist ideal für den Anbau von Pflanzen wie Pak Choi und Rucola. Ein Gramm menschliches Haar kann etwa drei Substratblöcke von der Größe eines kleinen Eiswürfels (1,5 cm x 1,5 cm x 3 cm) produzieren.

Das Substrat auf Keratinbasis ist ideal für den Anbau von Pflanzen wie Pak Choi und Rucola. Ein Gramm menschliches Haar kann etwa drei Substratblöcke von der Größe eines kleinen Eiswürfels (1,5 cm x 1,5 cm x 3 cm) produzieren.

Bildquelle: © Nanyang Technological University, Singapore

Erfolgreiche Praxistests

Auch die Abbaugeschwindigkeit dieses Materials lag in einem guten Rahmen – idealerweise sollte der Abbau mit der gesamten Wachstumsperiode der angebauten Pflanzen korrelieren. Im Versuch zeigte sich, dass nach einer Woche weniger als ein Zehntel der Substratmasse verschwunden waren.

Vor allem in den ersten 24 Stunden wurde viel Keratin freigesetzt, doch zumindest das Substrat mit Kohlenstoff und Kupfer erreichte nach 48 Stunden ein Gleichgewicht. Somit kann ein solches Substrat Pflanzen mit Kohlenstoff und Stickstoff aus dem Keratinabbau versorgen.

Auch die Kupferionen wurden zu etwa 55 Prozent über zwei Wochen freigesetzt und standen als Nährstoffe zur Verfügung. Und wenngleich beide Materialien in Wasser an mechanischen Eigenschaften einbüßten, so waren sie doch noch fest genug für die üblichen Handhabungen während eines hydroponischen Anbaus.

Schließlich erprobte das Forschungsteam die neuen Substrate in der Praxis: Ackerschmalwand, Pak Choi und Rucola waren die Testpflanzen. Weitere Nährstoffe als die im Substrat vorhandenen wurden nicht zugegeben. Die Ackerschmalwand wuchs auf allen Substraten, am besten jedoch auf einem Keratin-Cellulose-Substrat mit Kohlenstoffquantenpunkten, aber ohne Kupfer – vermutlich, weil die Pflanze andere kationische Mikronährstoffe als Kupfer benötigt.

Individuelle Anpassung an Kulturen nötig

Pak Choi wuchs auf allen Keratin-basierten Substraten besser als auf Phenolharzschaumstoff und konnte die Nährstoffe, die das Keratin-basierte Substrat ans Wasser abgab, sehr effizient verwerten. Vermutlich konnten die Wurzeln der Pflanze besonders gut in dieses Substrat eindringen. Rucola gedieh auf allen Substraten etwa gleich gut. Diese Befunde deuten darauf hin, dass die Substrate an die jeweilige Pflanzenart adaptiert werden müssen, um eine optimale Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen sicherzustellen. Die grundsätzliche Praxistauglichkeit, hydroponische Substrate aus dem Upcycling von Keratin- und Cellulose-haltigen Reststoffen herzustellen, konnte die Studie in jeden Fall nachweisen.


Quelle:
Zhao, Z. et al. (2022): Sustainable Nutrient Substrates for Enhanced Seedling Development in Hydroponics. In: ACS Sustainable Chemistry & Engineering 2022, 10, 8506-8516, (23. Juni 2022), doi: 10.1021/acssuschemeng.2c01668.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Hydroponische Anbausysteme könnten künftig ein nachhaltiges Nährsubstrat nutzen, das auch noch Mikronährstoffe an die Pflanzen liefert. (Bildquelle: © iamareri / Pixabay)