Schädlingen den Appetit verderben
Blausäure-Abwehr von Bittermandel oder Pfirsich auf Getreide übertragen
Um Verlusten beim Saatgut vorzubeugen wird dieses mit Hilfe von Pestiziden geschützt. Egal ob im Bio- oder im konventionellen Landbau, die Samen sind als Nährstoffbomben nicht nur für Menschen, sondern auch für Schädlinge interessant. Forscher haben einen natürlichen Schutzschild untersucht und auf andere Samen übertragen. Getreidekörner wurden mit Stoffen beschichtet, die vom Schädlingsfraß ausgelöst, zu Blausäure werden.
Nicht nur die Ernte, auch das Saatgut für die kommende Saison, muss vor Schädlingen geschützt werden. Damit die Körner nicht den Schädlingen ausgeliefert sind, wird zu Pestiziden gegriffen. Da diese Anwendung nicht in jedem Fall unkritisch gesehen wird, haben Forscher der ETH Zürich und des Berliner Julius Kühn-Instituts ein alternatives Schutzsystem entwickelten. Dabei nutzten sie das Vorbild der Natur. Einige Pflanzen, wie der Mandelbaum (Prunus dulcis) oder der Pfirsich (Prunus persica) schützen ihre Samen mit dem Blausäure (Cyanwasserstoff) abspaltenden Amygdalin. Diesen Schutz übertrugen die Forscher nun auf Getreide. Sie beizten in mehreren Schritten, sodass die einzelnen Komponenten beim Fraß zu Blausäure (Cyanwasserstoff) umgewandelt werden. Diese verdirbt den Insekten den Appetit oder tötet sie sogar.
Schichtfolge ist entscheidend
Bei ihrem Versuch ließen sich die Forscher von den Schichten der Zwiebel inspirieren. Sie ummantelten die Körner des Saat-Weizens (Triticum aestivum L.) in mehreren Schichten. Die Reihenfolge der Schichten ist laut der Forscher besonders wichtig, weshalb sie fünf verschiedene Kombinationen ausprobierten. Eine Schichtfolge stellte sich in ihren Versuchen als wirksam gegen Schädlinge heraus. Die innerste Schicht enthällt das Enzym β-Glucosidase. Dieses ist eine Cellulase und ist in der Lage Cellulose in die Grundbausteine zu zerlegen. Danach folgen Polymilchsäure (PLA) und Dichlormethan, gefolgt von zwei Schichten Amygdalin. Amygdalin ist ein cyanogenes Glycosid, welches zusammen mit β-Glucosidase Blausäure (Cyanwasserstoff) abspaltet. Den Abschluss der Beschichtung bildete ein weiterer Auftrag reiner Polymilchsäure (PLA). Ein komplexes Gebilde, welches durch eine sogenannte Saatgutbeizung appliziert wurde. Frisst sich ein Schädling nun durch die verschiedenen Schichten, bringt er das, eigentlich durch die Polymilchsäure (PLA) isolierte, Amygdalin mit dem Enzym in Berührung. Dadurch bildet sich Blausäure (Cyanwasserstoff).
Schmeckt’s den Käfern?
Für die Versuche wurden Schädlinge ausgewählt, die zu den größten Verlusten bei der Saatgut-Lagerung führen. Als Ergebnis vermehrten sich auf behandeltem Getreide deutlich weniger Mehlkäfer (Tenebrio molitor), Getreidekapuziner (Rhyzopertha dominica) und Dörrobstmotten (Plodia interpunctella). Auch die abgelegten Larven wuchsen deutlich langsamer. Lediglich gegen den Kornkäfer (Sitophilis granaries) war die Beize machtlos. Dieser bohrt das Korn an und legt seine Eier in dieses hinein. Die Larven fressen das Weizenkorn von innen auf, sodass der Blausäureschutz nicht aktiviert wird.
Einfluss auf die Keimung
Die Versuche zeigten, dass die aufgetragenen, 30 bis 50 Mikrometer (μm) dünne Beschichtung die Keimung der Weizenkörner nicht beeinflusst. Im Labor keimten 98 Prozent der behandelten Körner. Im Feldversuch benötigten diese zu Beginn zwar mehr Zeit zum Auflaufen. Dieses Defizit wurde im Laufe des Wachstums wieder ausgeglichen. Das Ergebnis ist, nach Aussage der Forscher, nicht verwunderlich, denn Pflanzen die von Natur aus Amygdalin beziehungsweise Blausäure enthalten, wachsen und gedeihen ohne Probleme.
Die Abbaubarkeit der einzelnen Komponenten
Ebenfalls untersucht wurde die biologische Abbaubarkeit der Beize. Bereits bekannt war, dass Polymilchsäure (PLA) biologisch abbaubar ist. Amygdalin zerfällt wiederum zu Zucker und Mandelonitrile, welches zur flüchtigen Blausäure und dem sich selbst zersetzenden Benzaldehyd wird, und ist ebenso unbedenklich. Lediglich das Dichlormethan könnte, laut den Forschern, dem Boden schaden, jedoch war der Stoff im späteren Verlauf nicht mehr messbar. Auch die β-Glucosidase ist natürlichen Ursprungs und wird in sehr geringen Mengen eingesetzt, sodass der Einsatz am Samen - abgesehen von den Schädlingen - für die Umwelt unbedenklich ist.
Gute Methode - eine Schwachstelle
Auch wenn die Methode der Forscher nicht perfekt ist, könnte sie für den Landwirt eine einfache und umweltschonende Möglichkeit sein, ihr Saatgut besser zu schützen. Sie kann dazu beitragen die Getreidebestände auf dem Feld zu verbessern, Ernteverluste zu minimieren und damit die Erträge zu sichern. So würde die Methode schließlich auch zur Ernährungssicherung beitragen. Weniger Verluste bedeuten aber auch einen geringeren Ausstoß an Treibhausgasen, da nichts umsonst produziert wird. Der preisliche Unterschied zu unbehandelten Körner liegt je nach Anwendung bei circa 6 bis 9 Prozent. Dafür würde die Behandlung mit anderen Pestiziden entfallen. Im nächsten Schritt könnten die Forscher die Methode auch auf anderes Saatgut, wie Reis (Oryza sativa) oder Mais (Zea mays) übertragen.
Quelle:
Mora, A. C. et al. (2016) Application of the Prunus spp. Cyanide Seed Defense System onto Wheat: Reduced Insect Feeding and Field Growth Tests. In: Journal of Agricultural And Food Chemistry. 2016, 64 (18), pp 3501–3507, (April 2016), DOI: 10.1021/acs.jafc.6b00438.
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Titelbild: Die verschiedenen Stoffe wurden durch eine sogenannte Saatgutbeizung auf die Körner appliziert. (Bildquelle: © M. Großmann / pixelio.de)