Seegraswiese der Superlative

15.02.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Neptungras als Forschungsobjekt. (Quelle: © Alberto Romeo / wikimedia.org; CC BY-SA 2.5).

Neptungras als Forschungsobjekt. (Quelle: © Alberto Romeo / wikimedia.org; CC BY-SA 2.5).

Im Mittelmeer haben Forscher eine Neptungraspflanze entdeckt, die sich auf einer Länge von ca. 3.500 km ausgebreitet hat. Etwa 80.000 Jahre hat die Pflanze für dieses Wachstum gebraucht.

An 40 Stellen im Mittelmeer zwischen Spanien und Zypern entnahmen die Wissenschaftler Proben des Neptungras Posidonia oceanica und untersuchten deren DNA. Sie wollten so dem Geheimnis der Methusalem-Pflanze auf den Grund gehen. Neptungras, das sich durch Klonen vermehrt, wächst sehr langsam, bildet jedoch unter Wasser riesige zusammenhängende Seegraswiesen. Die Pflanze kann zudem viele Tausend Jahre alt werden und scheint dennoch an wechselnde Umweltbedingungen gut angepasst. 

Laut den Wissenschaftlern erstreckt sich die größte genetisch identische Neptungraswiese auf einer Fläche von über 15 Kilometern vor der Balearen-Insel Formentera. Die DNA-Proben konnten zeigen, dass die Pflanzen in diesem Gebiet keine oder kaum Unterschiede im Erbgut aufwiesen. Es liegt also nahe, dass es sich um ein und dieselbe Pflanze handelt. Anhand der jährlichen Wachstumsrate des Seegrases schätzen die Wissenschaftler, dass die Pflanze etwa 80.000 bis 200.000 Jahre alt ist. In dieser Zeit muss sie viele Zehntausende Klone gebildet haben. Dass dennoch keinerlei Mutationen in den Erbgutproben selbst aus weit entfernten Regionen nachweisbar waren, erstaunte die Forscher. 

Stabil und doch flexibel – eine Überlebensstrategie

Wie hat das Neptungras so lange überleben können, ohne seine Gene an veränderte Lebensbedingungen evolutionär anzupassen? Die Wissenschaftler erklären sich dieses Phänomen mit derphänotypischen Plastizität. Obwohl die Gene der Pflanze von Generation zu Generation (annähernd) gleich bleiben, ist das Neptungras durch eine hohe Plastizität seines Erscheinungsbildes in der Lage, sich an die jeweils vorherrschenden Umweltbedingungen anzupassen. So kann die Pflanze ihre Merkmale auf die unterschiedlichen Umwelteinflüsse in den Mikrohabitaten einstellen und auch wechselnde Umwelt- und Klimabedingungen überstehen. 

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Neptungras ist ein wichtiger mariner Lebensraum und hat zudem großen Einfluss auf das Weltklima.

Neptungras ist ein wichtiger mariner Lebensraum und hat zudem großen Einfluss auf das Weltklima.

Bildquelle: © Albert kok / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Gerade die genetische Stabilität könnte eine Ursache für die Langlebigkeit der Wasserpflanze sein. Denn durch diese kann das Neptungras den optimalen Genotyp über längere Zeit erhalten. Eine große genetische Plastizität, also eine schnelle Anpassung desGenoms an Umwelteinflüsse, würde dazu führen, dass einzelneGenvarianten, die unter bestimmten Umweltbedingungen ungünstig sind, aussterben. Unter veränderten Bedingungen könnten aber gerade diese Merkmale vorteilhaft sein, sie fehlen dann jedoch im genetischen Repertoire. Diese langfristig orientierte Wachstums- und Anpassungsstrategie könnte die große geographische Verbreitung und das lange Leben des Neptungrases erklären, so die Wissenschaftler. Vermutlich hat sich das Neptungras jedoch nicht allein durch Klone auf einer so großen Fläche ausgebreitet. Die Forscher vermuten, dass die Wasserpflanze ihren Lebensraum auch durch Abtrennen und Wiederanwachsen einzelner Pflanzen-„Mosaike“ stetig erweitert hat. 

Klimawandel bedroht Neptungras

Die Studie macht deutlich, wie wenig bislang über die Überlebensstrategien und Alterungsprozesse von Pflanzen bekannt ist, die sich über Klone vermehren. Zwar lässt das stolze Alter des Neptungrases auf eine robuste Art schließen, die Wasserpflanze scheint jedoch durch den Klimawandel bedroht. Die Temperaturen im Mittelmeer steigen dreimal schneller an als in anderen Meeren. Einen so rasanten Wandel hat die Pflanze bislang nicht erlebt. Zudem verdrängt der zunehmende Schiffsverkehr im Mittelmeer das Neptungras immer mehr.

Das Seegras spielt eine wichtige Rolle im globalen Ökosystem. Sie ist nicht nur die Grundlage mariner Lebensräume, sondern auch für das Weltklima bedeutend. Denn ein Hektar der Seegraswiese kann deutlich mehr Kohlendioxid in Sauerstoff umwandeln als die gleiche Fläche tropischer Regenwald.


Quelle:

Sophie Arnaud-Haond et al. (2012): Implications of Extreme Life Span in Clonal Organisms: Millenary Clones in Meadows of the Threatened Seagrass Posidonia oceanic. PLoS ONE 7(2): e30454.doi:10.1371/journal.pone.0030454, veröffentlicht 1. Februar 2012.