Stickstoffmangel lässt Wurzeln wachsen

Einblicke in die genetischen Grundlagen bei Pappeln

16.07.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pappeln sind aufgrund ihres schnellen Wachstums geeignete Energiepflanzen. (Quelle: © iStockphoto.com/ rcaucino)

Pappeln sind aufgrund ihres schnellen Wachstums geeignete Energiepflanzen. (Quelle: © iStockphoto.com/ rcaucino)

Ein Forscherteam untersuchte die genetischen Grundlagen eines ungewöhnlichen Phänomens: Entzieht man beispielsweise Pappeln den Stickstoff bilden diese größere und längere Wurzeln. Der Blick ins Erbgut der Pappel zeigt, dass mehrere Tausend Gene involviert und in einem streng hierarchisch geordneten Netzwerk organsiert sind. Vor allem aber ein Gen, so die Ergebnisse der Forscher, scheint hierfür die Fäden zu zieht. Die Fähigkeit trotz weniger Stickstoff eine verbesserte Versorgung mit Mineralstoffen zu ermöglichen, ist nicht nur für das Ertragspotenzial, sondern auch für die Umwelt wichtig. Stickstoffdüngung ist teuer, energieaufwändig  und neben der Verschmutzung von Gewässern für die hohen Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich.

Stickstoff ist für Pflanzen ein essentieller Nährstoff, den sie für den Stoffwechsel und das Wachstum benötigen. Sie nehmen den Nährstoff in Form von Ammoniumionen (NH4+) und Nitrat (NO3) aus dem Boden und aus dem Grundwasser auf. In der Luft befindet sich zwar reichlich Stickstoff, rund 78 Prozent, allerdings in seiner elementaren Form (N2), den die meisten Pflanzen so nicht binden können. Reicht der Stickstoff im Boden nicht aus, sind sie auf Stickstoff-fixierende Mikroorganismen (z.B. Knöllchenbakterien) oder auf Düngemittel angewiesen.

Weniger für mehr?

Ein Nährstoffmangel ist für Pflanzen Stress. Pflanzen reagieren bei abiotischem Stress wie geringer Stickstoffverfügbarkeit mit morphologischen und physiologischen Anpassungen. Über die Wurzeln versuchen sie neue Nährstoffquellen zu erschließen, wodurch diese länger und größer werden. Die genetischen Grundlagen hinter dieser bekannten Beobachtung waren zumindest für Bäume bisher nicht bekannt. Ein Forscherteam untersuchte aus diesem Grund die molekularen Zusammenhänge an den Wurzeln von Pappeln (Populus).

Die genetischen Grundlagen des gesteigerten Wurzelwachstums

Unter den Bäumen war die Pappel das erste vollständig entschlüsselte Genom (Tuskan et al. 2006). Mit über 500 Megabasenpaaren (Mbp) ist es verglichen mit anderen Bäumen relativ klein, aber rund vier Mal so groß wie das Erbgut der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Es gibt Zehntausende von Genen im Genom der Pappel, die von den Wissenschaftlern genauer unter die Lupe genommen wurden.

#####1#####
Victor Busov (links), Yordan Yordanov (mitte) und Hairong Wei (rechts) untersuchten Pappeln und die genetischen Grundlagen des gesteigerten Wurzelwachstums bei niediger Stickstoffverfügbarkeit.

Victor Busov (links), Yordan Yordanov (mitte) und Hairong Wei (rechts) untersuchten Pappeln und die genetischen Grundlagen des gesteigerten Wurzelwachstums bei niediger Stickstoffverfügbarkeit.

Bildquelle: © Michigan Technological University

Um die genetische Basis zu ergründen, zogen die Wissenschaftler zunächst Pappel-Sämlinge (Populus tremula × Populus alba) unter normalen Bedingungen auf und testeten deren Reaktion auf eine stickstoffarme Umgebung. An diesen untersuchten sie, welche Veränderungen es im Transkriptom - also der Gesamtheit aller abgelesenen (transkribierten) Gene - der Wurzeln als Folge des Stickstoffmangels gab. Die Genomanalyse mit Hilfe von Microarrays  lieferte den Forschern 9.198 Gene, die bei geringer Stickstoffverfügbarkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe ein deutlich unterschiedliches Aktivitätsmuster zeigten. Unterschiedliche Mengen oder Arten von physiologisch aktiven Proteinen können die Folge sein. Bereits nach einem Tag war das Umschalten der molekularen Netzwerke bei Pappeln messbar. Kurzer Zeit später, nämlich nach 2-4 Tagen, waren die Wurzeln der unter Stickstoffmangel kultivierten Pappeln bereits länger und bildeten mehr Seitenwurzeln aus, als die ihrer im Überfluss schwelgenden Artgenossen. Sie drangen in andere Bodenschichten vor und vergrößerten gleichzeitig die Kontaktfläche zur Aufnahme von Nährstoffen.

Wie komplex die dafür verantwortlichen Reaktionsmuster sind, verdeutlichten die Forscher mit der Zuordnung der knapp 10.000 beteiligten Gene zu Netzwerken mit bereits bekannten Funktionen für Wachstums- und Differenzierungsprozesse. Insgesamt 28 biologische Prozesse waren durch den Stickstoffmangel beeinflusst. 21 dieser 28 Prozesse waren aus Versuchen mit der Modelpflanze Arabidopsis bekannt.

Weitere Analysen identifizierten wichtige Schlüsselgene. Es gelang den Forschern die Transkriptionsfaktoren zu identifizieren, die bei Stickstoffmangel genetische Netzwerke kontrollieren. Dabei stach vor allem ein Gen heraus: PtaNAC1 (P. tremula × alba NAM, ATAF, CUC 1). In einem weiteren Test wurde dieses Gen hochreguliert, sprich öfter als unter normalen Bedingungen abgelesen. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe wuchsen die Wurzeln bei den manipulierten Pappeln signifikant. Dies war für die Forscher ein Beleg, dass PtaNAC1 eine übergeordnete Funktion hat und auf viele Gene einwirkt, um letztlich längere und größere Wurzeln auszubilden.

Warum Pappeln?

Spätestens seit der erfolgreichen Sequenzierung des Pappelgenoms sind diese ein Model für Gehölze. Sind die Zusammenhänge bekannt, wie eine bessere Nährstoffverfügbarkeit zu mehr Biomasse führt, können zusätzliche Ertragspotenziale ohne einen Mehraufwand an Düngemitteln realisiert werden. Aber nicht nur als Model, sondern auch für die Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation sind Pappeln interessant. Die im Holz enthaltene Lignocellulose wird dabei zu Bioethanol verarbeitet. Den KUPs (Kurzumtriebsplantagen), also dem Anbau schnellwachsender Gehölze wie der Pappel, schreiben einige Experten ein besonderes Potenzial zu. 

Auch bei Energiepflanzen setzt man Dünger ein, um sie mit ausreichend Stickstoff zu versorgen. „Die gegenwärtigen Praktiken der Stickstoffdüngung sind weder im Bezug auf die Umwelt, noch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll“, sagt Victor Busov von der Michigan Technological University, der an der Studie beteiligt war. „Nur 30 Prozent davon wird von den Pflanzen verwendet. Der Rest geht in oberirdische Gewässer und das Grundwasser. Es verändert die Böden und verursacht einen Anstieg von Algenblüten, Treibhausgasen und Insekten wie Mücken, die wiederum Krankheiten übertragen können.“

Versteht man wie die Pflanzen mit Stickstoff umgehen und welche biologischen Prozesse dadurch angeregt werden, kann dies gezielt für die Züchtung genutzt werden. Ziel ist es letztlich mit dem genetischen Hintergrundwissen Pappel-Sorten zu entwickeln, die mit Stickstoff haushalten können und daher weniger Input von außen, sprich Dünger, benötigen.


Quelle:
Wei, H. et al. (2013): Nitrogen deprivation promotes Populus root growth through global transcriptome reprogramming and activation of hierarchical genetic networks. In: New Phytologist, (25. Juni 2013), doi: 10.1111/nph.12375.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Pappeln sind aufgrund ihres schnellen Wachstums geeignete Energiepflanzen. (Quelle: © iStockphoto.com/ rcaucino)