Superfood für Raupen

Pilzsporen dienen Schwammspinnern als zusätzlicher Nährstoff

13.05.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Raupe eines Schwammspinners (Lymantria dispar) macht sich über die Sporen des Rostpilzes Melampsora larici-populina her, der sich auf einem Pappelblatt ausgebreitet hat. (Bildquelle: © Franziska Eberl / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie)

Die Raupe eines Schwammspinners (Lymantria dispar) macht sich über die Sporen des Rostpilzes Melampsora larici-populina her, der sich auf einem Pappelblatt ausgebreitet hat. (Bildquelle: © Franziska Eberl / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie)

Ist die Schwarzpappel mit einem Pilz infiziert, sind ihre Blätter ein gefundenes Fressen für Schwammspinnerlarven. Denn neue Erkenntnisse zeigen, dass sich Raupen des Nachtfalters ganz bewusst auf die infizierten Blätter stürzen: Die hohe Nährstoffkonzentration in den Pilzsporen führt dazu, dass sich die Larven schneller entwickeln und verpuppen. Ein bedeutsamer ökologischer Zusammenhang zwischen Pflanzen, Pilzen und Insekten, der in der Forschung bisher kaum Beachtung gefunden hat.

In hiesigen Wäldern hat sich der Schwammspinner in den letzten Jahren drastisch vermehrt. Der Nachtfalter, den man im Juli und August umherfliegen sehen kann, ist dabei nicht das Problem – seine Raupen dafür umso mehr: Nicht nur große Waldflächen können sie radikal schädigen, auf der Suche nach Nahrung breiten sie sich gerne auch in Privatgärten aus. Dass die Larven dabei eine ungeahnte Vorliebe für Blätter mit Pilzbefall haben, hat ein deutsches Forschungsteam nun entdeckt.

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Schwammspinner-Weibchen legen bis zu 700 Eier ab. Diese kitten sie an Baumstämme und an Zäune. Durch das schwammartige Aussehen des Geleges hat der Schwammspinner seinen Namen erhalten.

Schwammspinner-Weibchen legen bis zu 700 Eier ab. Diese kitten sie an Baumstämme und an Zäune. Durch das schwammartige Aussehen des Geleges hat der Schwammspinner seinen Namen erhalten.

Bildquelle: © Quallyptus / Wikipedia / CC BY-SA 3.0

Blätter mit Pilzsporen werden bevorzugt

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemische Ökologie in Jena untersuchten diesen Zusammenhang für unterschiedliche Raupenstadien des Schwammspinners. Dazu führten sie Experimente durch, bei denen die Raupen zwischen gesunden und mit Pilzsporen infizierten Blättern wählen konnten. Erstautorin Franziska Eberl beschreibt die überraschenden Ergebnisse: „Egal ob Rostpilz oder Mehltau, vor allem junge Raupen haben sich über die Pilze hergemacht.“ Grund für die Vorliebe ist die Vielfalt von Nährstoffen, die die Sporen enthalten. Die Forscher beobachteten auch, dass Raupen mit Pilzen auf dem Speiseplan sich unter Laborbedingungen schneller entwickelten und früher verpuppten.

Belastung für die Gesundheit der Wälder

Dr. Sybille Unsicker, Wissenschaftlerin der Abteilung Biochemie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena, erklärt: „Die ausgewachsenen Falter können sich dann natürlich auch schneller verpaaren und somit früher Nachkommen für die nächste Generation produzieren. Im Falle des Schwammspinners ist das derzeit noch kein großes Problem, da diese Art nur mit einer Generation im Jahr vorkommt. Im Rahmen des Klimawandels mit immer wärmeren Wintern – ohne Starkfröste – in Deutschland wäre es aber durchaus denkbar, dass Schwammspinner auch zwei statt einer Generation pro Jahr erfolgreich durchlaufen. Für die betroffenen Bäume wäre das natürlich dann umso dramatischer.“

Vielfalt als Schlüssel zum ökologischen Gleichgewicht

Doch wie könnte eine solche Entwicklung verhindert werden? Die Forscherin weist darauf hin, dass schon bei der Bepflanzung bestimmter Habitate auf Genotypen von Bäumen zurückgegriffen werden könnte, die weniger anfällig gegenüber dem Rostpilz sind.

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Die Raupe des Schwammspinners (Lymantria dispar) ist kein reiner Pflanzenfresser, sondern hat auch eine Vorliebe für nährstoffreiche Pilze.

Die Raupe des Schwammspinners (Lymantria dispar) ist kein reiner Pflanzenfresser, sondern hat auch eine Vorliebe für nährstoffreiche Pilze.

Bildquelle: © Franziska Eberl, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Gleichzeitig mahnt sie zu Zurückhaltung: „Es ist aus meiner Sicht trotzdem nicht anzuraten, ab sofort nur noch Schwarzpappeln anzupflanzen, die sehr resistent gegenüber dem Rostpilz sind. Aus Studien im Bereich der Biodiversitätsforschung wissen wir nämlich, dass nicht nur die Vielfalt von Arten, sondern auch die genetische Vielfalt innerhalb einer Arten essentiell für ein gut funktionierendes Ökosystem ist.“

Ein verbreitetes Phänomen?

Dennoch, das gewonnene Wissen ist hilfreich, um zukünftig besser gegen Schädlinge vorgehen zu können. „Unsere Studie hat gezeigt, dass zwei generalistische Raupenarten, also Arten, die ein großes Wirtspflanzenspektrum haben, vom Fraß an Pilzsporen und vom Pilz befallenen Blättern profitieren. Beide getesteten Arten, der Schwammspinner und auch der Schlehenbürstenspinner, fressen an Gehölzpflanzen. Es bleibt zu klären, ob der opportunistische Fraß an Pilzen ein Phänomen generalistischer Insekten ist, die sich von Gehölzpflanzen ernähren, oder ob man dieses Verhalten auch bei Schadinsekten der Landwirtschaft, wie z. B. dem ägyptischen Baumwoll-Blattwurm (Spodoptera littoralis) beobachten kann“, so Unsicker.


Quelle:
Eberl, F. et al. (2020): Herbivory meets fungivory: Insect herbivores feed on plant pathogenic fungi for their own benefit. In: Ecology Letters, (19. April 2020), doi: 10.1111/ele.13506.

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Titelbild: Die Raupe eines Schwammspinners (Lymantria dispar) macht sich über die Sporen des Rostpilzes Melampsora larici-populina her, der sich auf einem Pappelblatt ausgebreitet hat. (Bildquelle: © Franziska Eberl / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie)