Synthetische Biologie in Pflanzen
Plastiden: Überschaubarer Bausatz für Einsteiger
Plastiden bieten alles, was die synthetische Biologie braucht, um sie effizient umzugestalten. Warum sie die Grundbausteine für ein neues Pflanzenzeitalter sein könnten, hat Pflanzenforschung.de für Sie zusammengefasst.
Plastiden eignen sich hervorragend als Grundbausteine für die synthetische Biologie. Noch nie gehört? Die synthetische Biologie ist quasi ein Legobausatz für Biologen, mit dem sie (theoretisch) alle möglichen neuen Organsimen auf genetischer Ebene zusammenbasteln oder bestehende Organismen ihren Wünschen entsprechend verändern können. Doch anders als das Legobauen geschieht das nicht nur zum Zeitvertreib, sondern verfolgt höhere Ziele: Die Organismen sollen mit besonderen Eigenschaften ausgestattet werden, die dem Menschen nützen. Denkbar sind beispielsweise Bakterien, die Arzneimittel herstellen oder Müll beseitigen, Algen, die Wasserstoff erzeugen und Pflanzen, die auf Sprengstoff reagieren.
Der Nachwuchs des jungen Wissenschaftszweiges misst sich seit dem Jahr 2004 jährlich bei der International Genetically Engineered Machine competition (iGEM) in Cambridge, Massachusetts in den USA. Zum Sommerbeginn wird allen teilnehmenden Studententeams ein Kit aus biologischen Bausteinen überreicht, aus denen sie zusammen mit ihren eigenen Bausteinen in ihren Forschungseinrichtungen biologische Systeme erstellen, die in lebenden Zellen funktionieren. In den letzten Jahren wurde der Wettbewerb auf High Schools und Unternehmen ausgeweitet.
Plastiden: Überschaubares Minigenom
Ganz so einfach ist es nicht, einem Organismus ein neues biologisches System unterzujubeln. Die meisten Genome höherer Lebewesen sind komplex und trotz atemberaubender Fortschritte in der Genomsequenzierung ist die Funktion aller Gene noch nicht verstanden. Als Legobausatz für Einsteiger eignen sich daher besonders die Plastiden. Plastiden sind Zellorganellen von Pflanzen und Algen, die aus endosymbiontisch lebenden Cyanobakterien hervorgegangen sind. Sie werden unter anderem für die Photosynthese benötigt und verfügen über ein eigenes, kleines, ringförmiges Genom mit hoher Gendichte und eigenen Ribosomen. Über eine Milliarde Jahre hat sich das Genom der Plastiden entwickelt und wurde dabei immer kleiner. Seine Größe sank von ca. 3,5 Mio. Basenpaaren auf 120 – 160 Tausend. Hauptgrund dafür ist der Verlust von Genen und das Umsiedeln von Genen in das Genom im Zellkern. Wissenschaftler betrachten das Plastidengenom daher als ein natürlich entstandenes Miniaturgenom, dessen extreme Verkleinerung über die Jahre als eine Art Vorlage zum Design von Minigenomen herangezogen werden kann.
Lars Scharff, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max Planck Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam Golm, und seine Kollegen beschäftigten sich damit, ein Plastidenminimalgenom zu generieren. „Unser Ziel ist, die Erkenntnisse aus den Knock-Out-Studien zu überprüfen. Wir wollen herausfinden, ob die uns als essentiell bekannten Gene ausreichend sind, funktionsfähige Plastiden wieder zusammenzubauen. Ob es uns gelingen wird, wissen wir zum momentanen Zeitpunkt noch nicht.“ Denn immer wieder stoßen die Forscher auf technische Hürden, die es zu überwinden gilt.
Minimalorganismen herzustellen diene hauptsächlich der Grundlagenforschung, so Lars Scharff. „Durch Hinzufügen von neuen Stoffwechselwegen könnte man aus einem Minimalorganismus einen Organismus schaffen, der sich zur Herstellung eines bestimmten Stoffes eignet. Das wird in naher Zukunft allerdings noch nicht realisierbar sein“, vermutet der Wissenschaftler. Denn ein synthetischer Minimalorganismus sei einem natürlich gewachsenen mit großer Wahrscheinlichkeit an biologischer Fitness unterlegen.
Genom einfach umbaubar
Bestehende Genome umzubauen, ist eine verbreitete Vorgehensweise in der synthetischen Biologie. Bei Pflanzen und Grünalgen eignen sich dazu besonders die Chloroplasten, eine Form der Plastide. Sie haben viele Vorteile, die für die synthetische Biologie von Bedeutung sind: Ihre weitgehend prokaryotische Genomstruktur und Genexpressionsmaschinerie, die hohen Expressionsraten für Transgene, also die Tatsache, dass etwas in großen Menge hergestellt werde kann, und die generell sehr niedrigen Produktionskosten in pflanzlichen Systemen. Deshalb sind die Chloroplasten ein beliebter Experimentierort für die synthetische Biologie. Hinzu kommt der Fakt, dass ein Plastidengenom relativ leicht verändert werden kann, zumindest in den beiden in der synthetischen Pflanzen-Biologie etablierten Modellorganismen: in der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii und der Samenpflanze Nicotiana tabacum, der Tabakpflanze.
Inzwischen können Biologen auf eine große Auswahl an etablierten, molekularbiologischen Werkzeugen zurückgreifen, mit denen sie das Plastidengenom modifizieren können. Noch ein weiterer Grund spricht für die Plastiden. In ihnen funktioniert die homologe Rekombination äußerst effizient, wodurch sich relativ unkompliziert auch große Stücke fremder DNA passgenau integrieren lassen. Das System ist sogar so aktiv, dass zwei voneinander entfernt liegende Regionen in einem Experiment zur gleichen Zeit verändert werden können.
Theoretisch unbegrenzte Fragmentgröße einführbar
Die Transformation der beiden Modellorganismen in der synthetischen Pflanzenbiologie erfolgt ausschließlich über den Beschuss mit den sogenannten „Genkanonen“ – einem rein physikalischen Prozess zur Übertragung von DNA. Die Größe des Erbguts spielt dabei keine Rolle. Bis dato sind bereits 50.000 Basenpaare (50 kb) große Stücke in die Plastiden der Tabakpflanze integriert worden. Theoretisch sind der Fragmentgröße nach oben hin keine Grenzen gesetzt – eine wichtige Grundlage, wenn es darum geht, das Plastidengenom umzuschreiben.
Top-Down und Bottom-Up
Basierend auf ersten Arbeiten in mikrobiellen Systemen haben sich zwei verschiedene Ansätze in der synthetischen Biologie etabliert: Der sogenannte Top-Down Ansatz baut auf einem bereits existierenden biologischen System auf und versucht, dessen Komplexität zu reduzieren. Der angestrebte Idealzustand ist ein System minimaler Größe, das aus möglichst wenigen Teilen besteht. Ein bestehendes System mit neuen Merkmalen zu versehen, hat den Vorteil, dass man sich um grundlegende Funktionen nicht kümmern muss, die die Natur über Jahrmillionen optimiert hat.
Der Bottom-Up Ansatz startet mit individuellen Teilen, aus denen ein künstliches, biologisches System von Grund auf neu konstruiert wird. Ziel beider Ansätze ist es, biologische Prozesse besser zu verstehen und zu optimieren oder gar neu zu generieren. Damit kommt die synthetische Biologie der Biotechnologie sehr nahe.
Lösung für die größten Herausforderungen in der Pflanzenbiotechnologie?
Da Chloroplasten als Stoffwechsel-Zentren der Pflanze gelten, sind sie für Veränderungen des pflanzlichen Metabolismus ein besonders attraktiver Ort. Wenn die bisher bestehenden technischen Hürden überwunden sind, könnte sich die Transformation von Plastiden zu einem wichtigen Werkzeug für eine der größten Herausforderungen in der Pflanzenbiotechnologie mausern: der Umwandlung der C3- in C4-Pflanzen. Bei heißem und trockenem Wetter schließen Pflanzen ihre Spaltöffnungen an den Unterseiten der Blätter, um einer zu hohen Verdunstung von Wasser vorzubeugen. Dabei verringert sich bei C3- im Vergleich zu C4-Pflanzen die Photosyntheseleistung. Auch der Transfer des Stoffwechsels zur Stickstofffixierung von Mikroben auf Pflanzen ist ein mögliches Ziel der synthetischen Pflanzenbiologie.
Quelle:
Scharff, L. B. und Bock, R. (2013): Synthetic biology in plastids. In: The Plant Journal, (online 16. Oktober 2013), doi: 10.1111/tpj.12356.
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Titelbild: Chloroplasten erfüllen viele für Anwendungen der synthetischen Biologie wichtige Eigenschaften. (Quelle: © iStockphoto.com/jack0m)