Tote Bakterien machen Böden fruchtbar
Abgestorbene Bakterien sind einer aktuellen Studie zufolge eine zentrale Quelle der organischen Bodenbildung. Die Forscher widerlegen damit die Ansicht, dass Humus in erster Linie aus zerfallenen Pflanzenresten besteht. Vielmehr zersetzten Bakterien die Pflanzenreste und wandelten diese um. Die Zellhüllen abgestorbener Bakterien bilden auf Mineralien Beläge und tragen so stärker als vermutet zur Bodenbildung bei.
Organische Bodenbestandteile machen Böden fruchtbar und ertragreich. Sie sind der größte Kohlenstoffspeicher der Biosphäre und damit ein Schlüsselfaktor des Klimaschutzes. Ein schlechtes Bodenmanagement setzt den im Boden gebundenen Kohlenstoff in Form des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre frei. Forscher aus Leipzig, Dresden, Hannover, Tübingen und Stockholm haben in einem Laborexperiment und einem anschließenden Feldversuch nachgewiesen, dass ein Großteil des in mikrobieller Biomasse gespeicherten Kohlenstoffs in organischen Bodenbestandteilen erhalten bleibt. Zellwandreste abgestorbener Bakterien scheinen damit die Bodenfruchtbarkeit stärker zu beeinflussen als bisher angenommen. Zudem spielen sie eine wichtige Rolle für die CO2-Speicherfähigkeit des Bodens.
Bakterienreste überall im Boden
In einem Inkubationsexperiment im Labor haben die Wissenschaftler zunächst Modell-Bakterien mit dem stabilen Kohlenstoff-Isotop 13C markiert und in Boden eingebracht, der aus dem Langzeitexperiment „Ewiger Roggenbau“ in Halle/Saale stammte. Nach 224 Tagen Inkubationszeit wurde der Verbleib des Kohlenstoffs der Bakterien mit einer Isotopenanalyse bestimmt.
Unter dem Rasterelektronenmikroskop fanden die Forscher überall in den Bodenproben Reste von Bakterienzellwänden in unterschiedlichen Zerfallsstadien und Größen zwischen 200 und 500 Nanometern. Die Bakterienreste lagerten sich offenbar an den mineralischen Bodenbestandteilen an und bildeten auf diesen einen Film organischer Moleküle, in dem der Kohlenstoff der abgestorbenen Bakterien gespeichert wurde. Die Forscher vermuten, dass die Anlagerung der Zellreste von Peptiden und Proteinen aus den Bakterienzellen unterstützt wird. Denn im Boden fanden sich besonders viele dieser Zellbestandteile.
Bisher ging man davon aus, dass organischer Boden in erster Linie aus pflanzlichen Überresten besteht. Auf Basis ihrer Ergebnisse korrigierten die Forscher dieses Modell der Bodenbildung.
Warum sind die theoretisch gut abbaubaren Bakterienhüllen jedoch so beständig? Die Forscher vermuten, dass dies mit der Wasserspeicherfähigkeit der Zellwandbestandteile zu tun hat. So nahmen Böden, die viel bakterielles Material enthielten, weniger Wasser auf. Trocknen die Fragmente im Boden aus, verlieren sie ihre gummiartigen Eigenschaften und werden hart wie Glas. Wird der Boden später wieder feucht, können Sie dann keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen. Die Partikel bleiben hart und können so nicht von anderen Bakterien abgebaut werden.
Bakterien sind die Vorhut der Bodenbildung
Im Freilandversuch konnten die Forscher ihr Modell bestätigten. Sie untersuchten Bodenproben vom Rande des Dammagletschers im Schweizer Kanton Uri aus dem Jahr 2009. Der untersuchte Boden war zwischen 0 und 120 Jahren alt und erlaubte damit einen Einblick in die Prozesse der frühen Bodenentwicklung. In den letzten 150 Jahren ist der Dammagletscher um rund einen Kilometer Länge geschrumpft. Zurück blieb Granitgestein, das zunächst ohne organische Beläge war und dann mit der Zeit langsam von Mikroorganismen besiedelt wurde. Die Bakterien bildeten dabei sozusagen die Vorhut der Bodenbildung. Mit der Ansiedlung der ersten Pflanzen nahm ihre Besiedlung zu und damit auch das Ausmaß abgestorbener Bakterienzellen. Als sich ausreichend Boden neu gebildet hatte, besiedelten Pionierpflanzen wie Moose und Gräser den Granitstein. Mit weiter voranschreitender Bodenbildung folgten Sträucher, später auch Bäume.
Die Untersuchung der Bodenproben mittels Rasterelektronenmikroskopie ergab, dass mit zunehmendem Alter der Böden die Mineralpartikel im Boden immer stärker mit einem Film aus Rückständen von Bakterienzellwänden bedeckt waren. Die Anzahl der Partikel nahm mit der Zeit zu, ihre Form und Größe änderte sich jedoch kaum. Dies könnte ein Zeichen für die Weiterverwertung der Reste durch andere Bakterien sein, vermuten die Forscher. Je länger der Granitstein vom Eis befreit war, desto weiter war die Bodenbildung vorangeschritten. Dies zeigte sich vor allem daran, dass der Anteil organisch gebundenen Kohlenstoffs im Boden mit der Zeit zunahm, ebenso wie der Gehalt an Stickstoff, Phospholipiden (PLFA) und Fettsäuren (tFa).
Bodenschutz ist Klimaschutz
Auch wenn der größte Teil des organischen Kohlenstoffs in den Ökosystemen primär von Pflanzen produziert wird, so konnten die Forscher zeigen, dass ein großer Teil des organischen Materials im Boden aus abgestorbenen Bakterien und Pilzen besteht. Die Studie unterstreicht damit die Bedeutung, die Bakterien in jedem Boden spielen. Boden ist eine komplexe Mischung aus pflanzlichen und mikrobiellen Überresten unterschiedlicher Zerfallsstadien. Bakterien unterstützen jedoch nicht nur die Bodenbildung. Sie beeinflussen auch das globale Klima. Der Abbau organischen Materials führt unter anderem zu Mineralisationsprodukten wie dem Treibhausgas CO2. Nach Schätzungen aus Großbritannien entspricht die Menge an CO2, die durch den Abbau von organischem Material in den Böden Englands und Wales pro Jahr in die Atmosphäre entweicht, der Größenordnung, um die die Treibhausgasemissionen dort pro Jahr reduziert wurden. Dies verdeutlicht: Ohne Bodenschutz kann es keine spürbaren Fortschritte beim Klimaschutz geben.
Das korrigierte Modell der Bodenbildung erklärt viele Eigenschaften der organischen Bodenbestandteile, die früher widersprüchlich erschienen. Möglich wurden die neuen Erkenntnisse durch Fortschritte in der Rasterelektronenmikroskopie, die es nun erlaubt, auch winzige Bodenbestandteile wie mikrobielle Zellwandpartikel besser zu erkennen und auszuwerten.
Quellen:
- Schurig, C. et al. (2012): Microbial cell-envelope fragments and the formation of soil organic matter: a case study from a glacier forefield. Biogeochemistry (Spetember 2012), doi: 10.1007/s10533-012-9791-3.
- Miltner, A. et al. (2011): SOM genesis – Microbial biomass a significant source. Biogeochemistry (Oktober 2011), doi: 10.1007/s10533-011-9658-z.
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