Symbiose als Nährstoffmarkt
Gibst du mir, so geb ich dir. Nach diesem Prinzip regulieren symbiotische Pilze und ihre Wirtspflanzen den Nährstoffaustausch zu beiderseitigem Nutzen. „Schmarotzer“ gehen dabei leer aus, wie Laborexperimente mit einer Modellpflanze zeigen.
Sie tauschen Glucose aus der Fotosynthese gegen Nährsalze und Wasser. Ein Großteil aller Pflanzen lebt in Symbiose mit Mikroorganismen – zum gegenseitigen Vorteil (Mutualismus). Denn durch die enge Beziehung zu Bodenpilzen verbessert die Pflanze ihre Nährstoffaufnahme von Phosphor und Stickstoff. Gleichzeitig schützt sie der Pilz vor Bodenschädlingen. Im Tausch dafür versorgt die Pflanze den Pilz mit Kohlenhydraten.
Studien zeigen, dass Pflanzen, die in Symbiose mit Mykorrhizapilzen leben, schneller wachsen und resistenter gegen Umweltstress sind, z.B. gegen Trockenheit, Überschwemmungen oder salzige Böden. Der biologischen Vielfalt unter der Erde kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Dies macht eine Studie deutlich, die kürzlich im Fachmagazin „Ecology Letters“ erschien. Danach führt eine große Vielfalt an konkurrierenden Bodenpilzen im Wurzelraum (Rhizosphäre) zu einer bis zu 85% gesteigerten Biomasseproduktivität der Pflanze.
Ein Geben und Nehmen
Pflanzen und ihre symbiotischen Bodenpilzen interagieren in einem komplexen Netzwerk mit zahlreichen (potenziellen) Partnern. Wie Wirt und Symbiont langfristig einen fairen und gleichberechtigten Nährstoffhandel aufrechterhalten, ohne ausgebeutet zu werden, war bislang unklar. Man vermutete jedoch, dass in der Symbiose die Pflanze den kleineren Symbionten dominiert. Laborexperimente mit Schneckenklee (Medicago truncatula), einer Modellpflanze für Leguminosen, weisen nun darauf hin, dass Pflanzen und Pilze über Mechanismen verfügen, mit denen sie auf Veränderungen im Nähstoffangebot wie auf einem „biologischen Markt“ reagieren können. Die spendabelsten Partner im Netzwerk werden dabei belohnt und eine langfristige Kooperation zu beiderseitigem Nutzen etabliert.
In einem ersten Experiment verglichen Wissenschaftler die Interaktion der Schneckenklee-Pflanzen mit drei nah verwandten Mykorrhiza-pilzen, die sich allein darin unterschieden, wie viel Phosphor sie der Pflanze zur Verfügung stellten. Analysen der Pilz-RNA zeigten nach einem Versuchstag, dass die großzügigsten Pilze von den Pflanzen auch die größte Menge an Kohlenhydraten erhalten hatten. Weniger kooperative Pilze, die die pflanzlichen Kohlenhydrate lediglich speicherten, aber keine angemessene Gegenleistung erbrachten, erhielten von der Pflanze auch weniger Glucose.
In einem zweiten Experiment wurden Wurzelstücke mit nur einer Pilzspezies in Petrischalen kultiviert und unterschiedlich hohe Phosphormengen beigegeben. Auch hier erhielten die Pilze mit der höchsten zusätzlichen Phosphorgabe im Austausch eine deutlich höhere Menge an Kohlenhydraten.
Wie Pflanzen, interagieren auch Pilze mit verschiedenen Partnern im Ökosystem. Und auch sie reagieren auf die Großzügigkeit ihrer pflanzlichen Partner mit einer entsprechend größeren Menge an Phosphor. In Petrischalen wurden Pilze der gleichen Spezies mit zwei unterschiedlich produktiven Wurzelsets kultiviert. Die Pilze gaben mehr Phosphor an die Wurzeln ab, die über mehr Kohlenhydrate als Tauschwert verfügten.
Symbiose als erfolgversprechendes Produktionssystem
Die Studie zeigt erstmals, dass Pflanzen und Pilze über Mechanismen verfügen, die eine langfristige, gleichberechtigte Symbiose ermöglichen. Demnach ist eine Symbiose nur dann stabil, wenn beide Partner das Nähstoffangebot des anderen mit einer entsprechenden Tauschware belohnen.
Um die positive Wirkung von Symbiosen auf die Produktivität von Pflanzen landwirtschaftlich nutzen zu können, müssen wir das komplexe Interaktionsnetzwerk Ökosystem im Ganzen verstehen lernen. Bisher sind erst wenige Einflussfaktoren dieses Systems bekannt. Das demonstriert auch eine Studie im Fachmagazin „Nature“, die einen bislang unbekannten und dennoch allgegen-wertigen Bodenpilz beschreibt. Unbekannt ist derzeit noch, welche Funktion die weltweit etwa 100 Arten von Archaeorhizomycetes (einem Unterstamm der Taphrinomycotina in der Abteilung der Ascomycota, der Schlauchpilze) im Ökosystem erfüllen. Das diesem Pilz eine Schlüsselrolle zukommen kann, ist allein schon auf Grund seiner ubiquitären Verbreitung wahrscheinlich.
In Nachfolgestudien zu den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Pilzen wollen die Wissenschaftler den Einfluss weiterer Faktoren im komplexen Interaktionsnetzwerk untersuchen. Erste Experimente zum Stickstofftransfer laufen bereits. Aber auch unterschiedliche Umwelt- und Klimabedingungen, Veränderungen der Bodenqualität durch Mykorrhizapilze und der Einfluss von Düngemitteln und Pestiziden auf die Bodenorganismen sollten in zukünftigen Studien beleuchtet werden.
Einen interessanten Ansatzpunkt zeigen Wissenschaftler mit der Symbiogenetics-Technologie auf, mit der sie Pflanzen mittels Symbiosen fit für den Klimawandel machen wollen. Gelingt es, die Vielfalt an Bodenorganismen in diesem Sinne optimal zu nutzen, so könnte die Landwirtschaft der Zukunft mit geringerem Düngemittel-einsatz und trotz Klimawandel steigende Erträge erzielen.
Quellen:
- E.T. Kiers et al. (2011): Reciprocal rewards stabilize cooperation in the mycorrhizal symbiosis, Science, doi:10.1126/science.1208473 (Link).
- Rosling A. et al. (2011): Archaeorhizomycetes: Unearthing an Ancient Class of Ubiquitous Soil Fungi. Science, 12 August 2011: 876-879, DOI:10.1126/science.1206958 (Abstract).
- Wagg C. et al. (2011): Belowground biodiversity effects of plant symbionts support aboveground productivity. Ecology Letters (25. Juli 2011), DOI: 10.1111/j.1461-0248.2011.01666.x (Link).
Zum Weiterlesen:
- Mykorrhiza-Tutorial des Instituts für Pflanzenbiochemie Halle