Ungewöhnlicher Helfer für die Biokraftstoffproduktion

Darmbakterien produzieren Dieselkraftstoff

30.04.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Biokraftstoffe aus Bakterien brauchen weder Nahrungsmittel noch landwirtschaftliche Ackerfläche. (Quelle:© iStockphoto.com / Pleasureofart)

Biokraftstoffe aus Bakterien brauchen weder Nahrungsmittel noch landwirtschaftliche Ackerfläche. (Quelle:© iStockphoto.com / Pleasureofart)

Forschern gelang es, das Darmbakterium Escherichia coli so zu verändern, dass es Biodiesel produzieren kann. Das Besondere daran ist: Dieser ist chemisch nahezu identisch mit herkömmlichem Dieselkraftstoff aus Erdöl. Biokraftstoffe sind eine Möglichkeit schrittweise weg vom Öl zu kommen und hin zu einer grünen, von fossilen Ressourcen unabhängigen Wirtschaft.

Derzeit benötigen wir 60 Prozent des global geförderten Erdöls nur für die Produktion von Kraftstoffen – und die Nachfrage steigt stetig. Um langfristig von fossilen, endlichen Ressourcen unabhängig zu werden und trotzdem unsere Mobilität sicherzustellen, benötigen wir Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Hier kommen Biokraftstoffe ins Spiel: Biokraftstoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen.

Alternative mit Haken

Biosprit der ersten Generation aus Biomasse von Maispflanzen, Raps oder anderen Kulturpflanzen steht jedoch zunehmend in der Kritik. Die stärkere Rohstoffnachfrage für die Herstellung von Biokraftstoffen entfachte eine „Teller oder Tank“- Diskussion. Eine wachsende Weltbevölkerung und zunehmender Wohlstand verbunden mit einem steigenden Verzehr von Fleischprodukten verschärfen diese Debatte. Der erhöhte Bedarf an Nahrungsmitteln und Kraftstoffen führe beispielsweise zu direkten (dLUC) oder indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC), so die Kritiker. Direkte Landnutzungsänderungen treten auf, wenn bislang nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen zu Ackerland umgewandelt werden. Von indirekter Landnutzungsänderung spricht man dagegen, wenn  Flächen zum Anbau von Energiepflanzen genutzt werden, auf denen zuvor Nahrungsmittel produziert wurden.

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Biodiesel aus Bakterien klingt nach Science Fiction. Wissenschaftlern ist aber genau das gelungen: Spezialisierte Darmbakterien (E. coli) produzieren einen Biokraftstoff, der fast die gleichen Eigenschaften wie erdölbasierter, konventioneller Diesel besitzt.

Biodiesel aus Bakterien klingt nach Science Fiction. Wissenschaftlern ist aber genau das gelungen: Spezialisierte Darmbakterien (E. coli) produzieren einen Biokraftstoff, der fast die gleichen Eigenschaften wie erdölbasierter, konventioneller Diesel besitzt.

Bildquelle: © Marian Littlejohn

Biomasse ist nicht gleich Biomasse

Für die Produktion von Biokraftstoffen nutzt man beispielsweise Pflanzenöl, das man aus Raps gewinnen kann. Eine weitere Option besteht darin, Pflanzen als Ganzes zu verwenden und auch organische Abfälle zu verarbeiten, wie Holzreste, Stroh oder biogene Reststoffe aus der Landwirtschaft. Hierbei spricht man landläufig auch von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Derzeit ist es allerdings noch nicht wirtschaftlich, große Mengen davon zu produzieren. Auch Ansätze, bei denen auf Algen oder CO2 (Vgl. Riduan et al. 2009) zur Gewinnung von Biokraftstoffen zurückgegriffen wird, sind noch nicht ausgereift.

Biokraftstoffe allein reichen bisher noch nicht

Der Vorteil von Biokraftstoffen ist, dass auf die bereits bestehende Infrastruktur (z.B. das Tankstellennetz) und etablierte Antriebskonzepte zurückgegriffen werden kann. Daher sehen viele sie als praktikable und wichtige Übergangstechnologie hin zu einer nachhaltigen und klimaschonenden Lebensweise. Anders als beispielsweise bei der Elektromobilität, müssen bei der Nutzung von Biokraftstoffen keine kostenintensiven Umrüstungen der Infrastruktur vorgenommen werden. Allerdings sind Biokraftstoffe nicht vollends mit unseren modernen Hochleistungsmotoren kompatibel. Biodiesel beispielsweise ist chemisch nicht völlig identisch mit herkömmlichem Diesel. Zwar kann Biodiesel auch zu 100% eingesetzt werden und auch Brasilien zeigt, dass deutlich höhere Bioethanol-Gehalte als in der EU erlaubt unproblematisch als Kraftstoffe eingesetzt werden können. Viele Hochleistungsmotoren verlangen jedoch einen „veredelten“ Biosprit. Da synthetischer Biokraftstoff der zweiten Generation mit einer solchen Energiedichte noch nicht zur Verfügung steht, wird dem Biokraftstoff fossiler Kraftstoff beigemischt.  

Wissenschaftler forscher kontinuierlich an Verbesserungen und Wegen, Ersatz für Kraftstoffe nachhaltig herstellen zu können. Ein Durchbruch könnte Forschern nun mit einem ungewöhnlichen Helfer gelungen sein: Das Darmbakterium Escherichia coli konnte gentechnisch so verändert werden, dass es in der Lage war, einen Biodiesel zu produzieren, der chemisch nahezu identischen ist mit dem Original-Erdöl-Kraftstoff.

Änderung auf dem Speiseplan

Das Bakterium Escherichia coli tummelt sich eigentlich im Darm von Menschen und Tieren. E. coli ernähren sich hauptsächlich von dem Einfachzucker Glucose. Die Forscher modifizierten die Darmbakterien, damit diese freie Fettsäuren zu verschiedenen Kohlenwasserstoffen (Alkane und Alkene) verdauen können. Dazu schleusten die Forscher Gene verschiedener Bakterien in das Erbgut von E.coli ein.

Die gentechnisch veränderten Bakterien wurden dazu in einem Medium kultiviert, in dem freie Fettsäuren enthalten waren. Diese freien Fettsäuren wurden von den Bakterien daraufhin zu Alkanen (kettenförmige Kohlenwasserstoffe) und Alkenen (Kohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen) umgewandelt. Aus diesen Verbindungen ist auch erdölbasierter Diesel-Kraftstoff zusammengesetzt. Den Forschern gelang es zudem die Länge der Kohlenwasserstoff- Ketten gezielt zu beeinflussen, indem sie die freien Fettsäuren im Medium variierten. Da die Länge der Kohlenwasserstoffketten die Eigenschaften des Kraftstoffs beeinflusst, ist eine solche Manipulation entscheidend, um eine genaue Kopie erdölbasierter Kraftstoffe zu synthetisieren.

Es gibt zwar auch andere Organismen (Pflanzen oder Einzeller), die ähnliche Kohlenwasserstoffe produzieren. Diese unterscheiden sich jedoch von den im Erdöl vorkommenden Verbindungen. Die hier durch E. coli gewonnenen Alkane und Alkene sind chemisch nahezu identisch mit denen, die in herkömmlichem Dieselkraftstoff aus Erdöl enthalten sind.

Kommerzielle Nutzung in weiter Ferne

Die Forschungsergebnisse erwecken Hoffnung, mittels Mikroorganismen zukünftig Biokraftstoffe zu erzeugen, die nicht veredelt werden müssen. „Es war von Anfang an unser Ziel, einen kommerziellen Biokraftstoff zu produzieren, der ohne eine Anpassung der Fahrzeuge angewendet werden kann“, erklärt Prof. John Love von der Universität Exeter, der an der Studie beteiligt war. „Konventionellen Diesel in kommerziellen Mengen durch einen Kohlenstoff-neutralen Biokraftstoff zu ersetzen, wäre ein gewaltiger Schritt in Richtung unseres Ziels, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren.“

Bisher gelang die Produktion des Diesel-Ersatzes nur in winzigen Mengen im Labor. Um das Verfahren effizienter zu machen und letztlich in großem Maßstab wirtschaftlich produzieren zu können, stehen die Forscher noch vor einigen Herausforderungen. 


Quelle:

Howarda, T. P.  et al. (2013): Synthesis of customized petroleum-replica fuel molecules by targeted modification of free fatty acid pools in Escherichia coli. In: PNAS, (22. April 2013), doi: 10.1073/pnas.1215966110.

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