Unterwasser-Freundschaft

Seegras formt eine Symbiose mit neu entdecktem, stickstoff-fixierendem Bakterium

16.11.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein Forscher bei der Probennahme in Seegraswiesen im Mittelmeer. Das Messgerät bestimmt den Sauerstoffgehalt im Meeresboden. (Bildquelle: © Hydra Marine Sciences GmbH)

Ein Forscher bei der Probennahme in Seegraswiesen im Mittelmeer. Das Messgerät bestimmt den Sauerstoffgehalt im Meeresboden. (Bildquelle: © Hydra Marine Sciences GmbH)

Eine neuentdeckte, stickstoff-fixierende Bakterienart besiedelt die Wurzeln des unter Wasser lebenden Neptungrases. Daher kann die Pflanze in einer nährstoffarmen Umgebung überleben.

Seegraswiesen haben eine große Bedeutung für die Meere: Sie sind die Kinderstube und Nahrungsquelle von vielen Fischarten und anderen Meerestieren. Ihre Wurzeln halten das Sediment fest und verhindern so eine großflächige Erosion – ein effektiver Küstenschutz. Aber noch wichtiger ist ihr Beitrag zum Klimaschutz, da sie große Mengen an CO2 speichern.

Allerdings sind Seegraswiesen durch Tourismus, Wasserverschmutzung und den Klimawandel stark bedroht. Umso wichtiger ist es, mehr über diese faszinierenden Ökosysteme zu erfahren, um sie effektiv schützen zu können. In einer neuen Studie untersuchten Forscher des Max-Planck-Institutes für Marine Mikrobiologie in Bremen und der HYDRA Marine Sciences GmbH in Bühl die Nährstoffversorgung mediterraner Seegräser.

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Ein Teil der Bucht von Fetovaia, wo die meisten Proben dieser Studie gesammelt wurden.

Ein Teil der Bucht von Fetovaia, wo die meisten Proben dieser Studie gesammelt wurden.

Bildquelle: © Wiebke Mohr / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Seegraswiesen – (fast) unsichtbare Klimaschützer

Seegraswiesen bedecken weltweit geschätzt bis zu 600.000 Quadratkilometer in der Flachwasserzone der Meere. Je nach Wasserqualität und Lichtverfügbarkeit reichen sie bis in eine Tiefe von etwa zehn Metern, manchmal sogar noch tiefer. Sie fallen dem Strandbesucher vor allem im Herbst auf, wenn große Mengen abgestorbener Blätter an Land gespült werden – manchmal auch als sogenannte „Seebälle“, also kugelförmige Gebilde aus Seegrasblättern.

Durch ihre Photosynthesetätigkeit reichern Seegräser das Wasser mit Sauerstoff an und filtern ein Zuviel an Nähr- und Schadstoffen aus dem Wasser. Wichtig ist aber vor allem ihre Bedeutung als Klimaschützer: Seegräser binden in den Wurzeln und im Rhizom jedes Jahr Millionen Tonnen an Kohlenstoff (sogenannter „blauer Kohlenstoff“). Da der Meeresboden arm an Sauerstoff ist, wird das CO2 nach dem Absterben der Pflanzen nur langsam freigesetzt, da die zersetzenden Mikroorganismen unter Sauerstoffmangel nur langsam arbeiten können.

Vom Land ins Wasser

Die als „Seegras“ bezeichneten Pflanzenarten gehören botanisch zur Ordnung der Froschlöffelartigen (Alismatales). Sie sind also gar keine „echten“ Gräser. Das Besondere ist: Sie sind Blütenpflanzen, die vor etwa 100 Millionen Jahren vom Land zurück ins Wasser gewandert sind. Seegräser haben eine hohe Biomasseproduktion, und das in nährstoffarmem Seewasser. Das veranlasste die Forscher zu untersuchen, wie sie ihren Nährstoffbedarf decken.

Man ging bisher davon aus, dass die Pflanzen Nährstoffe – insbesondere Stickstoff – aus Wasser und Sediment beziehen. Das funktioniert aber nur im Winter und im Frühjahr, wenn genug Nährstoffe vorhanden sind. Im Sommer, wenn konkurrierende Algen und Mikroorganismen die wenigen Nährstoffe aufbrauchen, wachsen Seegräser wie das im Mittelmeer lebende Neptungras (Posidonia oceanica) überraschenderweise am üppigsten. Das legt eine „externe Versorgung“ mit Nährstoffen, zum Beispiel durch symbiontische Bakterien, nahe.

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Die Symbiose unter dem Mikroskop: Links ein Querschnitt durch eine Seegraswurzel, rechts eine Fluoreszenzaufnahme der Bakterien (in Pink) im Inneren der Seegraswurzel.

Die Symbiose unter dem Mikroskop: Links ein Querschnitt durch eine Seegraswurzel, rechts eine Fluoreszenzaufnahme der Bakterien (in Pink) im Inneren der Seegraswurzel.

Bildquelle: © Daniela Tienken / Soeren Ahmerkamp / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Ein neues Bakterium

Um die Nährstoffaufnahme zu untersuchen, wurden die Pflanzen mit ihren Wurzeln und dem Rhizom in spezielle Behälter getopft, die mit 15N2 angereichertem Wasser gefüllt waren. Bei der anschließenden Messung konnte bereits 24 Stunden nach Beginn des Experiments 20 Prozent frisch fixiertes 15N in den Blättern der Pflanzen nachgewiesen werden.

Die Forscher vermuteten, dass die Pflanzen mit Hilfe von Bakterien Stickstoff fixieren können, ähnlich wie etwa Hülsenfrüchtler. Über 16S rRNA-Analysen untersuchten sie das Mikrobiom in den Wurzeln und im Rhizom der Neptungräser. Sie konnten zeigen, dass das Mikrobiom der Pflanzen sich im Sommer veränderte, wenn auch die Stickstoff-Fixierungsraten anstiegen (Juni bis August). Der größte Unterschied war das saisonale Auftreten eines speziellen Bakteriums, das zur Gattung Celerinatantimonas gehört. Weitere Analysen zeigten, dass es eng verwandt ist mit Celerinatantimonas diazotrophica, einem stickstoff-fixierenden Bakterium, das in Salzwiesen vorkommt. Die Forscher nannten diese neu entdeckte Art Candidatus Celerinatantimonas neptuna.

Verwandtschaft zu anderen Stickstoff-Fixierern

Genomanalysen von Ca. C. neptuna zeigten, dass die „klassischen“ Gene für die Stickstoff-Fixierung vorhanden waren. Auch der Ablauf war vergleichbar mit der Stickstoff-Fixierung an Land: Der Stickstoff wird in Form von Ammoniak und Aminosäuren direkt an die Pflanze weitergeleitet. Im Gegenzug stellt die Pflanze, unter anderem, verschiedene Zucker zur Verfügung und regelt die Sauerstoffversorgung.

Die Forscher vermuten, dass das Neptungras diese Symbiose quasi von ihrem Landgang mitgebracht hat. Die passenden stickstoff-fixierenden Bakterien wurden vermutlich von Algen übernommen, bei denen es ebenfalls symbiotische Verbindungen zum Genus Celerinatantimonas gibt. So konnte das Neptungras erfolgreich das stickstoffarme Habitat am Meeresgrund besiedeln. Auch andere Seegräser und aquatisch lebende Pflanzen könnten diese Symbiose besitzen, vermuten die Forscher.


Quelle:
Mohr, W. et al. (2021): Terrestrial-type nitrogen-fixing symbiosis between seagrass and a marine bacterium. In: Nature 2021, (3. November 2021), doi: 10.1038/s41586-021-04063-4.

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Titelbild: Ein Forscher bei der Probennahme in Seegraswiesen im Mittelmeer. Das Messgerät bestimmt den Sauerstoffgehalt im Meeresboden. (Bildquelle: © Hydra Marine Sciences GmbH)