Verschwendung und Verluste führen zu Nahrungsknappheit
Ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel verdirbt
Ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel verdirbt oder landet auf dem Müll, so aktuelle Berichte der Vereinten Nationen und der Böll Stiftung. Dass derzeit weltweit eine Milliarde Menschen hungern müssen ist also nicht primär ein Problem mangelnder landwirtschaftlicher Produktivität.
Beim Fachkongress "Save Food" in Düsseldorf diskutierten Experten Lösungsansätze für das Dilemma der Lebensmittelverluste, der sogenannten Nachernteverluste. Dabei wurden auch Zahlen zum Verbraucherverhalten in Deutschland präsentiert. Diese zeichnen ein erschreckendes Bild zur Wertschätzung von Nahrungsmitteln in einer hochentwickelten Gesellschaft. Alleine in Deutschland werden jedes Jahr geschätzte 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Dies entspricht einem Volumen von mindestens 170.000 Lastwagen-Ladungen. Von den 900 Kilogramm Nahrungsmitteln, die pro Kopf und Jahr in den reichen Ländern wie Deutschland im Schnitt produziert werden, werfen wir Endverbraucher ungefähr 100 Kilogramm weg. Darunter sind viele noch verpackte und ungeöffnete Nahrungsmittel. In den ärmsten Ländern, wo pro Kopf nur gut 450 Kilogramm Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, gehen die Verbraucher mit ihren Vorräten bedachtsamer um. Dort enden nur 10 Kilogramm Nahrungsmittel pro Jahr als Abfall.
Mehr als genug für die Hungernden dieser Welt
In einem aktuellen Bericht hat die Welternährungsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen berechnet, dass die Verbraucher in den reicheren Ländern dieser Welt 222 Millionen Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr verschwenden. Das ist fast soviel Nahrung, wie in Afrika (südlich der Sahara) mit 230 Millionen Tonnen überhaupt produziert wird. Doch auch in Entwicklungsländern entstehen Verluste. Die FAO geht davon aus, dass in Industrie- und Entwicklungsländern in etwa gleich viel Nahrung verloren geht, nämlich 670 bzw. 630 Millionen Tonnen. Zusammen stellen diese 1,3 Milliarde Tonnen etwa ein Drittel der Nahrungsmittel dar, die jedes Jahr weltweit für den menschlichen Verzehr produziert werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Böll Stiftung in einem aktuellen Bericht, wo die Nachernteverluste und die Verluste in der Lieferkette auf 20 bis 50 Prozent der gesamten Nahrungsmittelproduktion geschätzt werden. In Entwicklungsländern gehen Nahrungsmittel überwiegend bei der Ernte verloren oder verderben bei der Lagerung oder Verarbeitung. In Industrieländern werden viele Lebensmittel im Einzelhandel oder durch die Verbraucher schlichtweg weggeworfen.
Dieser Verschwendung müssen die weltweit knapp eine Milliarde hungernden Menschen gegenübergestellt werden. Außerdem werden für die Nahrungsmittelproduktion Land, Wasser, Arbeit, Energie und weitere Produktionsfaktoren eingesetzt, so dass der unnötige Verlust von Lebensmitteln auch eine Vergeudung knapper Ressourcen darstellt. Zudem werden in der landwirtschaftlichen Produktion Treibhausgase erzeugt die den Klimawandel beschleunigen. Nicht ohne Grund geben daher sowohl die FAO wie auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Empfehlungen ab, wie diese Verluste eingegrenzt werden können.
Verluste auf dem Feld und vor dem Verkauf
In Entwicklungsländern besteht das Problem allem in mangelhafter Ernte- und Nacherntetechnik, schlechter Logistik, dem Fehlen notwendiger Infrastrukturen, unzureichender Verarbeitung und Verpackung, sowie fehlenden Marktinformationen die eine bessere Anpassung der Produktion an die Nachfrage ermöglichen könnten. Ansatzpunkte zur Lösung des Problems bestehen hier in dem Ausbau der Nahrungsmittelkette durch Investitionen im Bereich Infrastruktur, Transport, Verarbeitung und Verpackung, sowie in der engeren Verknüpfung auch von Kleinbauern mit kommerziellen Endkunden. Diese Maßnahmen sollten insbesondere in denjenigen Regionen mit derzeit mangelnder Ernährungssicherung durchgeführt werden um die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln zu erhöhen und Einkommen in der Lieferkette zu schaffen.
Darüber hinaus kommt es insbesondere in Entwicklungsländer auch schon während der Produktion zu Verlusten durch Unkräuter, Nagetiere, Insekten, Pilzbefall oder Pflanzenkrankheiten. Noch bevor die Ernte überhaupt begonnen hat können entsprechende Einbußen je nach Pflanzenart 50 bis 80 Prozent betragen. Alleine beim Reis vernichten Nagetiere bis zu 17 Prozent der Ernte. Eine aktuelle Untersuchung darüber, wie viel diese Vorernteverluste auf globaler Ebene insgesamt ausmachen liegt nicht vor. Zusammen mit den Nachernteverlusten dürfte weltweit jedoch zumindest die Hälfte der Nahrungsmittelproduktion niemals von Menschen konsumiert werden.
Geschmack und Sicherheit keine Frage des Aussehens
In Industrieländern besteht das Problem darin, dass große Mengen von Nahrungsmitteln von den Verbrauchern selber weggeworfen oder aber schon vom Einzelhandel entsorgt werden, um Produktstandards einzuhalten die einen übertrieben großen Wert auf das Aussehen der Nahrungsmittel legen. Einer Studie aus den USA zufolge landen auf diese Weise, in Kalorien umgerechnet, 40 Prozent der Lebensmittel auf dem Müll. Laut Studien sind Verbraucher aber durchaus bereit auch Lebensmittel zu kaufen die nicht makellos sind, solange sie noch sicher sind und gut schmecken. Eine Lösung wäre hier, die Zusammenarbeit zwischen Einzelhandel und anderen Abnehmern oder auch Wohltätigkeitsorganisationen zu fördern, um die Verwertung derjenigen Lebensmittel zu gewährleisten, die andernfalls als Abfall endeten. Eine weitere Lösung besteht darin, das Bewusstsein der Verbraucher für Lebensmittel als eben dies, Mittel zum Leben, zu stärken. In reichen Ländern werden generell zu viele Nahrungsmittel gekauft, so dass die Verbraucher sie vor Ablauf der Haltbarkeitsfrist oft gar nicht verzehren können.
Erträge steigern durch Vermeidung von Verlusten
Abgesehen von einer Optimierung der nachgelagerten Wertschöpfungskette kann auch die Pflanzenforschung in diesem Zusammenhang unterstützende Züchtungsziele verfolgen und sowohl Vor- wie auch Nachernteverluste zu reduzieren. Dies kann erfolgen indem Pflanzen entwickelt werden die z. B. Pilzresistenz, Insektenresistenz oder eine sonstige Schädlingsresistenz aufweisen, die die Unkrautkontrolle erleichtern, die robuster und besser an maschinelle Ernteprozesse angepasst sind, oder die über eine Reifeverzögerung längere Lager- und Transportzeiten ermöglichen. Insbesondere die Verbraucher in reichen Ländern sollten sich jedoch bewusst werden, dass das Wegwerfen von Nahrungsmitteln inakzeptabel ist und eine nachhaltigen Nutzung der vorhandenen Ressourcen sowie die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung erschwert.
Quellen:
- Gustavsson et al. (2011): “Globalfood losses and food waste – extent causes and prevention”; FAO, Rome, Italy
- Grethe et al. (2011): How to feed the world’s growing billions
- BMELV (2011): Pressemitteilung: Mehr Wertschätzung für Lebensmittel
- Oerke (2006): Crop losses to pests
Zum Weiterlesen:
Bei Pflanzenforschung.de:
- Fast 40 Prozent des Essens landet in der USA im Müll
- Gemeinsam handeln heißt gemeinsam Verantwortung übernehmen
- FAO-Welternährungsgipfel in Rom
- Welternährung 2050: Eine Übersicht
- Wie kann die Weltbevölkerung 2050 ernährt werden?
- 100 Antworten sollen die Welternährung sichern
- Ernährungssicherheit im Mittelpunkt
- TAB zur Welternährung
- Nachhaltigkeit: Ursprung und Bedeutung für die Landwirtschaft
Auf Zeit.de:
Titelbild: Verdorbene Nahrung. (Quelle: © Günter Havlena / pixelio.de)