Von Nordafrika bis zum Polarkreis
Epigenom lässt Arabidopsis fast überall wachsen
Arabidopsis ist weit verbreitet. Forscher konnten nun zeigen, dass das Epigenom der Pflanze offenbar maßgeblich an ihrer außerordentlichen Anpassungsfähigkeit beteiligt ist.
Die unscheinbare Arabidopsis-Pflanze hat sich mehrere Klimazonen der Erde als Lebensraum erobert. Man findet sie in den gemäßigten Zonen der gesamten nördlichen Halbkugel, von Nordafrika bis zum Polarkreis. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sie diese außerordentliche Anpassungsfähigkeit epigentischen Prozessen zu verdanken hat. Zu den wichtigsten dieser Prozesse gehören die DNA-Methylierung, also das Anheften von Methylgruppen an bestimmte Stellen der DNA, und chemische Veränderungen des Chromatins. Diese Vorgänge beeinflussen, wie bestimmte Gene des Erbguts abgelesen werden, und kontrollieren so den Stoffwechsel der Zellen.
Anders als das relativ stabile Genom, also die Abfolge der DNA-Bausteine, ist das Epigenom ein flexibles System. Fehler im Methylierungsstatus treten im Verhältnis zu Mutationen im Erbgut sehr viel häufiger auf. Das liegt wahrscheinlich an der unzuverlässigen Arbeitsweise der Methyltransferase, die das Anheften von Methylresten an bestimmte Stellen im Erbgut durchführt. Unter natürlichen Bedingungen treten Genmutationen und Fehler im Methylierungsmuster parallel auf. Beide Faktoren führen zu einer phänotyischen Diversität, die dem Selektionsdruck der Evolution unterliegt.
Epigenome im Vergleich
Wissenschaftler untersuchten nun sowohl das Epigenom als auch das Genom von Arabidopsis-Pflanzen, die in verschiedenen Klimazonen in der nördlichen Hemisphäre beheimatet waren. Um epigenetische Veränderungen aufzuspüren, haben die Wissenschaftler eine Sequenzierungsmethode namens MethylC-Seq entwickelt. Damit lassen sich Zusammenhänge zwischen dem Lebensraum von Pflanzen und ihrem Epigenom aufdecken.
Spontane Fehler im Methylierungsstatus häufiger als gedacht
Spontane Punkt-Mutationen in einem Genom werden als SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) bezeichnet. Analog zu den SNPs im Genom eines Organismus versteht man unter SMPs (Single Methylation Polymorphism) spontane Fehler im Methylierungsstatus. Beim Vergleich des gesamtes Genoms und Epigenoms von Arabidopsis thaliana von verschiedenen Standorten miteinander, wurden die Wissenschaftler überrascht: „Wir haben zwar mit einigen Variationen im Methylierungsmuster der Pflanzen aus unterschiedlichen Lebensräumen gerechnet“, so Robert J. Schmitz, einer der Autoren der Studie. „Das Ausmaß war jedoch weit größer als wir jemals vermutet hätten.“
Beim Vergleich des Methylierungsstatus ihrer Pflanzen mit dem Referenzmethylom von Arabidopsis thaliana stießen die Forscher auf durchschnittlich 390.255 SMPs. Wie SNP’s sind SMP’s spontane Punkt-Mutationen im Genom. Ihre Entdeckung erklären die Forscher folgendermaßen: “Diese zusätzliche Diversität ermöglicht den Pflanzen eine schnelle Anpassung an ihre Umgebung ohne Veränderungen in ihrer DNA, die viel Zeit in Anspruch nehmen würde.”
Doch nicht nur die Schnelligkeit des Prozesses bringt Überlebensvorteile für die Pflanze mit sich. Im Gegensatz zu DNA-Veränderungen ist der Methylierungsstatus reversibel – so bleibt eine Pflanze flexibel und kann kurzfristig Gene an- oder abschalten. Aus den verschiedenen Methylierungsmustern konnten die Wissenschaftler erkennen, wann welche Teile des Genoms aktiv sind. Daraus ließen sich Rückschlüsse ziehen, welche Gene bei der Anpassung an Umweltbedingungen eine Rolle spielen könnten.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Die Untersuchungen der Wissenschaftler sind ein wichtiges Puzzlestück in der Epigenomforschung. Die Forscher versprechen sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, wenn sie die genetischen Veränderungen in Pflanzen verstanden haben und gezielt beeinflussen können. Ohne aufwendige Züchtungsverfahren könnten Pflanzen an schwierige Standorte angepasst werden und so beispielsweise Trockenperioden oder besonders salzhaltigen Böden trotzen.
Auch therapeutischer Nutzen denkbar
Auch Medizinern könnten die neuen Erkenntnisse zur Auswirkung epigenetischer Veränderung zugute kommen. Denn auch der menschliche Organismus kann Gene durch epigenetische Prozesse stilllegen und wieder aktivieren. Bei manchen Krebserkrankungen ist dieser Vorgang außer Kontrolle geraten, wenn beispielsweise die Tumor-Supressorgene nicht mehr abgelesen werden. Matthew Schultz, der ebenfalls an der Arabidopsis-Studie beteiligt war, sieht darin eine große Chance zur Behandlung von Krebs: „Wenn bestimmte Gene vom Epigenom abgeschaltet wurden, könnte man sie evtl. wieder aktivieren, indem man die DNA-Methylierung entfernt“, vermutet er. Dazu muss jedoch genau geklärt sein, in welchen Variationen Methylierungsmuster bei gesunden Menschen auftreten und wie man diese gezielt verändern kann
Zunächst will das Team aus Wissenschaftlern aber herausfinden, wie die unterschiedlichen Methylierungen die Eigenschaften einer Pflanze beeinflussen. Dazu werden sie zunächst durch Stress ausgelöste epigenomische Veränderungen unter die Lupe nehmen. Sie hoffen dadurch Hinweise zu bekommen, welche epigenetischen Veränderungen für die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen am wichtigsten sind.
Quelle:
Schmitz RJ, et al. (2013): Patterns of population epigenomic diversity. Nature, 6. März 2013; DOI: 10.1038/nature11968.
Zum Weiterlesen:
- Perfekt gereift: Rote, saftige, aromatische Tomaten
- Inzuchtdepression: Epigenetische Prozesse spielen eine Rolle
- Immer im Wandel: Die 1001 Genome der Arabidopsis thaliana
Titelbild: Die Acker-schmalwand ist außerordentlich anpassungsfähig (Quelle: © Alberto Salguero / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)