Wie das Kokain in die Pflanze kommt

Letzte Schritte der Tropanalkaloid-Synthese aufgeklärt

08.12.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Bild zeigt eine Blüte der Kokapflanze, Erythroxylum coca Lam. Benjamin Chavez und seine Kollegen nutzten eine hefebasierte Plattform für synthetische Biologie, um die letzten verbleibenden Schritte bei der Bildung von Tropanalkaloiden in Erythroxylum

Das Bild zeigt eine Blüte der Kokapflanze, Erythroxylum coca Lam. Benjamin Chavez und seine Kollegen nutzten eine hefebasierte Plattform für synthetische Biologie, um die letzten verbleibenden Schritte bei der Bildung von Tropanalkaloiden in Erythroxylum

Kokain ist mit zahlreichen nützlichen Molekülen wie Atropin und Scopolamin verwandt. Diese sogenannten Tropanalkaloide werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als wichtige Arzneimittel geführt. Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen hat erstmals den vollständigen Synthesewegs des Kokains beschrieben. Das Wissen um diese präzisen biochemischen Vorgänge ist ein Schlüssel, um medizinisch wirksame Moleküle im Labor nachbauen oder gar verbessern zu können.

Pflanzen produzieren zahlreiche Moleküle, die Menschen als Medikamente oder berauschende Substanzen nutzen. Eine besonders wichtige Klasse an bioaktiven Stoffen sind die Tropanalkaloide (TA). Sie werden von mehreren Pflanzengattungen hergestellt, wie den Nachtschattengewächsen (Solanaceae), zu denen Tomaten, Kartoffeln und Tabak zählen, und den Rotholzgewächsen (Erythroxylacea), zu denen der Kokastrauch gehört.

Viele Tropanalkaloide haben wichtige pharmazeutische Eigenschaften und dienen als Ausgangsmoleküle für die Entwicklung von Medikamenten. So zum Beispiel Atropin und Scopolamin, die beide für die Behandlung von Tremor, Schwindel und Chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) eingesetzt werden. Andere TAs, wie zum Beispiel Kokain, haben eine berauschende Wirkung.

Auf anderem Weg zum Ziel

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Kartoffeln gehören zu den Nachtschattengewächsen und produzieren ebenfalls Tropanalkaloide – allerdings anders als das Kokain ohne berauschende Wirkung. Die dafür notwendigen Stoffwechselwege sind in den beiden Pflanzenfamilien unabhängig voneinander entstanden.

Kartoffeln gehören zu den Nachtschattengewächsen und produzieren ebenfalls Tropanalkaloide – allerdings anders als das Kokain ohne berauschende Wirkung. Die dafür notwendigen Stoffwechselwege sind in den beiden Pflanzenfamilien unabhängig voneinander entstanden.

Bildquelle: © MabelAmber / Pixabay

Kokain kommt ausschließlich in den Blättern von Erythroxylum coca und Erythroxylum novogranatense vor. Bisher war unklar, wie genau die Biosynthese von Kokain in den Pflanzen abläuft. Jetzt haben ForscherInnen die letzten noch unbekannten Schritte des Synthesewegs identifiziert. Das überraschende dabei: Koka-Pflanzen nutzen teils völlig andere Gene und Enzyme als die Nachtschattengewächse, obwohl sich die Endprodukte, also die Tropane, durchaus ähneln. Dies ist der Beweis dafür, dass sich die Signal- und Synthesewege während der vergangenen 120 Millionen Jahre unabhängig voneinander entwickelt haben. Fachsprachlich wird dies auch als konvergente Evolution bezeichnet.

Das internationale Team von Wissenschaftlern wurde von Dr. John D’Auria vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben geleitet. Seine Arbeitsgruppe arbeitet bereits seit 15 Jahren an diesem Thema.  

Helfende Hefen

Um herauszufinden, welche Enzyme die Kokapflanzen bei der Kokainsynthese nutzen, kamen Hefepilze zum Einsatz. Ihr Erbgut wurde mit unterschiedlichen Genen ausgestattet, denen John D’Auria gute Chancen zuschrieb, ein Teil des Kokain-Synthesewegs zu sein. Anschließend wurden die Kandidatengene im mikrobiellen Expressionssystem getestet, bis das Puzzle gelöst war und der vollständige Syntheseweg feststand. Sie fanden die bislang unbekannten Gene, deren Expressionsprodukte für den zweiten Ringschluss und die Bildung des 2-Carbomethoxyrestes verantwortlich sind, der nur bei den Erythroxylaceae vorkommt und zum Teil für die euphorisierenden Eigenschaften ihrer Alkaloide verantwortlich ist.

Die Studie zeigt auch, dass es möglich ist, Gene aus Solanacea und Erythroxylacea zu mischen und neu zu kombinieren. Und genau das haben die Forscher:innen auch getan. Sie mischten die Synthesewege aus den unterschiedlichen Pflanzenfamilien in Hefezellen und konnten dadurch bisher unbekannte Tropanalkaloide herstellen. Es ist gut möglich, dass diese Moleküle auch neue pharmazeutische Eigenschaften aufweisen und dass durch den Mix-and-Match-Ansatz bisher unentdeckte medizinisch und biologisch aktive Moleküle entstanden sind. Ob dem wirklich so ist, müssen zukünftige Studien noch zeigen.


Quelle:
Chavez, B. G. Et al. Elucidation of tropane alkaloid biosynthesis in Erythroxylum coca using a microbial pathway discovery platform. PNAS, 28. November 2022, doi: 10.1073/pnas.2215372119

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Titelbild: Das Bild zeigt eine Blüte der Kokapflanze, Erythroxylum coca Lam. Benjamin Chavez und seine Kollegen nutzten eine hefebasierte Plattform für synthetische Biologie, um die letzten verbleibenden Schritte bei der Bildung von Tropanalkaloiden in Erythroxylum coca aufzuklären. (Bildquelle: © Danny Kessler)