Wo bleibt der Kohlenstoff?
Globale Umsetzung von gespeichertem Kohlenstoff zu CO2 aus terrestrischen Ökosystemen neu berechnet
Neue Berechnungen zeigen, dass der Niederschlag eine wichtigere Funktion bei der Umsetzung von organischem Material zu CO2 hat als bisher angenommen.
Der Weg des Kohlenstoffs, insbesondere in seiner Form als CO2 sowie dessen Mengen in Atmosphäre und Boden, ist Gegenstand intensiver Forschung. Denn im Zuge des Klimawandels wird es immer wichtiger, möglichst exakte CO2-Bilanzen zu erstellen, um zukünftige atmosphärische Konzentrationen abschätzen zu können. Besonders das Verhalten der Kohlenstoffmengen in terrestrischen Systemen und ihre Freisetzung unter veränderten Klimabedingungen ist noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Daher haben Forscher des Max-Planck-Institutes für Biogeochemie jetzt neue Berechnungen des globalen terrestrischen Kohlenstoffkreislaufs in Bezug auf verschiedene Ökosysteme vorgestellt. Zwei weitere Studien anderer Forscher zeigen den Einfluss der Temperatur auf den Kohlenstoffvorrat im Boden sowie die bisher unerforschte Vielfalt der Bodenmikroorganismen. Diese sind entscheidend an Umsetzungsprozessen im Boden beteiligt.
Kohlenstoff auf der Erde
Kohlenstoff (C) ist eins der wichtigsten Elemente auf der Erde. Eine häufige Verbindung des Kohlenstoffs ist das Gas CO2. Aus ihm bilden Pflanzen im Zuge der Photosynthese organische Verbindungen wie zum Beispiel Kohlenhydrate: Diese dienen wiederum als wichtiger Bestandteil für den Aufbau der Biomasse, zum Beispiel von Blättern, Holz, Wurzeln und Früchten. Nach dem Absterben der Pflanze werden die Kohlenhydrate im Boden zersetzt und wieder als CO2 in die Atmosphäre entlassen, wo der Kohlenstoff aufs Neue von Pflanzen gebunden und in der Photosynthese in organische Verbindungen eingebaut wird. Im Zuge dieses Kreislaufs binden Pflanzen etwa 120 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr und entziehen es so der Atmosphäre (CO2-Senke).
Seit der Klimawandel in aller Munde ist, wird versucht, das von den Pflanzen aufgenommene und wieder freigesetzte CO2 zu bilanzieren und die Beeinflussung zu simulieren, die ein verändertes Klima auf die Prozesse der Photosynthese und des Abbaus organischer Substanz im Boden haben könnte. Auf diese Weise soll abgeschätzt werden, wie viel CO2 maximal von Pflanzen und Böden gespeichert werden kann, wann es wieder frei wird und wie sich die steigenden anthropogenen CO2-Emissionen auf Klima und Umwelt auswirken werden.
Riesiger Kohlenstoff-Speicher
Um die Menge an gespeichertem Kohlenstoff in terrestrischen Ökosystemen abschätzen zu können, versuchten Forscher des Max-Plack-Institutes für Biogeochemie daher, Daten aus drei großen Datensätzen zusammenzuführen. Dabei bezogen sie erstmals den gesamten Bodenkörper mit ein und nicht nur den obersten Meter, wie es bei bisherigen Kalkulationen gehandhabt wurde. Sie ermittelten, dass Landökosysteme weltweit etwa 2.800 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert haben, etwa 400 Milliarden Tonnen mehr als bisher vermutet wurde. Die größten Speicher liegen dabei in den tropischen Regenwäldern, gefolgt von den borealen Nadelwäldern.
Temperatur und Niederschlag sind wichtig
In einem weiteren Schritt berechneten die Forscher die durchschnittliche Verweildauer von Kohlenstoff in den Ökosystemen. Dabei ermittelten sie eine durchschnittliche Zeitspanne von 23 Jahren, die von der Fixierung bis zur erneuten Freisetzung vergeht. Allerdings ist diese Zeitspanne nicht überall gleich: In den Tropen vergehen im Schnitt nur 14 bis 16 Jahre, während es in der arktischen Tundra bis zu 65 Jahre sind und in den borealen Nadelwäldern 53 Jahre. Am längsten verweilt der Kohlenstoff in den Polarregionen, nämlich bis zu 255 Jahren. Dabei ist die Verweildauer abhängig von der Temperatur: Wo es warm ist, wird organisches Material schneller zersetzt als in kalten Regionen.
Dazu fanden die Forscher heraus, dass der bisher in den Modellen nur wenig beachtete Niederschlag einen wesentlichen Einfluss auf die Verweildauer hatte: Da Mikroorganismen für die Umsetzung organischer Materie Wasser benötigen, findet in einem feuchten Ökosystem wie dem Regenwald eine schnellere Umsetzung statt als beispielsweise in einer Wüste. Dieser wichtige Punkt wurde in vielen Modellen unterschätzt, betonen die Forscher. Bisher ging man davon aus, dass in warmen Gebieten generell eine schnellere Freisetzung von Kohlenstoff stattfindet, weitgehend unabhängig vom Niederschlag.
Ausnahme: Die Savanne
In Savannen konnten die Forscher einen ähnlichen Effekt beobachten: Mehr Wasser bewirkte eine schnellere Freisetzung von Kohlenstoff. Dieses Ergebnis war überraschend, weil Regenfälle in Savannen ein verstärktes Wachstum, also auch eine stärkere Bindung von Kohlenstoff bewirken. Dementsprechend müsste sich die Verweildauer hier eigentlich verlängern, zumal in der Savanne viele verholzende, langlebige Pflanzen wachsen. Eine mögliche Erklärung wäre hier die Wahrscheinlichkeit von Buschfeuern, die bei einem verstärkten Wachstum von Bäumen und Sträuchern ansteigt und so wiederum zu einer vermehrten Freisetzung von Kohlenstoff führt.
Zeitbombe Nadelwald
Der boreale Nadelwald ist hingegen ein System, dessen Verhalten stark von veränderten Temperaturen abhängt: Eine Temperaturerhöhung würde in dem kalten Ökosystem mit weiter Verbreitung von Permafrostböden und daher niedriger mikrobieller Aktivität zu einer stark erhöhten Freisetzung von Kohlendioxid führen, wie Forscher in einer weiteren Studie feststellten. Denn höhere Temperaturen bewirken höhere mikrobielle Aktivität und damit eine erhöhte Umsetzung von organischem Material. Daher sind gerade Regionen, in denen es zu einem schnellen Wechsel von kühlen zu warmen Temperaturen kommt, besonders gefährdet.
Black Box Boden
Aber trotz aller Berechnungen ist besonders das Verhalten der Bodenmikroorganismen unter veränderten Bedingungen nur schwer vorherzusagen. Denn wie in einer weiteren Studie festgestellt wurde, hat sogar der Boden unter dem Central Park in New York eine ähnlich hohe mikrobielle Diversität wie natürliche Böden aus anderen Ökosystemen. Vergleiche mit Proben aus der Arktis sowie aus den Tropen und aus Wüstenregionen zeigten, dass ähnliche mikrobielle Gemeinschaften sowohl in New York als auch in vielen anderen Regionen der Welt leben. Und: Viele der jetzt untersuchten über 167.000 verschiedenen Mikroben sind bisher nicht beschrieben worden. Das zeigt umso deutlicher, dass über die „Vorlieben“ und das Verhalten von Bodenmikroorganismen so gut wie nichts bekannt ist. Umso schwerer ist es daher vorherzusagen, wie sich diese Organismen bei veränderten Klimabedingungen verhalten werden.
Genauere Berechnungen möglich
Mit ihren Ergebnissen hoffen die Forscher, zukünftige Klimamodelle zu verbessern. Besonders die Rolle des Niederschlags hat bei der Umsetzung von organischer Materie eine bisher unterschätzte Rolle gespielt. Die Daten zur Vielfalt der Bodenorganismen sowie zu ihrem Verhalten bei veränderten Temperaturen sind weitere wichtige Bausteine, die bei der Erstellung neuer Modelle genauere Berechnungen ermöglichen werden.
Quellen:
- Carvalhais, N. et al. (2014): Global covariation of carbon turnover times with climate in terrestrial ecosystems. In: Nature, (24. September 2014), doi:10.1038/nature13731.
- Hagerty, S. B. et al. (2014): Accelerated microbial turnover but constant growth efficiency with warming in soil. In: Nature Climate Change, 4, 903–906, (7. September 2014), doi:10.1038/nclimate2361.
- Ramirez, K. S. et al. (2014): Biogeographic patterns in below-ground diversity in New York City's Central Park are similar to those observed globally. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, (1. Oktober 2014), doi:10.1098/rspb.2014.1988.
Zum Weiterlesen:
- Pflügen oder nicht pflügen - Das Direktsaatverfahren speichert weniger Kohlenstoff im Boden als angenommen
- Clevere Türöffner-Architektur - Mehr Kohlenstoff für junge Blätter durch temporär unterschiedliches Stomata-Design
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Titelbild: Tropischer Regenwald: Durch hohe Temperaturen und viel Feuchtigkeit wird hier organische Materie sehr schnell umgesetzt. (Bildquelle: © Lion Hirth/wikimedia.org; gemeinfrei)