Unter dem Radar

Grasland-Ökosysteme verdienen mehr Schutz und Anerkennung

11.08.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Graslandschaften sind Biodiversitätshotspots – sowohl für die Pflanzen- als auch die Tierwelt. (Bildquelle: © kareni / Pixabay)

Graslandschaften sind Biodiversitätshotspots – sowohl für die Pflanzen- als auch die Tierwelt. (Bildquelle: © kareni / Pixabay)

Grasland-Ökosysteme sind wertvoll und schützenswert – das ist das Fazit der Science-Spezialausgabe im August. Sie sind Hotspots der Pflanzen- und Wildtiervielfalt, wichtige Kohlenstoffspeicher und Nahrungslieferant für Menschen und Nutztiere. Trotzdem werden sie nur unzureichend vor Zerstörung geschützt. Das muss sich schnell ändern.

Wenn wir über schützenswerte Ökosysteme sprechen, fällt der Blick oft zuerst auf tropische Regenwälder wie den Amazonas, die durch Abholzung akut gefährdet sind. Über Grasland-Ökosysteme wird hingegen selten gesprochen. Das ist ein Fehler, wie eine Spezialausgabe des Fachjournals Science nun zeigt. In fünf Artikeln beleuchten verschiedene Wissenschaftler:innen, wie wertvoll Graslandschaften für Planet und Menschheit sind.

52 Millionen Quadratkilometer Grasland

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Die weitläufigen Graslandschaften der Mongolei eignen sich für die Viehzucht. Etwa 20 Prozent des Landes sind von Grassteppe bedeckt.

Die weitläufigen Graslandschaften der Mongolei eignen sich für die Viehzucht. Etwa 20 Prozent des Landes sind von Grassteppe bedeckt.

Bildquelle: © Herbert Bieser / Pixabay

Die Serengeti erstreckt sich über eine Fläche von 30.000 Quadratkilometern vom Norden Tansanias bis in den Süden Kenias. Hier leben Gnus, Gazellen und Zebras, die auf den ausgedehnten Kurzgrasebenen weiden, aber auch Raubtiere wie Löwen, Hyänen und Schakale. Die eurasische Steppe zieht sich über 7.000 Kilometer hinweg von Osteuropa über Zentralasien bis in den Osten Chinas. Tierarten wie das Przewalski-Pferd, die Saiga-Antilope und das Steppenmurmeltier sowie Jäger wie Wölfe, Füchse und Raubvögel sind hier heimisch.

Diese beiden Gebiete sind Beispiele für die Vielfalt von Grasland-Ökosystemen. Das sind Landschaften, die von Gräsern dominiert werden und kaum Baumbewuchs aufweisen – sich aber mit Blick auf Klima, Vegetation und Fauna teilweise stark unterscheiden. Neben den Savannen und Steppen zählen auch Prärien, Wiesen und Weiden zu den Graslandschaften.

Insgesamt sind 52 Millionen Quadratkilometer von Grasland bedeckt. Das entspricht etwa 40 Prozent der globalen Landmasse. Mit Ausnahme der Antarktis findet man auf allen Kontinenten Graslandschaften und sogar auf dem Meeresboden wachsen Seegraswiesen. Die pflanzliche Biodiversität ist beeindruckend: Weltweit gibt es etwa 12.000 Grasarten. Einige kultivierte Gräser wie Weizen und Gerste tragen heute einen bedeutenden Anteil zur Ernährungssicherung der Menschheit bei.

Grasland schützt Boden und Klima

Doch die Ökosysteme haben noch mehr zu bieten: „Grasland schafft und stabilisiert fruchtbaren Boden, speichert Kohlenstoff, erzeugt Sauerstoff und bietet Lebensraum für Tiere, Baumaterial und Nahrung“, erklären die Redakteur:innen der Spezialausgabe. Als Kohlenstoffsenken binden sie etwa ein Drittel der terrestrischen Kohlenstoffvorräte – und könnten noch mehr speichern. Eine größere Pflanzenvielfalt führt dazu, dass mehr organischer Kohlenstoff im Boden eingelagert werden kann. Das ist gut fürs Klima und die Natur. Auf Weiden lässt sich die Pflanzenvielfalt durch ein gutes Weidemanagement mit weniger Tieren und mehr Ruhezeiten für die Wiesen steigern.

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Auch unter Wasser: Seegraswiesen sind wertvolle Ökosysteme.

Auch unter Wasser: Seegraswiesen sind wertvolle Ökosysteme.

Bildquelle: © iStock.com / R.Igor

Für die Autor:innen steht fest: „Gräser könnten Lösungen für viele unserer aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen bieten, wenn wir ihre Vielfalt und ihren Wert nur voll anerkennen würden.“

Mehr Forschung und Schutz notwendig

Bisher ist das Gegenteil der Fall: Graslandschaften leiden enorm unter der Ausbreitung menschlicher Siedlungsgebiete, der Umwandlung von Grasland in Äcker und dem Klimawandel. In Deutschland trägt auch der übermäßige Einsatz von Düngern und Pestiziden zur Zerstörung von Wiesen bei. Laut Schätzungen wurden 90 Prozent der Graslandschaften, die ursprünglich in gemäßigten Klimaregionen existierten, bereits zerstört. Und nur ein verschwindend geringer Teil der noch erhaltenen Fläche steht unter Schutz. 

Noch mehr Grund zur Sorge: In naher Zukunft könnten 40 Prozent der Wirbeltiere aussterben, die an Graslandschaften angepasst sind. Das könnte möglicherweise katastrophale Kaskadeneffekte für das ganze Ökosystem auslösen. Um das zu verhindern, müssen Grasland-Ökosysteme besser erforscht und ihre Bedeutung für Klima- und Artenschutz gesellschaftlich anerkannt werden. Nur so kann ein ausreichender und langfristiger Schutz für die Bewahrung der Artenvielfalt und zur Erreichung aktueller Klimaschutziele durchgesetzt werden.