Kohlenstoffspeicher Wald
Neue Daten für genauere Klimaprognosen
Wälder speichern Unmengen Kohlenstoff, entweder als lebende Bäume oder in Form von Totholz. Bisher war nicht bekannt, ob durch den Klimawandel die Zersetzung von Totholz zu- oder abnimmt und wie das den Klimawandel beeinflussen könnte. Auch gibt es wenige Daten über die Kohlenstoff-Speicherkapazität bestimmter Regionen wie die afrikanischen Bergwälder. Zwei neue Studien schließen zumindest teilweise diese Wissenslücken. Damit sind präzisere Klimaprognosen und gezieltere Klimaschutzprogramme möglich.
Der globale Kohlenstoffkreislauf ist ein bedeutender Faktor, wenn es um Prognosen zum weiteren Verlauf des Klimawandels geht. Ein wichtiger Baustein dabei sind Bäume, denn ihr Holz ist ein langfristiger Speicher für Kohlenstoff. Dennoch gibt es hier noch reichlich Wissenslücken: Wird beispielsweise durch steigende Temperaturen das Totholz in den Wäldern schneller abgebaut und dadurch zusätzlich Kohlendioxid freigesetzt? Und wie wichtig sind global gesehen die durch Abholzung bedrohten afrikanischen Bergwälder als Kohlenstoffspeicher? Zwei internationale Forschungsteams sind diesen Fragen nachgegangen.
Zersetzungsraten sind abhängig vom Klima
Um herauszufinden, wie das Klima die Zersetzung von Totholz beeinflusst und welchen Anteil Insekten beim Abbau haben, platzierten 50 Forschungsgruppen – koordiniert von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Technischen Universität München (TUM) – Totholz von mehr als 140 verschiedenen Baumarten an 55 Standorten auf sechs Kontinenten. Ein Teil des Totholzes wurde unter Käfigen platziert, um Insekten den Zutritt zu verwehren. Nach drei Jahren wurden die Zersetzungsraten miteinander verglichen.
Die höchsten Abbauraten haben die Wissenschaftler:innen in den Tropen und Subtropen beobachtet. Die Destruenten – Pilze, Bakterien und Insekten/Gliederfüßer – zersetzen 28,2 Prozent der Totholzmasse pro Jahr. Deutlich langsamer lief dieser Prozess in den gemäßigten Breiten (6,3 Prozent pro Jahr) und in der borealen Zone (3,3 Prozent pro Jahr) ab. Der Totholzabbau ist somit stark vom jeweiligen Klima abhängig: Er stieg mit zunehmenden Temperaturen und Niederschlagsmengen. Im Gegensatz dazu sank die Zersetzungsrate bei niedrigen Temperaturen und zunehmenden Niederschlagsmengen.
Die Rolle der Insekten
Insekten sind in den Tropen effektive Destruenten von Totholz. Sie bauen 3,9 Prozent der Totholzmasse jedes Jahr ab. In der gemäßigten Zone lagen die Werte bei 0,9 Prozent. Auch hier war ein Zusammenhang zwischen Zersetzungsrate und steigender Temperatur erkennbar, ebenfalls abhängig vom Niederschlag. Auffällig war der Zusammenhang zwischen hohen Niederschlägen und niedrigen Temperaturen in der borealen Zone: Hier war die Zersetzungsrate ohne Insekten höher. Das zeigte sich in einem negativen Wert (- 0,1 Prozent).
Die Forscher:innen erklären die Ergebnisse so: Eine wichtige Gruppe der Holzzersetzer, die Termiten, kommen hauptsächlich in Gegenden mit hohen Temperaturen vor. Zudem steigen Stoffwechselleistung und die Geschwindigkeit der Larvenentwicklung mit steigenden Temperaturen. Beides erklärt die höheren Zersetzungsraten in warmen und feuchten Regionen.
Dagegen haben Insekten bei hohen Niederschlägen und tiefen Temperaturen mit einem erhöhten Schädlings- und Krankheitsdruck zu kämpfen, was möglicherweise die niedrigen Zersetzungsraten in der borealen Zone erklärt.
Außerdem könnten mit den Insekten auch Pilzarten in das Holz eindringen, die nicht an der Zersetzung mitwirken, aber zersetzende Pilzarten verdrängen. In kalten, feuchten Regionen könnten solche Effekte die ohnehin geringe Zersetzungsleistung der Insekten überdecken, vermuten die Forscher:innen.
Die globalen Abbauraten sind gigantisch
Die Forscher schätzen, dass etwa 10,9 Petagramm (Pg) Kohlenstoff (C) jährlich durch Holzzersetzer freigesetzt werden. Das ist sogar etwas mehr als die Menge Kohlendioxid, die wir Menschen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe jährlich in die Atmosphäre blasen.
Die Insekten unter den Holzzersetzern sind für die Freisetzung von jährlich 3,2 Pg Kohlenstoff verantwortlich – das entspricht 29 Prozent des globalen Totholzabbaus. Die höchsten Freisetzungsraten gibt es erwartungsgemäß in den warmen Tropen (10,2 Pg C pro Jahr) mit hohen Totholzbestände. Geringer sind die Zersetzungsraten in den gemäßigten Breiten (0,28 Pg C pro Jahr) und der boreale Zone (0,44 Pg C pro Jahr). Sie machen zusammen gerade mal sieben Prozent der globalen Kohlenstofffreisetzung aus Totholz aus.
Die Forscher:innen betonen, dass die Rolle von Insekten bei der Zersetzung von Totholz bisher wohl nicht gründlich genug betrachtet wurde. Genauere Untersuchungen dazu seien noch nötig, um deren Beitrag zum globalen Kohlenstoffkreislauf besser modellieren zu können. Auch müsse beobachtet werden, wie sich die zunehmenden Biodiversitätsverluste im Insektenreich auf den Kohlenstoffkreislauf auswirken könnte. Die Forscher:innen gehen aber jetzt schon davon aus, dass die fortschreitende Klimaerwärmung die Zersetzungsrate von Totholz beschleunigen wird – ein Effekt, der in feuchteren Regionen besonders stark ausfallen könnte.
Afrikanische Bergwälder werden vermessen
Weltweit sind in tropischen Wäldern 40 bis 50 Prozent der gesamten terrestrischen Kohlenstoffvorräte gelagert. Wenig ist aber bekannt, welchen Beitrag die von Abholzung bedrohten afrikanischen Bergwälder dazu leisten. Eine neue Studie bringt nun Licht ins Dunkle. Das Team vermaß dazu in 226 Parzellen in zwölf afrikanischen Ländern nicht weniger als 72.336 Bäume.
Der unterschätzte Kohlenstoff-Speicher
Die Forscher:innen errechneten, dass in einem Hektar Bergwald 149,4 Megagramm (Mg) Kohlenstoff (C) gespeichert sind. Der Weltklimarat IPCC kam in seinem jüngsten Bericht gerade mal auf 89.3 Mg C/ha. Damit speichern diese Bergwälder pro Hektar 70 Prozent mehr Kohlenstoff als südamerikanische Bergwälder, 32 Prozent mehr als Tieflandwälder in Mittel- und Südamerikas und enthalten pro Fläche etwa gleich viel Kohlenstoff wie afrikanische Tieflandwälder.
Was macht diesen Wald so besonders? Die Forscher:innen zählten überdurchschnittlich viele alte Bäume mit einem Stammdurchmesser von mehr als 70 cm. Denn in diesen Wäldern können Bäume in Ruhe altern: Sie werden nur selten von schweren tropischen Wirbelstürmen heimgesucht, es gibt kaum Erdbeben und Vulkanismus (Ausnahme Mount Kamerun) und in nur wenigen Gegenden die Gefahr von Hangrutschungen.
Die Forscher betonen, dass diese wertvollen Kohlenstoffspeicher dringend geschützt werden müssen. Ihren Berechnungen zufolge sind seit dem Jahr 2000 etwa 0,8 Millionen Hektar dieser Wälder verloren gegangen. Dabei sind sie nicht nur zur Abschwächung des Klimawandels wichtig: Sie sind auch Biodiversitäts-Hotspots und haben eine große Bedeutung für das lokale Klima und die Wasserversorgung.
Quellen:
- Seibold, S. et al. (2021): The contribution of insects to global forest deadwood decomposition. In: Nature, Vol 597, (2. September 2021), doi: 10.1038/s41586-021-03740-8.
- Cuni-Sanchez, A. et al. (2021): High aboveground carbon stock of African montane forests. In: Nature, Vol 596, (26. August 2021), doi: 10.1038/s41586-021-03728-4.
Zum Weiterlesen:
- Steinpilz und Pfifferling als Klimaretter? Baum-Pilz-Symbiosen machen Böden zu besseren Kohlenstoffspeichern
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- Aus den Fugen geraten - Das Insektensterben verändert auch die Pflanzenwelt
Titelbild: Totholz im Buchenwald nahe der Ökologischen Station der Uni Würzburg. Pilze haben sich daran gemacht, die Stämme zu zersetzen. (Bildquelle: © Sebastian Seibold)