Wood Wide Web ist keine Fiktion

Belege für umfassendes Mykorrhiza-Netzwerk in Wäldern gefunden

16.05.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Netzwerk aus Pflanzenwurzeln und Mykorrhiza-Pilzen im Waldboden könnte ein komplexes Kommunikationssystem darstellen – so könnten sich z.B. Bäume gegenseitig vor Schädlingen warnen. (Bildquelle: © www.pflanzenforschung.de / DALL•E)

Das Netzwerk aus Pflanzenwurzeln und Mykorrhiza-Pilzen im Waldboden könnte ein komplexes Kommunikationssystem darstellen – so könnten sich z.B. Bäume gegenseitig vor Schädlingen warnen. (Bildquelle: © www.pflanzenforschung.de / DALL•E)

Bisher war es eher nur eine Theorie: Im Waldboden existiert wohl tatsächlich ein komplexes Netzwerk zwischen Bäumen und anderen Pflanzen – die Verbindungen stellen Mykorrhiza-Pilze her. Wahrscheinlich ermöglicht dieses Netzwerk einen weitreichenden Austausch von Kohlenstoffverbindungen und Informationen zwischen den Pflanzen eines Waldes.

Schon lange ist bekannt, dass über 90 Prozent der Landpflanzen in Symbiose mit Pilzen leben, genauer gesagt mit Mykorrhiza-Pilze. Die Pilze bilden dabei ein dichtes Pilzgeflecht um die Baumwurzeln, zum Vorteil für beide Organismen: Pilze versorgen so die Bäume mit wichtigen Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff sowie mit Wasser. Umgekehrt ernähren die Bäume die Pilze mit Kohlenstoffverbindungen, die sie mit Hilfe der Photosynthese in den Blättern herstellen.

Eine Bayreuther Arbeitsgruppe hat zusammen mit weiteren internationalen Kooperationspartnern nun einen wichtigen Beleg dafür gefunden, dass diese Verbindungen nicht nur jeweils zwischen einem Baum und einem Pilz ausgebildet werden. Die Mykorrhiza-Pilze sind wohl in der Lage, weitreichende und komplexe Netzwerke zwischen einer Vielzahl von Bäumen und anderen Pflanzen auszubilden – ein „Wood Wide Web“.

Mögliche Funktionen des Wood Wide Web

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Vollständige Mykoheterotrophie als Beleg für einen Kohlenstoffaustausch zwischen Pflanzen durch ein gemeinsames Mykorrhiza-Netzwerk am Beispiel der mykoheterotrophen Pflanzenart Monotropa uniflora, hier verbunden mit Baumwurzeln über gemeinsame Pilze. Originalabbildung aus der Publikation verändert und ergänzt.

Vollständige Mykoheterotrophie als Beleg für einen Kohlenstoffaustausch zwischen Pflanzen durch ein gemeinsames Mykorrhiza-Netzwerk am Beispiel der mykoheterotrophen Pflanzenart Monotropa uniflora, hier verbunden mit Baumwurzeln über gemeinsame Pilze. Originalabbildung aus der Publikation verändert und ergänzt.

Bildquelle: © UBT / Zahn

Neben dem Austausch von Nährstoffen und energiereichen Kohlenstoffverbindungen könnten Pflanzen das Wood Wide Web nutzen, um chemische Signale zu senden. So wären von Schädlingen befallene Bäume in der Lage, Warnsignale über das Netzwerk zu senden, wodurch benachbarte Bäume ihre Abwehrmechanismen frühzeitig aktivieren können. Das Netzwerk wäre auch förderlich für die Biodiversität unserer Wälder, indem es eine vielfältige Gemeinschaft von Pflanzen und Pilzen ermöglicht, die miteinander interagieren und voneinander profitieren.

Mykoheterotrophe Pflanzen als Beleg

Nach Ansicht der Forscher:innen ist die Existenz von sogenannte mykoheterotrophen Pflanzen ein klarer Hinweis darauf, dass es das Wood Wide Web im Waldboden gibt. Diese Pflanzengruppe, der auch die in Europa heimische Geisterblume (Monotropa uniflora) angehört, wurde bislang weitgehend bei dieser Frage übersehen. Es handelt sich dabei um Pflanzen, die keine eigene Photosynthese betreiben, sondern ihren Kohlenstoff ausschließlich von Pilzpartnern erhalten.

Diese Pilzpartner gehen dann gleichzeitig eine zweite Partnerschaft mit Waldbäumen ein und können einen Kohlenstoffaustausch zwischen den Pflanzen vermitteln. „Damit belegen die vollständig mykoheterotrophen Pflanzen die Existenz von Mykorrhiza-Netzwerken, an denen mindestens drei Partner – zwei Pflanzen und ein Pilz – beteiligt sind“, so der an der Studie beteiligte Prof. Gebauer von der Universität Bayreuth.

Alte Lehrmeinungen müssen überdacht werden

Diese neuen Erkenntnisse stellen auch das bisherige strikte Dogma „Kohlenstoff-gegen-Nährstoff-Transfer“ bei der Symbiose zwischen Pilz und Pflanze infrage. Auch kann man jetzt darüber nachdenken, ob sich alle grünen (also Photosynthese betreibenden) Pflanzen strikt durch den Kohlenstoffgewinn über die eigene Photosynthese ernähren. Es besteht eher die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Reihe von Pflanzen gibt, die sich zu unterschiedlichen Anteilen auf Kosten des Pilzpartners und aus der eigenen Photosynthese ernähren.


Quelle:
Merckx, V. et al. (2024): „Mycoheterotrophy in the wood-wide web“. In: NATURE Plants (2024). doi: 10.1038/s41477-024-01677-0

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Titelbild: Das Netzwerk aus Pflanzenwurzeln und Mykorrhiza-Pilzen im Waldboden könnte ein komplexes Kommunikationssystem darstellen – so könnten sich z.B. Bäume gegenseitig vor Schädlingen warnen. (Bildquelle: © www.pflanzenforschung.de / DALL·E)