Bis dass der Tod uns scheidet – oder doch nicht?
Was symbiontische Pilze nach dem Tod ihrer Wirtspflanze machen
Bei der Getreideernte wird der oberirdische Teil der Pflanze von der Wurzel getrennt, die Pflanze stirbt. Doch was passiert dann mit den wichtigen symbiontischen Wurzel-Pilzen? Auch fünf Monate nach dem Tod der Pflanze zeigen sich die Wurzelsymbionten gänzlich unbeeindruckt. Eine mögliche Erklärung, warum die Bodenfruchtbarkeit einer Ackerfläche auch nach der Ernte erhalten bleibt und von den nächsten Jungpflanzen genutzt werden kann.
Arbuskuläre Mykorrhizapilze (AM) sind obligate Symbionten. Das bedeutet, dass sie ohne einen Symbiosepartner nicht leben können. Auswahl haben sie genug, denn mehr als 80 Prozent aller Landpflanzen – unter ihnen Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obstbäume - gehen eine Symbiose mit diesen Pilzen ein. AM gelten als Schlüsselelemente der Bodenfruchtbarkeit, die insgesamt von biologischen, chemischen und physikalischen Komponenten abhängt.
Erweiterung des Bodennetzwerkes zur Nähr- und Mineralstoffversorgung
Über ein feines Netzwerk von Hyphen, die von kolonisierten Wurzeln ins Erdreich wachsen, leitet der Pilz Nähr- und Mineralstoffe aus dem Boden in die Pflanze. Dabei erweitern die unterirdischen Mykorrhiza-Netze die absorbierende Oberfläche der Pflanzenwurzeln um das 40-fache in alle Richtungen. Auf diese Weise verbessern sie die pflanzliche Aufnahme von Phosphor, Stickstoff, Schwefel, immobilen Mikronährstoffen, wie Kupfer und Zink, und anderen mineralischen Kationen aus dem Boden.
Schutzschirm für hochwertige Agrarprodukte
Doch damit nicht genug: AM schützen ihre symbiontischen Partner auch vor biotischen und abiotischen Belastungen wie Krankheitserregern, Trockenheit und Salzbelastungen. Sie beeinflussen den sekundären Pflanzenstoffwechsel, begünstigen die Synthese von ernährungsphysiologisch wertvollen Inhaltsstoffen und tragen so zur nachhaltigen Produktion hochwertiger Lebensmittel bei.
Die „Nach-Tod“-Studie
Wissenschaftler haben nun untersucht, was mit dem äußert nützlichen Myzel-Netzwerk im Boden geschieht, wenn die symbiontische Pflanze nach der Ernte abstirbt. Dazu einwickelten sie ein spezielles in vivo-Membran-Untersuchungssystem, um den Zustand und die Vitalität von Pflanzenwurzeln und Pilzmycel bestimmen zu können. Als Versuchspflanze wurde die Wegwarte (Cichorium intybus) verwendet und in verschiedenen Ansätzen mit jeweils einem arbuskulären Mykorrhizapilz der Glomeraceae-Familie (Funneliformis mosseae oder Rhizoglomus irregulare) besiedelt.
Nachdem die Wissenschaftler die oberirdischen Pflanzenteile abgetrennt hatten, beobachteten sie über einen Zeitraum von fünf Monaten, wie sich die unterirdischen Mykorrhiza-Netze entwickelten. Ob der Pilz noch am Leben war, überprüften die Forscher über die Aktivität der zellulären Succinat Dehydrogenase – einem lebenswichtigen Enzym für den Pilz. Außerdem testeten die Wissenschaftler in regelmäßigen Abständen die Fähigkeit des Pilzes, eine neue Symbiose mit den Wurzeln von Jungpflanzen einzugehen.
Keine Einschränkungen durch Tod der Pflanze messbar
Die Daten zeigten erstmals: Die beiden getesteten AM lebten im Beobachtungszeitraum auch nach dem Absterben der Pflanze ohne Einschränkungen in Funktionalität und Vitalität weiter. Die Hyphen bahnten sich in gleichem Maße ihren Weg durch das Erdreich, wie wenn sie mit einer vitalen Pflanze verbunden wären. Auch ihre Fähigkeit, Jungpflanzen zu besiedeln, blieb über den gesamten Beobachtungszeitraum von fünf Monaten erhalten.
Nährstoffversorgung über den Tod hinaus
Die Wissenschaftler vermuten, dass die absterbende Pflanze den Pilz noch mit Nährstoffen versorgt. Denn während der Seneszenz der Wurzel erhöht sich die Permeabilität der Wurzelmembran. Das hat zur Folge, dass vermehrt Nährstoffe und Mineralien ausströmen, die der Pilz aufnehmen kann. Dieser Nährstofftransfer wurde bereits in anderen Studien während der ersten zwei bis drei Wochen nach dem Absterben der Wurzel beobachtet.
Da die Pilze aber auch über einen Zeitraum von fünf Monaten nicht an Vitalität verloren, müssen sie auch nach dem ersten Nährstoff-Transfer von der sterbenden Wurzel noch Nährstoffe erhalten. Arbuskulären Mykorrhizapilze dringen mit ihren Hyphen direkt in die Pflanzenzellen ein. Hier findet der Hauptnährstofftransfer zwischen Wurzel und Pilz statt. Die intrazellulären Strukturen des Pilzes (Arbuskeln) waren auch am Ende des Beobachtungszeitraums noch vollständig intakt. Das lässt die Wissenschaftler vermuten: Die Aufnahme von Nährstoffen findet hier immer noch statt.
Neue Erkenntnisse für die Landwirtschaft
Die Erkenntnisse erweitern das aktuelle Basiswissen zur AM-Biologie und zum Lebenszyklus des Pilzes. Das Mycel kann sich sowohl von lebenden als auch toten Wurzeln ernähren und junge Pflanzen umgehend wieder besiedeln. Diese Pilze sind daher von größter Bedeutung für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit von landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Quelle:
Pepe, A. et al. (2018): Lifespan and functionality of mycorrhizal fungal mycelium are uncoupled from host plant lifespan. In: Scientific Reports, Volume 8 (10235), (6. Juli 2018), doi: 10.1038/s41598-018-28354-5.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Toxische Symbiose - Rhizobien lassen Pflanzen Gift produzieren
- Agrarschädling braucht Symbiose-Bakterien zum Überleben
- Symbiose als Nährstoffmarkt
- 2 Vorteile einer ungewöhnlichen Symbiose
- Symbiose sorgt für Phosphor - Ein Pilz wirft pflanzliche Protonenpumpe an
- Knöllchen adé - Immer weniger Pflanzenarten nutzen die Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien
Titelbild: Arbuskuläre Mykorrhizapilze (AM) leben auf den Wurzeln von zahlreichen Pflanzen und versorgen sie mit Nährstoffen. Doch was passiert mit den Pilzen, wenn die Pflanze stirbt? (Bildquelle: © werner22brigitte/Pixabay/CC0)