"O'zapft is"

Pilze dienen vielen Pflanzen als zusätzliche Nahrungsquelle

07.05.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum). (Bildquelle: © Philipp Giesemann)

Der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum). (Bildquelle: © Philipp Giesemann)

Überraschung! Unter den Pflanzen scheint es mehr Nutznießer zu geben, als bisher bekannt war. So hat ein deutsch-dänisches Forscherteam in einer neuen Studie belegt, dass viel mehr Arten als angenommen organische Nährstoffe von Wurzelpilzen beziehen und dadurch sogar ihre Photosyntheseleistung reduzieren können. Pilze haben damit wohl einen erheblich größeren Einfluss auf die Biodiversität und Funktion von Ökosystemen als gedacht.

Eine Symbiose ist nicht die Regel

Dass Pilze und Pflanzen in enger Beziehung stehen, hat für die Forschung erst einmal keinen großen Neuigkeitswert. Mehr als 90 % aller Pflanzen sind durch eine sogenannte „Mykorrhiza“ über ihre Wurzeln mit Pilzen vernetzt. Bisher gingen Wissenschaftler aber davon aus, dass es sich in 80 Prozent der Fälle um eine klassische Symbiose handelt – also ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen. Dabei sind die Pflanzen trotz Austausch von Mineralien und Wasser mit den Pilzen vollkommen autotroph, da sie alle organischen Subtanzen durch die eigene Photosynthese herstellen.

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Die Vierblättrige Einbeere (Paris quadrifolia).

Die Vierblättrige Einbeere (Paris quadrifolia).

Bildquelle: © Philipp Giesemann

Diese These konnten Forscher der Universität Bayreuth und Kopenhagen nun widerlegen. In ihrer neusten Studie zeigen sie, dass die Hälfte dieser scheinbar in Symbiose lebenden Pflanzen ihre Pilzgefährten doch einseitig ausbeuten und ihnen Kohlenstoff entziehen – eine Fähigkeit, die es den Pflanzen erlaubt, sogar ihre Photosyntheserate zu minimieren und an Standorten mit ungünstigen Lichtverhältnissen zu überleben. Dieses Verhalten kannte man bisher nur von wenigen Pflanzen, die als „mykoheterotroph“ bezeichnet werden. Orchideen sind dafür ein bekanntes Beispiel.

Arbuskuläre Mykorrhiza ist oft einseitig

Untersuchungen an der Vierblättrigen Einbeere (Paris quadrifolia) legen jedoch nahe, dass diese Form der einseitigen Mykorrhiza sogar bei etwa 40 Prozent aller Pflanzen vorkommt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Versuchspflanze in der Fachwelt stellvertretend für alle Pflanzen gesehen wird, die eine ganz bestimmte Form der Mykorrhiza mit Pilzen eingehen: Die „arbuskuläre“ Mykorrhiza vom Typ „Paris“ (Bezeichnung nach der Modellpflanze). Dieser Typus ist durch ausgedehnte intrazelluläre Hyphenspulen der Pilze in den Wurzelrindenzellen der Pflanzen gekennzeichnet. Verbindungen, die den Austausch von Nährstoffen möglich machen. Die Forscher zeigten in ihren Studien, dass die Einbeere eindeutig ihrem Pilzpartner organische Substanzen entzieht und somit auch mykoheterotroph ist.

Gleichzeitig haben die Forscher auch eine weitere Form der arbuskulären Mykorrhiza untersucht: Den Typ „Arum“. Der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum) gilt dabei stellvertretend für die zweite Pflanzengruppe, bei der die Verbindung zwischen Pilz und Pflanze etwas anders funktioniert: Die Pilze bilden bäumchenartige, interzelluläre Hyphen zwischen den Wurzelrindenzellen. Die Ergebnisse bestätigten, dass es sich bei diesem Typus tatsächlich um eine reine Symbiose zwischen Pflanze und Pilz handelt und die Pflanze eindeutig autotroph ist. Alle kohlenstoffhaltigen Verbindungen stellt die Pflanze selbst her.

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Prof. Dr. Gerhard Gebauer (links) und Philipp Giesemann M.Sc. (rechts) im Labor für Isotopen-Biogeochemie der Universität Bayreuth.

Prof. Dr. Gerhard Gebauer (links) und Philipp Giesemann M.Sc. (rechts) im Labor für Isotopen-Biogeochemie der Universität Bayreuth.

Bildquelle: © Christian Wißler

Isotope geben Aufschluss über die Herkunft der Nährstoffe

Dass die Einbeere mykoheterotroph ist, haben die Forscher durch Isotopenbestimmungen mithilfe eines Massenspektrometers herausgefunden. So wird bei der Photosynthese hauptsächlich das Isotop 12C gebunden, das schwerere Isotop 13C kaum. In der Einbeere fand das Forscherteam jedoch deutlich erhöhte Mengen an 13C. Dies lässt sich nur durch Aufnahme organischer Stoffe aus Pilzen erklären.

Pilze sind immer noch unterschätzt

Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass die ökologische Bedeutung von Pilzen bisher unterschätzt wurde. „Falls sich die Überlegung bestätigen sollte, dass weitaus mehr Pflanzenarten als bisher bekannt einen Teil ihrer organischen Nährstoffe von Pilzen beziehen, haben Pilze einen erheblichen Einfluss auf die Biodiversität und Funktion von Ökosystemen. Programme und Maßnahmen im Natur- und Umweltschutz sollten daher verstärkt auch die Pilze berücksichtigen“, fasst der Erstautor Philipp Giesemann, Doktorand der Universität Bayreuth, zusammen.


Quelle:
Giesemann, P. et al. (2020): Discreet heterotrophs: green plants that receive fungal carbon through Paris-type arbuscular mycorrhiza. In: New Phytologist, (28. Januar 2020), doi: 10.1111/nph.16367.

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Titelbild: Der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum). (Bildquelle: © Philipp Giesemann)