Höherer Gersten-Ertrag durch Genschere?

Schweiz startet ersten Feldversuch mit einer genomeditierten Pflanze

14.03.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Genomeditierte Gerste, in denen CKX2-Gene inaktiviert wurden. Die Forschenden hoffen, dass diese Pflanzen einen höheren Ertrag liefern. (Bildquelle: © FU Berlin)

Genomeditierte Gerste, in denen CKX2-Gene inaktiviert wurden. Die Forschenden hoffen, dass diese Pflanzen einen höheren Ertrag liefern. (Bildquelle: © FU Berlin)

Ab diesem Jahr darf das Schweizer Forschungsinstitut Agroscope eine mit der Genschere CRISPR/Cas modifizierte Gerste in einem Feldversuch testen. Mittels der Genschere haben die Forscher:innen das an der Samenbildung beteiligte CKX2-Gen ausgeschaltet. Der Versuch soll zeigen, ob auf diese Weise der Ertrag erhöht werden kann.

Nach Bewilligung durch das Schweizer Bundesamtes für Umwelt kann der Feldversuch mit genomeditierter Sommergerste schon im Frühjahr 2024 beginnen. Der Versuch ist auf drei Jahre angelegt und findet auf der „Protected Site“ bei Agroscope in Zürich-Reckenholz statt.

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Gerste ist aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit an verschiedene Klimabedingungen und ihres Nährwerts ein vielseitiges Getreide. Sie wird heute hauptsächlich als wertvolles Tierfutter und zur Bierherstellung verwendet.

Gerste ist aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit an verschiedene Klimabedingungen und ihres Nährwerts ein vielseitiges Getreide. Sie wird heute hauptsächlich als wertvolles Tierfutter und zur Bierherstellung verwendet.

Bildquelle: © Lucash / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Es handelt sich dabei um ein internationales Gemeinschaftsprojekt, bei dem auch die Freie Universität Berlin und das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben beteiligt sind.

Veränderung der Cytokinin-Regulation

Bei den zu testenden Gerstenpflanzen wurden entweder eine oder beide der im Gerstengenom enthaltenen CKX2-Gene durch die Genschere CRISPR/Cas9 funktionsunfähig gemacht.

Die Gene codieren für Enzyme (Cytokinin Oxidase/Dehydrogenasen 2), die den Abbau von Cytokininen katalysieren. Cytokinine sind Pflanzenhormone, die eine breite Palette von Entwicklungsprozessen und physiologischen Reaktionen beeinflussen, darunter Zellteilung, Wachstum von Sprossen und Wurzeln, Differenzierung von Geweben und die Entwicklung von Früchten und Samen. Eine Ausschalten der CKX2-Gene führt entsprechend zu einer erhöhten Cytokinin-Konzentration und – so die Hoffnung der Wissenschaftler:innen – zu mehr Gerstenkörnern und einen höheren Ertrag.

Bei Reis hat das bereits funktioniert. So konnte eine japanische Forschungsgruppe durch Ausschalten des CKX2-Gens den Ertrag dieser Kulturpflanze deutlich steigern. Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass sie heute in der Reiszüchtung angewandt werden. Auch liegen ähnliche Forschungsergebnisse bei Raps für CKX2-verwandte Gene vor.

Ziel der Feldversuche

Bei vorangegangenen Gewächshausversuchen mit Gerstenlinien, bei denen beide Kopien des CKX2-Gens ausgeschaltet wurden, bildeten die Pflanzen deutlich mehr Körner pro Ähre. Da jedoch bei Gewächshausversuchen keine natürlichen Umweltbedingungen wie Temperaturverläufe, Niederschläge, Bodeneigenschaften und Interaktionen mit anderen Organismen etc. simuliert werden können, müssen jetzt die Feldversuche zeigen, ob die Ertragszuwächse auch unter realen landwirtschaftlichen Bedingungen reproduziert werden können. Außerdem wollen die Forschenden untersuchen, ob beide Kopien des CKX2-Gens für eine Ertragssteigerung funktionsunfähig sein müssen und ob das Ausschalten einer oder beider Gen-Kopien noch weitere Pflanzeneigenschaften im Feld beeinflusst.

Ohne fremdes Erbgut

Die CKX2-Gene wurden mit dem präzisen CRISPR/Cas9-Verfahren inaktiviert und durch DNA-Analysen bestätigt, dass die Gerstenpflanzen nach dem Eingriff keine Fremd-DNA enthalten.

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Video: Hier werden die genomeditierten Gerstenpflanzen im Freiland getestet: Die „Protected Site“ bei Agroscope.

Videoquelle: © agroscopevideo, YouTube

Solche Veränderungen sind damit vergleichbar mit zufälligen Mutationen, die auch natürlicherweise oder durch chemische Behandlung im konventionellen Züchtungsprozess entstehen können. Die zu testenden Gerstenpflanzen werden von den Schweizer Behörden aber bislang noch als gentechnisch veränderte Pflanzen behandelt. Daher brauchte der Feldversuch eine entsprechende Bewilligung des Bundesamts für Umwelt.

Genomeditierung: In vielen Ländern keine „Gentechnik“ mehr

In der Schweiz wird aber darüber diskutiert, die Zulassungsregeln zu vereinfachen. So hat das Schweizer Parlament im März 2022 überraschend eine Abkehr vom bisherigen restriktiven Kurs beschlossen. Genomeditierte Pflanzen ohne fremde Genmaterial sollen nicht mehr grundsätzlich dem Gentechnik-Recht unterworfen werden. Der Schweizer Bundesrat wird voraussichtlich Mitte 2024 Vorschläge machen, welche Zulassungsregelungen zukünftig gelten sollen.

In vielen außereuropäischen Ländern und Großbritannien werden die meisten genomeditierten Pflanzen schon den konventionell gezüchteten Pflanzen gleichgestellt und benötigen keine Zulassung nach Gentechnikrecht. Auch das EU-Parlament hat einem Vorschlag der EU-Kommission angenommen, dass es zukünftig für einfach genomeditierte Pflanzen nur noch eine Anmeldepflicht geben soll. Eine noch notwendige Zustimmung des EU-Agrarministerrats steht allerdings noch aus.


Quelle:
Erster Schweizer Feldversuch mit Gerste, die mittels CRISPR/Cas9 verändert wurde (Pressemitteilung Agroscope, 15. Februar 2024)

Weiterführende Literatur:

  • Rong, C. et al. (2022): „Cytokinin oxidase/dehydrogenase family genes exhibit functional divergence and overlap in rice growth and development, especially in control of tillering”. In: Journal of Experimental Botany, Volume 73, Issue 11 (2 June 2022). doi: 10.1093/jxb/erac088
  • Yeh, S-Y. et al. (2015): „Down-Regulation of Cytokinin Oxidase 2 Expression Increases Tiller Number and Improves Rice Yield.” In: Rice 8, 36 (2015). doi: 10.1186/s12284-015-0070-5

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Genomeditierte Gerste, in denen CKX2-Gene inaktiviert wurden. Die Forschenden hoffen, dass diese Pflanzen einen höheren Ertrag liefern. (Bildquelle: © FU Berlin)​​​​​​