Transkriptom-Atlas der Ährchenmeristeme

Regulationsmechanismen bei der Gerstenblüte identifiziert

10.05.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Gerstenähre stand im Fokus eines internationalen Forschungsvorhabens. (Bildquelle: © Eva Siebenhühner/IPK Leibniz-Institut)

Die Gerstenähre stand im Fokus eines internationalen Forschungsvorhabens. (Bildquelle: © Eva Siebenhühner/IPK Leibniz-Institut)

Gerste ist nach Weizen das zweitwichtigste Getreide der gemäßigten Breiten. Für den Ertrag der Pflanze ist unter anderem das Ährchenmeristem bedeutsam. Nun liegt ein Transkriptom-Atlas der Ährchenbildung vor, der die Erforschung vorantreiben kann.

Das Meristem ähnelt den Stammzellen der Säugetiere: Es ist ein Gewebe, dessen Zellen sich zu unterschiedlichen Organen differenzieren können. Bislang war wenig verstanden, wie die Ährchenbildung abläuft – also jener Teil der Ähre, der die Blüte ausbildet und somit später auch das Korn hervorbringt. Die Forschung dazu wird in Zukunft jedoch einfacher sein, denn ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) hat nun einen Transkriptom-Atlas der Ährchenbildung veröffentlicht.

Unterschiede bei den Sprossmeristemen

Um die spezifischen Genaktivitäten der unterschiedlichen Gewebe während der Ausdifferenzierung zu analysieren, hat das Forscherteam mittels eines Lasers feinste Gewebeteile der Gerste herausgeschnitten und deren Transkriptome zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt. Das entspricht der Information, welche Gene in diesen Gewebebereichen jeweils aktiv waren.

Hilfreich bei der Interpretation war, dass bei Gerste aus dem Achselmeristem drei Sprossmeristeme entstehen – ein zentrales und zwei seitliche. Die seitlichen Meristeme sind in ihrem Wachstum inhibiert und bilden keine fertilen Blüten. Durch den Vergleich der Genaktivitäten in dem zentralen und den seitlichen Meristemen sind somit Rückschlüsse möglich, welche Gene für fruchtbare und produktive Ährchen entscheidend sind.

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Blühende Gerstenähre.

Blühende Gerstenähre.

Bildquelle: © iStock.com/Knaupe

Das Schicksal des Ährchens bestimme nicht nur den Fortpflanzungserfolg, sondern auch zahlreiche ertragsbezogene Merkmale, so erläutert das IPK-Team den strategischen Ansatz ihrer Untersuchungen. Denn: „Das ist vor dem Hintergrund des Ziels, eine möglichst große Ernährungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung zu schaffen, also ein wichtiger Ansatzpunkt“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch.

Mittels der Transkriptom-Sequenzierungsmethode RNA-Seq konnten die Forschenden schließlich regulatorische Netzwerke, Signalwege und wichtige regulatorische Elemente der Gerstenblüte identifizieren. Insgesamt 34 540 aktive Gene ließen sich nachweisen. Dabei zeigte sich ein Vorteil der chirurgisch präzisen Unterteilung der analysierten Gewebestücke: 5 230 dieser Gene wurden nur in bestimmten Domänen des Ährchenmeristems nachgewiesen.

Massive Veränderung des Transkriptoms

Grundsätzlich unterschieden sich die Transkriptome aller Ährchenmeristeme deutlich von vegetativen Meristemen. Außerdem zeigten sich massive Veränderungen des Transkriptoms während der Umwandlung des Sprossapikalmeristems zum Blütenstandmeristem: Die Aktivitäten von insgesamt 1 577 Genen veränderten sich in dieser Phase. Während anfangs Gene zum Erhalt des Meristems, der Achselpolarität und der circadianen Rhythmik besonders aktiv waren, waren es später Gene der Photosynthese, der Kohlenstofffixierung, der Lichtreaktion und der Blütenbildung bzw. der Fortpflanzung generell.

Genauer analysierte das Team die Zusammenhänge in der sogenannten Doppelprimordiumphase. In dieser frühen Phase der Ährchenbildung werden die ersten reproduktiven Strukturen sichtbar. Als überraschend gering erwies sich der Unterschied zwischen den Meristemen der Ährchenprimordien und den benachbarten Blattprimordien. Lediglich für 64 Gene fand die Studie abweichende Aktivitäten. Dabei zeigte sich, dass die Ährchenprimordien, die später das Sprosstriplett aus zentralem und zwei seitlichen Sprossmeristemen ausbilden, Transkriptionsmuster besitzen, welche typisch sind für die Achselspezifikation, Blattentwicklung und zelluläre Desintegration. Die Meristeme in den Blattprimordien hingegen haben den Fokus auf Genaktivitäten, die typischerweise unter der regulatorischen Kontrolle der Pflanzenhormone Auxin und Cytokin sind und daher auf eine fortschreitende Zellspezifizierung hindeuten.

Vergleich des zentralen mit dem seitlichen Ährchenmeristem

Der Vergleich des zentralen mit dem seitlichen Ährchenmeristem deutete auf eine Entwicklungsverzögerung der seitlichen Ährchenmeristeme hin. Darüber hinaus waren Gene hochreguliert, die mit Ausläuferbildung, Korngröße, Pflanzenhöhe und Kornanzahl zusammenhängen. Im zentralen Ährchenmeristem hingegen waren unter anderem Gene besonders aktiv, die an der Gefäßbildung, dem Auxin-Signalweg, der Homöostase und der Ethylenreaktion beteiligt sind sowie an der Zelldifferenzierung, der Entwicklung der Reproduktionsorgane und der Lichtreaktion.

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Geste (Hordeum vulgare) zählt zur Familie der Süßgräser und zeichet sich durch Ähren mit langen Grannen aus. Mehr über diese Getreideart erfahren Sie in unserem Steckbrief.

Geste (Hordeum vulgare) zählt zur Familie der Süßgräser und zeichet sich durch Ähren mit langen Grannen aus. Mehr über diese Getreideart erfahren Sie in unserem Steckbrief.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Durch den Vergleich beider Gruppen von Meristemen war es möglich, Gene und regulatorische Pfade zu bestimmen, die für die besondere Entwicklung der seitlichen Meristeme maßgeblich sind, darunter der ABA-Signalweg, Gibberellinsäure-Metabolismus und die Homöostase.

Frei zugängliche Datenbank mit Visualisierung

Aus den gesammelten Transkriptomdaten hat das Forschungsteam einen Atlas erstellt, der die entscheidenden molekularen Schalter für die Differenzierung des Blütenmeristems und der Organentwicklung kartiert. Ebenfalls enthalten sind die Daten der Kontrollproben der vegetativen Meristeme.

Die Forschenden erhoffen sich dadurch eine breite Anwendbarkeit für Forschungsvorhaben zu Gerste, aber auch zu anderen Gräsern bzw. Getreidearten. „Wir haben auf der einen Seite selbst ein besseres Verständnis der regulatorischen Netzwerke gewonnen und können auf der anderen Seite der wissenschaftlichen Gemeinschaft nunmehr ein wichtiges Hilfsmittel an die Hand geben, das die weitere Arbeit erleichtert und viel Zeitgewinn bei eigenen Analysen bringt“, resümiert IPK-Forscher Schnurbusch.

Frei zugänglich ist der Atlas samt Visualisierungen unter bar.utoronto.ca/eplant_barley/.


Quelle:
Thiel, K. et al. (2021): Transcriptional landscapes of floral meristems in barley. In: Science Advances, (28. April 2021), doi: 10.1126/sciadv.abf0832.

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Titelbild: Die Gerstenähre stand im Fokus eines internationalen Forschungsvorhabens. (Bildquelle: © Eva Siebenhühner/IPK Leibniz-Institut)