Wie Grünalgen CO2 anreichern

Könnte dieser Mechanismus auch Nutzpflanzen optimieren?

13.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Ertrag unserer Nutzpflanzen hängt unter anderem davon ab, wie effizient sie Kohlendioxid aus der Luft binden können. (Bildquelle: © Annette Meyer / Pixabay)

Der Ertrag unserer Nutzpflanzen hängt unter anderem davon ab, wie effizient sie Kohlendioxid aus der Luft binden können. (Bildquelle: © Annette Meyer / Pixabay)

Pflanzen nutzen Kohlendioxid aus der Luft, um daraus organische Kohlenstoffverbindungen aufzubauen. Das zentrale Enzym dieses Vorgangs, RuBisCO genannt, arbeitet in Landpflanzen jedoch nicht effizient. Die photosynthetisch aktiven Grünalgen der Art Chlamydomonas reinhardtii können das besser, weil sie das Kohlendioxid in ihren Zellen aktiv anreichern. Mithilfe von Computer-Modellierungen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diesen Prozess genauer untersucht. Wenn es gelänge, auch Nutzpflanzen mit einem solchen Mechanismus auszustatten, könnte dies die Erträge deutlich steigern.

Alle photosynthetisch aktiven Organismen nutzen zur Kohlenstofffixierung das Enzym RuBisCo (kurz für Ribulose-1,5-bisphosphat-carboxylase/-oxygenase). In den meisten Landpflanzen arbeitet es jedoch nicht besonders effizient und nutzt nur etwa ein Drittel seiner möglichen theoretischen Kapazität. Ursache dafür ist, dass die Konzentration von Kohlendioxid in der Nähe des Enzyms oft zu niedrig ist und an die RuBisCO daher statt CO2 ein Sauerstoffmolekül andockt und vom Enzym umsetzt wird (daher der Name carboxylase/-oxygenase). Hierbei entsteht Phosphoglycolat, das energieaufwändig zu 3-Phosphoglycerat regeneriert werden muss. Die mangelnde Effizienz der RuBisCO limitiert das Wachstum vieler Nutzpflanzen wie Reis und Weizen.

Andere Pflanzen und auch Cyanobakterien haben verschiedene Mechanismen entwickelt, das Kohlendioxid rund um das Enzym RuBisCO anzureichern. In einzelligen Grünalgen wie Chlamydomonas reinhardtii findet dieser CO2-Konzentrierungsmechanismus in den sogenannten Pyrenoiden statt. Bisher ist jedoch unklar, wie genau das funktioniert und welches die essentiellen Moleküle dafür sind. Mithilfe von mathematischer Modellierung hat ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diesen pyrenoid-basierten CO2-Konzentrationsmechanismus (PCCM) näher untersucht und herausgefunden, wie er sich auf Nutzpflanzen übertragen ließe.

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Die Ernährungssicherheit ist bereits jetzt in einigen Teilen der Welt nicht gewährleistet. Der Klimawandel bedroht sie zusätzlich. Gebraucht werden daher vor allem ertragreichere Getreidepflanzen.

Die Ernährungssicherheit ist bereits jetzt in einigen Teilen der Welt nicht gewährleistet. Der Klimawandel bedroht sie zusätzlich. Gebraucht werden daher vor allem ertragreichere Getreidepflanzen.

Bildquelle: © Luis Iranzo Navarro-Olivares / Pixabay

Kohlendioxid anreichern verbessert die Photosyntheseleistung

Bisher war bereits der grundlegende Aufbau der Pyrenoide von Chlamydomonas reinhardtii bekannt: In ihrer Matrix befindet sich das Enzym RuBisCO. Außerdem sind sie von membranumschlossenen Kanälen durchzogen, den sogenannten Pyrenoid-Tubuli. Eine Schicht aus Stärke umschließt die Pyrenoide. Der PCCM funktioniert nun so: Das Kohlendioxid, welches aus der Luft aufgenommen wird, wird zu Bicarbonat (HCO3-) umgewandelt und dann aktiv in die Tubuli transportiert. Von dort aus gelangt es in die Pyrenoide. Ein Enzym in den Tubuli verwandelt das Bicarbonat zurück in Kohlendioxid, dieses diffundiert dann zu RuBisCO und kann von dem Enzym genutzt werden.

„Unser Modell zeigt, dass dieses Bild vom Pyrenoid-basierten CO2-Konzentrationsmechanismus nicht funktionieren kann, weil das CO2 sehr schnell wieder aus den Pyrenoiden heraus diffundieren würde – noch bevor RuBisCO es zu fassen bekäme“, sagt Ned Wingreen, Professor für Molekularbiologie an der Universität Princeton und einer der Autoren der Studie. Für eine effektive und energetisch effiziente PCCM braucht es unbedingt eine physikalische Barriere, damit das mühsam hereintransportierte CO2 nicht sofort wieder „entwischt“. Genau das scheint die Aufgabe der Stärkeschicht zu sein.

Ein reduziertes PCCM-Modell für Nutzpflanzen?

Mit Hilfe von mathematischen Modellierungen hat das Team außerdem herausgefunden, welche Teile der Pyrenoid-Maschinerie essentiell und welche verzichtbar sind. Das auf seine wesentlichen Komponenten reduzierte Pyrenoid-System verhält sich – im Computer – ähnlich wie das Original. In ihrem Aufsatz schlagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem einen vierstufigen Prozess vor, wie man die für PCCM notwendigen Veränderungen mit Hilfe gentechnischer Verfahren in einer möglichst sinnvollen Reihenfolge unseren Nutzpflanzen einfügen könnte.

Ob es eines Tages wirklich „PCCM-verbesserte“ Nutzpflanzen geben wird, ist zurzeit schwierig zu prognostizieren. Die dafür notwendigen Veränderungen sind recht umfassend und mit dem Einfügen von einem oder zwei Genen ist es nicht getan.

Die Forschung an solchen CO2-Konzentrierungsmechanismen ist jedoch wichtig, denn die Landwirtschaft steht vor der großen Herausforderung, unter zunehmend widrigen klimatischen Bedingungen immer mehr Menschen zu ernähren. Mithilfe von konventioneller Züchtung sind keine großen Ertragssteigerungen mehr zu erwarten, weshalb es sich lohnen könnte, auch andere, disruptivere Ideen zu verfolgen.


Quelle:
Fei, C. et al. (2022): Modelling the pyrenoid-based CO2-concentrating mechanism provides insights into its operating principles and a roadmap for its engineering into crops. In: Nat. Plants 8, 583–595, (19. Mai 2022), doi: 10.1038/s41477-022-01153-7.

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Titelbild: Der Ertrag unserer Nutzpflanzen hängt unter anderem davon ab, wie effizient sie Kohlendioxid aus der Luft binden können. (Bildquelle: © Annette Meyer / Pixabay)