Rübsen-Archäologie

Auf der Suche nach dem verlorenen Genpool

25.06.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Rübsen auf dem Feld. (Bildquelle: © iStock.com/Dace Znotina)

Rübsen auf dem Feld. (Bildquelle: © iStock.com/Dace Znotina)

Forscher entdecken die Herkunft und die wilden Verwandten von Rübsen (Brassica rapa). Die Ergebnisse sollen helfen, die Nutzpflanze fit für den Klimawandel zu machen.

Der Rübsen (Brassica rapa) ist ein traditionelles Gemüse und Stammform für viele weitere Gemüsesorten. Um auch bei fortschreitendem Klimawandel weiterhin gute Erträge zu liefern, könnte der Rübsen mit Hilfe der genetischen Ressourcen seiner wilden Verwandten ein „Upgrade“ erhalten. Doch wer sind seine Verwandten? In einer neuen Studie haben Forscher:innen jetzt die vermutliche Herkunft des Rübsens modelliert.

Ein sehr altes Gemüse mit weitläufiger Verwandtschaft

Rübsen wird seit der Jungsteinzeit kultiviert und ist in Deutschland aktuell als Gemüse gerade wieder sehr beliebt. Er stammt aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae) und ist eng verwandt mit dem Gemüsekohl (Brassica oleracea). Als nahrhafte Pflanze wird er weltweit angebaut.

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Über die Jahrhunderte entwickelten sich in einigen Gegenden der Welt verschiedene Unterarten und Variationen. Darunter Blattgemüse wie Chinakohl (Brassica rapa subsp. pekinensis).

Über die Jahrhunderte entwickelten sich in einigen Gegenden der Welt verschiedene Unterarten und Variationen. Darunter Blattgemüse wie Chinakohl (Brassica rapa subsp. pekinensis).

Bildquelle: © Michal_o79 / Pixabay

Über die Jahrhunderte entwickelten sich in einigen Gegenden der Welt verschiedene Unterarten und Variationen: Blattgemüse (Pak Choi (B. rapa supsp. chinensis), Chinakohl (B. rapa subsp. pekinensis)), Stängelgemüse (Stängelkohl (B. rapa var. cymosa), Rübstiel (B. rapa var. rapifera subvar. pabularia)), Wurzelgemüse (Teltower Rübchen (B. rapa subsp. rapa var. teltowiensis), Mairübe (B. rapa subsp. rapa var. majalis)) und der Öl-Rübsen (B. rapa subsp. oleifera). Auch der Raps (Brassica napus) stammt vom Rübsen ab. Er entstand durch Hybridisierung von Rübsen und Gemüsekohl.

Aber das 21. Jahrhundert mit seinen aktuellen Problemen wie Klimawandel und Schädlingsdruck macht auch vor dem Rübsen nicht halt: Er muss fit gemacht werden für die Zukunft. Forscher:innen versuchen daher, wie bei anderen Nutzpflanzen auch, die wilden Verwandten zu identifizieren und dem Rübsen aus deren Genpool günstige Eigenschaften wie Schädlingsresistenz und Trockenheitstoleranz zu verleihen. Aber: Wie soll man die Ursprungspflanzen finden bei einer Art, die weltweit verbreitet ist und oft verwildert? Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

„C.S.I“ – Caucasus, Siberia, Italy

Die gesuchten Wildformen sind von verwilderten Kultursorten optisch oft nicht zu unterscheiden. Erst in der Sequenzierung zeigen sich Genstrukturen, die auf eine frühere Domestikation schließen lassen. Um nahe und nicht domestizierte Verwandte des Rübsens zu identifizieren, braucht man Sequenzinformationen zum Vergleich – viele Sequenzinformationen! Als „Marker“ nutze das Team sogenannte SNPs (Single-Nucleotid-Polymorphisms, Einzelnukleotid-Variationen bzw. im Genpool einer Population etablierte Punktmutationen). Diese erhielten die Forscher:innen durch Sequenzierung von 416 Pflanzen der Art Brassica rapus und bekannten wilden, verwilderten und domestizierten Unterarten. Insgesamt 68 468 SNPs hat das Team letztendlich erfasst.

Die Forscher konnten durch die Sequenzdaten einen bisher unbekannten Verwandtschaftszweig von Brassica rapa identifizierten. Dieser hat Wildvorkommen im Kaukasus, in Sibirien und in Italien, wobei der Kaukasus vermutlich die eigentliche Ursprungsregion ist. Diese Verbreitungsgebiete gaben dieser Pflanze ihren Namen: CSI-Rübsen (CSI: Caucasus, Siberia, Italy). Aufgrund der Genstruktur vermuten sie, dass dieser Zweig die ursprünglichen Wildformen von Brassica rapa repräsentieren könnte.

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Auch Pak Choi (B. rapa supsp. chinensis) ist ein Blattgemüse, das aus dem Rübsen hervorgegangen ist.

Auch Pak Choi (B. rapa supsp. chinensis) ist ein Blattgemüse, das aus dem Rübsen hervorgegangen ist.

Bildquelle: © MetsikGarden / Pixabay

Die in Europa wild vorkommenden Verwandten zeigen eine geringere genetische Übereinstimmung mit diesen „CSI-Pflanzen“. Sie sind vermutlich durch Vermischung der ursprünglichen europäischen Wildformen mit den ersten nach Europa eingeführten Sorten entstanden. Die eigentlichen Wildformen wurden demnach in Europa durch verwilderte Sorten vollkommen verdrängt.

Domestikation im Hindukusch

Die Forscher:innen modellierten auch die idealen klimatischen Bedingungen für Rübsen und verglichen sie mit aktuellen Klimadaten und Klimamodellen aus dem Mittleren Holozän (vor etwa 6 000 Jahren). So konnten sie das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Wildform identifizieren, ein breites Band von Westeuropa und Nordafrika über die gebirgigen Regionen des Orients bis nach China und Japan.

Die erste Domestikation von Rübsen fand vermutlich im Hindukusch-Gebirge im Gebiet des heutigen Afghanistan statt. Die Proben aus dieser Region hatten die größte Übereinstimmung mit den CSI-Pflanzen. Daher vermuten die Forscher:innen, dass sie direkt vom Wildtyp abstammen. Die beiden Wild- und Kulturform trennten sich vermutlich vor etwa 3 400 bis 6 000 Jahren. Rübsen wurde im Hindukusch zunächst als Wurzelgemüse angebaut, eventuell auch als Ölsaat. Von hier wurde die Pflanze auch nach Ost und West weiter verbreitet. Anschließend wurde Rübsen sowohl im Mittelmeerraum als auch in Ostasien als Blattgemüse und Ölsaat selektiert.

Die Zeit drängt

Wilde Verwandte sind die große Hoffnung in der Pflanzenforschung. Sie sollen die oftmals stark verengten Genpools von Nutzpflanzen wieder auffrischen und so dazu beitragen, dass die Nutzpflanzen sich besser an Klimaveränderungen anpassen können. Nur leider verschwinden dieser Wildpflanzen zunehmend durch die intensive Landwirtschaft. Die Forscher:innen betonen, dass es daher sehr wichtig sei, die Ursprungsorte dieser Pflanzen zu identifizieren und schnellstmöglich unter Schutz zu stellen.

Die Ergebnisse der Studie sind für die Züchtung generell sehr interessant. Die ermöglichen, die genetischen und phänotypischen Grundlagen der Domestikation und Verwilderung von B. rapa zu verstehen und für den Züchtungsprozess von neuen Kultursorten zu nutzen.


Quelle:
McAlvay, A.C. et al. (2021): Brassica rapa domestication: Untangling wild and feral forms and convergence of crop morphotypes. In: Molecular Biology and Evolution, (30. April 2021), doi: 10.1093/molbev/msab108.

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Titelbild: Rübsen auf dem Feld. (Bildquelle: © iStock.com/Dace Znotina)