Wiederentdeckter Schatz

Ein Wildkaffee als Retter in der Klimakrise?

03.05.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Coffea stenophylla in der freien Natur. (Bildquelle: © RBG Kew)

Coffea stenophylla in der freien Natur. (Bildquelle: © RBG Kew)

Wissenschaftler haben eine seltene Wildkaffee-Art in Westafrika wiederentdecken. Coffea stenophylla schmeckt wie hochwertiger Arabica-Kaffee, ist aber robuster gegenüber steigenden Temperaturen. Vielleicht kann diese Art Arabica-Kaffee ersetzen, der vom Klimawandel bedroht ist.

Es gibt über 120 verschiedene Kaffee-Arten. Doch am bekanntesten sind Arabica-Kaffee (Coffea arabica) oder Robusta-Kaffee (Coffea canephora), denn sie machen den Löwenanteil der weltweiten Kaffeeproduktion aus.

Doch der Kaffeeanbau hat derzeit mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Die wohl drängendste ist der Klimawandel. Bereits 2012 legte eine Studie nahe, dass wild wachsender Arabica-Kaffee aufgrund klimatischer Veränderungen innerhalb von 70 Jahren ausgestorben sein könnte (Davis et al., 2012).

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Die wiederentdeckte Wildkaffee-Art Coffea stenophylla.

Die wiederentdeckte Wildkaffee-Art Coffea stenophylla.

Bildquelle: © Aaron Davis / RBG Kew

Arabica-Kaffee ist eine tropische Pflanze, die aus dem Hochland Äthiopiens und des Südsudans stammt. Optimal wächst sie allerdings im mittleren Temperaturbereich von 18-22 Grad Celsius. Steigende Durchschnittstemperaturen setzen ihr daher zu und erschweren den kommerziellen Anbau. Zudem ist sie anfällig für Kaffeerost, eine Pilzkrankheit, die die Kaffeeplantagen in Mittel- und Südamerika stark bedrohen.

Coffee drinker's Darling

In den Jahren 2019/2020 dominierte Arabica-Kaffee den Weltmarkt mit einem Anteil von fast 60 Prozent, gefolgt von Robusta mit 43 Prozent. Während Arabica für den guten Geschmack beliebt ist, kann Robusta mit anderen Vorzügen punkten: Er kann bei höheren Temperaturen von ca. 24-26 °C angebaut werden und ist im Gegensatz zu Arabica resistent gegen bestimmte Rassen von Kaffeerostpilzen. Doch leider fehlt es ihm an Aroma, weshalb er am Weltmarkt deutlich geringere Preise erzielt. Der bitter schmeckende Robusta wird hauptsächlich für Instantkaffee verwendet. Als gute Alternative ist er daher nicht geeignet, wenn man Kaffeeliebhaber:innen fragt.

Suche nach der „vergessenen“ Wildkaffee-Art

Abhilfe könnte Coffea stenophylla schaffen. Die seltene Wildkaffeeart war einst in den westafrikanischen Ländern Guinea, Sierra Leone und der Elfenbeinküste weit verbreitet. Seit den 1920er Jahren wird die Pflanze jedoch nicht mehr kommerziell angebaut, womöglich wegen einer geringeren Ertragsleistung. Auch Wildbestände verschwanden schnell, seit 1954 gilt die Wildart als verschollen oder vielleicht gar ausgestorben. Welche ein Jammer, denn ihr wird ein unglaublich guter Geschmack nachgesagt und die Pflanze kann auch im tropischen Tiefland wachsen, wo Arabica nicht angebaut werden kann.

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Kaffeeverkostung im Namen der Forschung. Ziel war es, herauszufinden wie Coffea stenophylla im Vergleich zu anderen Kaffeearten schmeckt.

Kaffeeverkostung im Namen der Forschung. Ziel war es, herauszufinden wie Coffea stenophylla im Vergleich zu anderen Kaffeearten schmeckt.

Bildquelle: © RBG Kew

Daher reisten zwei britische Wissenschaftler im Dezember 2018 nach Sierra Leone, um mit Einheimischen nach ihr zu suchen. Mit Unterstützung der Welthungerhilfe und des Forstministeriums von Sierra Leone haben sie tatsächlich einige Exemplare dieser Pflanzenart wiederentdeckt und anschließend näher untersucht. Es zeigte sich, dass Coffea stenophylla tatsächlich unter ähnlichen klimatischen Bedingungen wie Robusta wächst, jedoch mit einem höheren mittleren Temperaturbedarf. Der liegt mit 24,9 °C um 1,9 °C bzw. um fast 7 °C höher als der von Robusta- und Arabica-Kaffee.

Doch wie schmeckt Coffea stenophylla?

Die Verkoster:innen in Blindtests bestätigten die hohe Qualität des Wildkaffees. Das Geschmackserlebnis sei mit dem von höherwertigem Arabica-Kaffee vergleichbar, so das Ergebnis. Coffea stenophylla weist der Studie zufolge ein komplexes Geschmacksprofil auf, mit natürlicher Süße, mittlerer bis hoher Säure, Fruchtigkeit und einem guten Körper (d. h. die Art und Weise, wie es sich im Mund anfühlt).

„Diese Ergebnisse liefern die erste glaubwürdige sensorische Bewertung für Stenophylla-Kaffee, anhand derer wir historische Berichte über einen überlegenen Geschmack bestätigen können“, sagt Delphine Mieulet, Wissenschaftlerin bei der französischen Forschungseinrichtung CIRAD, die die Verkostung leitete. Dies ist umso überraschender, da Stenophylla phylogenetisch nicht nah mit Arabica-Kaffee verwandt ist und die zwei Arten auch aus unterschiedlichen Regionen stammen.

Züchtung ist die beste Option

Nachdem Coffea stenophylla nicht nur geschmacklich überzeugt, sondern im Gegensatz zu Arabica-Kaffee auch höhere Temperaturen verträgt, könnte die Pflanze bald auch wieder kommerziell angebaut werden. Das würde auch verhindern, dass Kaffeeanbaugebiete klimabedingt verlagert oder die Plantagen anders bewirtschaftet, beispielsweise bewässert, werden müssen – beide Optionen hätten gravierende Auswirkungen auf Einkommen und soziale Strukturen in den derzeitigen Kaffeeanbauregionen. Auch für die Züchtung ist die wiederentdeckte Kaffeeart von großer Bedeutung: Sie ist eine wertvolle genetische Ressource für die Entwicklung klimaresilienterer Kaffee-Sorten.

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Kaffeebohnen sind eigentlich Samen. Man findet sie in den (hier schwarzen) Beeren, die an der Kaffeepflanze wachsen.

Kaffeebohnen sind eigentlich Samen. Man findet sie in den (hier schwarzen) Beeren, die an der Kaffeepflanze wachsen.

Bildquelle: © CRB Coffea, IRD-CIRAD

Ressource für angepasste Sorten

Um einen kommerziell akzeptablen Geschmack bei neuen Sorten zu gewährleisten, führen die Züchter stets eine Rückkreuzung mit Arabica-Pflanzen durch. Möchte man aber auf Hitze- und Trockenheitstoleranz züchten, können diese Rückkreuzungen den Züchtungsfortschritt zunichtemachen. Nun bietet sich Stenophylla als neuer Hybridpartner und für Rückkreuzungen an, heißt es in der Studie. Doch diese Pflanze hat möglicherweise noch einen weiteren Pluspunkt: Ihr wird eine Toleranz gegenüber Kaffeerost zugeschrieben. Wie stark diese ausgeprägt ist, müssen nachfolgende Untersuchungen noch zeigen.

Aaron Davis, Erstautor und Leiter der Kaffeeforschung bei den Royal Botanic Gardens (Kew), betont: „Dies ist eine einmalige wissenschaftliche Entdeckung – Stenophylla könnte die Zukunft von qualitativ hochwertigem Kaffee sichern.“

Bedrohter Schatz

Allerdings steht Coffea stenophylla noch auf der Roten Liste der bedrohten Arten und wird als „gefährdet“ eingestuft. Daher müssen jetzt schnell die bekannten Bestände gesichert werden, auch eine Einlagerung in Genbanken (ex situ) steht auf dem Plan. Parallel dazu will das Autorenteam das agronomische Potenzial der Pflanze weiter untersuchen. Dazu wollen sie bereits in diesem Jahr einen Versuchsanbau in Sierra Leone und Reunion Island (CIRAD) starten.


Quelle:
Davis, A.P. et al. (2021): Arabica-like flavour in a heat-tolerant wild coffee species. In: Nature Plants, (19. April 2021), doi: 10.1038/s41477-021-00891-4.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Coffea stenophylla in der freien Natur. (Bildquelle: © RBG Kew)