Alles Bio! Aber reicht das?
Sind Bioprodukte nur etwas für besserverdienende Gutmenschen, oder ist der Ökolandbau eine ernst zu nehmende Alternative, um die Welt zu ernähren? Ein globaler Vergleich zwischen Erträgen aus Öko- und konventionellem Landbau unterfüttert die Debatte mit neuen Daten. Demzufolge könnte der Beitrag der Biolandwirtschaft größer sein, als Kritiker glauben. Allerdings braucht es dazu optimale Bedingungen.
Die derzeitigen Anforderungen an die weltweite Landwirtschaft sind immens. Sie soll die rasant wachsende Weltbevölkerung satt machen, den Bedarf an Fleisch und anderen hochkalorischen Nahrungsmitteln decken und dabei möglichst Ressourcen- und umweltschonend sein.
Besonders in den Industrieländern machen sich immer mehr Menschen für den ökologischen Landbau stark. Mit der Zielsetzung, Schäden für Umwelt, Mensch und Tier auf ein Minimum zu reduzieren, sei dieser Ansatz im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft die nachhaltigere Lösung, so die Bio-Befürworter.
Kritiker bezweifeln jedoch, dass der Welthunger auf diese Weise in den Griff zu bekommen ist. Ökolandbau sei nicht effizient genug, da er mehr Fläche für die gleiche Ernte verbrauche. Die damit verbundenen Rodungen, um mehr Ackerfläche zu schaffen, führten zudem zu einer schlechteren „Umweltbilanz“, als der konventionelle Anbau. Zertifizierter Biolandbau ohne Mineraldünger und Agrarchemikalien sei zudem keine Alternative für Entwicklungsländer, deren Bauern mit knappem Arbeitskräftepotential und kargen Böden zu kämpfen haben.
Ökolandbau effizienter als gedacht
Eine umfassende Metastudie zeigt jedoch, dass es Kulturpflanzen gibt, deren Erträge auch im Bioanbau mit denen der konventionellen Landwirtschaft mithalten können. In ihrer Analyse werteten Wissenschaftler zahlreiche Studien aus, um die Erträge konventioneller und ökologische Landwirtschaft auf globaler Ebene zu vergleichen. Der Ertrag pro Fläche liegt im ökologischen Landbau demnach durchschnittlich ein Viertel unter dem konventioneller Landwirte. Bei optimaler Bewirtschaftung betrug die durchschnittliche Differenz 13 Prozent.
Die Abweichungen fallen jedoch je nach Feldfrucht unterschiedlich aus. So liegen die Erträge von Bio- und konventionell erzeugten Obstsorten, Hülsenfrüchten und Ölpflanzensorten, wie Raps, Soja und Mais eng beieinander. Größere Unterschiede fanden die Forscher dagegen bei Bio-Getreide und -Gemüse. Deren Ernterückstände gegenüber konventionell angebauten Pflanzen lagen je nach Sorte zwischen 26 und 33 Prozent.
Kunstdünger als Bottleneck des Ökolandbaus
Die unterschiedlichen Differenzen erklären die Wissenschaftler vor allem mit der unterschiedlichen Effizienz in der Nährstoffverwertung der Pflanzenarten. Im Ökolandbau wird auf eine Zufuhr mit leicht löslichen Mineralstoffen durch Düngemittel verzichtet. Stattdessen soll der Nährstoffbedarf der Pflanze durch natürliche, langsame Abbauprozesse von Pflanzenteilen und Bodenmaterial gedeckt werden. Demnach fehlt den Biopflanzen Phosphat und Stickstoff in Wachstumsphasen, in denen sich die Erträge am wirkungsvollsten steigern ließen, so lautet die Hypothese der Forscher.
Dies erkläre auch, warum besonders effiziente Stickstoffverwerter, wie die zu den Leguminosen zählenden Hülsenfrüchte, nur geringe Ertragsrückstände aufwiesen. Auch mehrjährige Pflanzen, wie beispielsweise Obstbäume, lieferten in der Biolandwirtschaft ähnlich hohe Erträge wie in der konventionellen. Durch ihre weitläufigen Wurzelsysteme, können Sie ihren Bedarf besser an eine langsamere Nährstoffversorgung über längere Zeiträume anpassen.
Am schlechtesten schnitten Biopflanzen auf extrem sauren und alkalischen Böden ab. In ihnen liegt Phosphor vorwiegend als unlösliches Phosphat vor, das von den Wurzeln schlechter aufgenommen wird. Kulturpflanzen, die durch zusätzliche Phosphatdünger versorgt werden, brachten auf diesen Böden bessere Ernten ein.
Das Beste aus beiden Schulen kombinieren
Statt die ideologisch-aufgeladene Debatte „Bio- versus konventionelle Landwirtschaft“, fortzusetzen, plädieren die Wissenschaftler für eine Landwirtschaft, die die Vorteile beider Landwirtschaftssysteme vereint. Die konventionelle Landwirtschaft könne beispielsweise von der Kulturpflanzenvielfalt und den umweltschonenderen Praktiken des Biolandbaus lernen, während sich die Erträge des Ökolandbaus durch den kontrollierten Einsatz von Kunstdüngern weiter steigern ließen. Damit diese „Hybrid-Bewirtschaftung“ optimal an die Ansprüche unterschiedlicher Pflanzen und Regionen angepasst werden kann, müssten jedoch zunächst Umweltbilanz und Erträge im Ökolandbau unter verschiedenen Bedingungen systematisch evaluiert werden.
Besonders in Entwicklungsländern seien laut der Forscher weitere Langzeitstudien notwendig, um zu beurteilen, ob Kleinbauern ihre Einkünfte durch zertifizierten Biolandlandbau nachhaltig stabilisieren könnten.
Quelle:
V. Seufert et al. (2012): Comparing the yields of organic and conventional agriculture. In: Nature. Online Publikation, April 2012,
DOI: 10.1038/nature11069.
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