Biokraftstoff 2.0

Pilz-Enzyme zersetzen Cellulose schneller

26.11.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bevor aus Biomasse Bioethanol hergestellt werden kann, muss diese mit Enzymen vorbehandelt werden (Quelle: © Uwe-Jens Kahl / pixelio.de).

Bevor aus Biomasse Bioethanol hergestellt werden kann, muss diese mit Enzymen vorbehandelt werden (Quelle: © Uwe-Jens Kahl / pixelio.de).

Enzyme aus Pilzen können die Produktion von Biokraftstoffen kostengünstiger machen. Die Pilz-Enzyme spalten Cellulose effizienter in Zucker auf als bisher eingesetzte Enzyme aus Bakterien. Wird zudem das Lignin aus der Biomasse entfernt, lässt sich diese noch besser verarbeiten.

Vielversprechende Energie: Biokraftstoffe der zweiten Generation können aus pflanzlichen Reststoffen wie Stroh, Holzresten, Biomüll oder auch aus ganzen Pflanzen hergestellt werden. Die Produktion von Cellulose-Ethanol ist bislang jedoch aufwendig und teuer. Weil Bestandteile der Pflanzenzellwände und Holzstoffe den Gärungsprozess stören, muss die Biomasse mit Enzymen vorbehandelt werden. Diese Enzyme helfen, die Cellulose in den pflanzlichen Zellwänden in Zucker aufzuspalten und machen den Zucker für die Bioethanolproduktion verfügbar.

Der Wirkungsgrad bisheriger Technologie ist noch gering. Das Lignin, das mit zunehmendem Wachstum in die pflanzliche Zellwände eingelagert wird und diese verholzen lässt, stört den Aufschluss der Cellulose mit Enzymen. Bisherige thermochemische Verfahren zur Entfernung von Lignin verursachen hohe Verluste an Cellulose, die zu Bioethanol vergärt werden soll. Forscher arbeiten daher daran, effiziente und ökonomisch sinnvolle Strategien zu entwickeln, mit denen das Lignin aus den Zellwänden entfernt oder verändert werden kann, ohne die Cellulose zu zerstören. Durch den Einsatz von Cellulasen erhoffen sich die Forscher, das Lignin für die Weiterverwertung sauber von den anderen Bestandteilen der Biomasse zu trennen. Dies ist ein wichtiger Teilschritt hin zur optimalen Nuzung von Biomasse im Rahmen einer Bioraffinerie.

Unter dem Mikroskop: Enzyme bei der Arbeit

Über die chemische und enzymatische Löslichkeit pflanzlicher Zellwände ist bislang wenig bekannt. Mit einer Kombination verschiedener Mikroskopie-Techniken haben Wissenschaftler die komplexen Zellwandstrukturen pflanzlicher Biomasse am Beispiel von getrockneten Maisstielen bis auf Nanometerebene untersucht und in Echtzeit beobachtet, wie Enzyme aus dem Bakterium Clostridium thermocellum und Enzyme aus dem Pilz Trichoderma reesei die pflanzlichen Zellwände zersetzen. Dafür markierten sie die oberflächennahe Cellulose mit einem grünen Markerprotein (GFP) und färbten die Cellulose-abbauenden Enzyme (Cellulasen) ein.

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Die Forscher untersuchten den Celluloseabbau mittels Enzymen in trockenen Maistängeln. Mais ist für die Forschung eine Modellpflanze der Einkeimblättrigen und erlaubt damit Rückschlüsse auf die Mechanismen in anderen einkeimblättrigen Pflanzenspezies.

Die Forscher untersuchten den Celluloseabbau mittels Enzymen in trockenen Maistängeln. Mais ist für die Forschung eine Modellpflanze der Einkeimblättrigen und erlaubt damit Rückschlüsse auf die Mechanismen in anderen einkeimblättrigen Pflanzenspezies.

Bildquelle: © Spedona / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Einfluss von Lignin auf den Celluloseabbau

Um zu untersuchen, wie genau Lignin die „Verdaulichkeit“ der Biomasse beeinflusst, behandelten die Forscher zunächst einige Zellwandproben mit organischen Säuren, um das Lignin zu entfernen. Für die Lignin-haltigen und Lignin-freien Proben verglichen sie, wie gut Cellulasen aus Pilzen und Bakterien verschiedene Zellwandbestandteile aufbrechen können.

Mehr Lignin und Kohlenhydrate in der Sekundärwand

Die Primäre Zellwand ist ca. 100nm dünn und enthält kein Lignin. Das Parenchymgewebe der Sekundären Zellwand (1-2µm) befindet sich zwischen den Leibündeln, mit zunehmendem Wachstum wird in dieses Gewebe Lignin eingelagert. Das Sklerenchymgewebe (5-10 µm) entsteht, wenn die sekundäre Zellwand durch die Einlagerung von Lignin vollständig verholzt. Der Blick durchs Mikroskop bestätigte: Im Sklerenchym war der Ligningehalt, aber auch der Kohlenhydratgehalt höher als im Parenchym. Die Sekundärwand enthielt generell mehr Kohlenhydrate als die Primärwand. 70 Prozent der Kohlenhydrate in der pflanzlichen Zellwand sind Cellulose. Ob diese für die Bioethanolproduktion genutzt werden kann, hängt davon ab, wie gut sie von den Enzymen zersetzt wird.

Lignin bremst die Enzyme aus

Die Forscher stellten fest, dass in den unbehandelten Proben die Abbaubarkeit der Zellwände stark mit dem Ligningehalt zusammenhing. So bauten die Pilz- und Bakterien-Enzyme die dünne Primärwand ohne Lignin schneller ab, als das Lignin-haltige Parenchym der Sekundärwand. Am schlechtesten „verdaulich“ war das Lignin-reiche Sklerenchym.

Pilz-Enzyme sind schneller

Die Pilz-Enzyme konnten die Zellwände fünfmal schneller aufbrechen als die Multi-Enzym-Komplexe aus den Bakterien. Selbst bei 100-facher Enzymzugabe und optimaler Temperatur gelang es beiden Enzymsystemen jedoch nicht, die Lignin-haltigen Zellwände vollständig zu zersetzen.

Unterschiedliche Strategien von Pilz- und Bakterien-Enzymen

Die Bakterien-Enzyme setzten sich an der Oberfläche der Zellwand oder an den Plasmodesmata, den Membranverbindungen zwischen den Zellen, fest, entfernten die Zellwände zunächst von der Mittellamelle und zerteilten sie dann in kleinere Stücke. Die Pilz-Enzyme zerlegten die Zellwände dagegen mit einer anderen Strategie: Sie banden nicht nur an der Oberfläche der Zellwand, sondern drangen auch tief in die Mikrofibrillen-Netzwerke der Sekundärwand ein und zersetzten diese zeitgleich von außen und innen. Deshalb sind Lignin-freie Zellwände für die Pilz-Enzyme einfacher „verdaulich“.

Enzyme binden an glatte Cellulose-Schichten

Pflanzliche Zellwände sind komplexe Nanoverbundstrukturen. In der Sekundärwand bildeten die Cellulose-Mikrofibrillen parallele dünne Schichten, die sich mit Lignin-Polysacchariden abwechselten. Nach der Behandlung mit Säurechlorid sind sie unter dem Mikroskop im Sklerenchym als poröse Oberflächen sichtbar. Beide Enzyme griffen bevorzugt glatte Zelluloseschichten an. Deshalb wurde die glatte Primärwand am schnellsten abgebaut. Die Oberfläche des Parenchym konnten die Enzyme leichter zersetzen als das Sklerenchym. Unter dem Mikroskop zeigte sich auch, dass die Abbaubarkeit der Celluloseschichten von der Porosität der Zellwand abhängig ist. Je poröser die Zellwand, desto tiefer konnten die Pilz-Enzyme in die Zellwandstruktur eindringen und diese so effizienter zerlegen.

Auf dem Weg zu konkurrenzfähigem Biomasse-Kraftstoff

Die Zersetzung mit Pilz-Cellulasen könnte ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu wettbewerbsfähigen Cellulose-Biokraftstoffen sein. Indem diese Enzyme die Zellwandstrukturen aufbrechen, helfen sie nicht nur die Cellulose in den Zellwänden in Zucker aufzuspalten. Sie erleichtern gleichzeitig, das störende Lignin vor dem eigentlichen Gärungsprozess zu entfernen, ohne dabei die wertvolle Cellulose zu zerstören.


Quelle:
Ding, S.-Y. et al. (2012): How Does Plant Cell Wall Nanoscale Architecture Correlate with Enzymatic Digestibility. In: Science 338, (23. November 2012), DOI: 10.1126/science.1227491.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Bevor aus Biomasse Bioethanol hergestellt werden kann, muss diese mit Enzymen vorbehandelt werden (Quelle: © Uwe-Jens Kahl / pixelio.de).