Maisstroh als Rohstoff nutzen

Das Projekt „CornWall“

29.09.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Nach der Maisernte: Pflanzenreste auf dem Feld. (Bildquelle: © Markus Distelrath / Pixabay)

Nach der Maisernte: Pflanzenreste auf dem Feld. (Bildquelle: © Markus Distelrath / Pixabay)

Nach der Ernte von Mais bleibt das Stroh meist auf den Feldern zurück. Es ist aber keineswegs wertloser Abfall und könnte als nachwachsender Rohstoff für die Herstellung von zahlreichen Grundchemikalien genutzt werden. Noch ist das aber nicht lukrativ genug. Das will das Projekt CornWall ändern.

Mais (Zea mays) ist bei weitem das meistproduzierte Getreide weltweit. Es wird meist als Futtermittel angebaut, stellt aber in vielen Ländern auch ein Grundnahrungsmittel dar. Seine Körner können direkt oder in verarbeiteter Form als Lebensmittel auf dem Teller landen. Alternativ lässt sich die in den Körnern enthaltene Stärke auch in das Süßungsmittel Maissirup, in Bioethanol oder Biokunststoffe verwandeln.

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Maisernte: Beim Körnermais werden nur die Maiskörner geerntet. Der Rest der Pflanze ist aber keineswegs Abfall. Er kann zur Herstellung zahlreicher Grundchemikalien genutzt werden.

Maisernte: Beim Körnermais werden nur die Maiskörner geerntet. Der Rest der Pflanze ist aber keineswegs Abfall. Er kann zur Herstellung zahlreicher Grundchemikalien genutzt werden.

Bildquelle: © AnRo0002 / wikimedia.org / CC0

Beim Körnermais werden nur die Maiskolben mit den Körnern geerntet, die restlichen Pflanzenteile spuckt die Erntemaschine einfach aus. Ein Teil davon verbleibt zum Aufbau von Humus auf dem Feld, aber der Rest der Biomasse könnte auch anderweitig genutzt werden. Denn die Erntereste enthalten große Mengen an Zellstoffvielfachzuckern (Polysaccharide). Die darin enthaltenen Zucker können mithilfe mikrobieller Fermentation in Grundchemikalien für die Industrie umgewandelt werden. Doch bisher sind die Verarbeitungskosten zu hoch und Landwirte pflügen das Stroh meist einfach unter die Erde.

Daher sucht das Forschungsteam des Projektes CornWall nach Maisvarianten, deren Stroh leichter für industrielle Zwecke verwertbar ist. Die Herausforderung: Die Maispflanzen sollen sich weder beim Ertrag (Körner) oder der Biomasse noch in ihren Anbaueigenschaften unterscheiden. Das wäre eine Win-Win-Win-Situation für Landwirtschaft, Industrie und für die Entwicklung einer umfassenden Bioökonomie.

Das Forschungsprojekt CornWall wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ gefördert. Die erste Projektphase lief von 2016 bis 2019. Im Jahr 2020 startete die zweite Projektphase, die noch bis 2023 läuft.

Die Projektpartner und Ziele

Wissenschaftliche Partner:

Industriepartner (ab der 2. Phase):

  • KWS
  • Corteva

Die Grundidee ist einfach: „Das Ziel ist eine Verwertung von Pflanzenbestandteilen als nachwachsende Rohstoffquelle, die ohnehin nicht als Nahrungsmittel geeignet sind“, sagt Projektkoordinator Professor Markus Pauly von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dadurch wird eine Konkurrenz von Lebensmittel- und Rohstoffproduktion vermieden – was angesichts einer steigenden Weltbevölkerung der richtige Ansatz ist.

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Steckbrief: „CornWall“


	Versuchspflanze: Mais
	Förderprogramm: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“, BMBF
	Laufzeit: Phase 1: 2016 - 2019; Phase 2: 2020 - 2023
	Projektpartner: HHU, FZJ, KWS, Corteva
	Eintrag in unserer Projektdatenbank:  CornWall

Steckbrief: „CornWall“

Die Trockenmasse des Maisstrohs (Stängel und Blätter) besteht größtenteils aus Lignocellulose, einem komplexen, sehr heterogenen Biopolymer aus den Polysacchariden Cellulose und Hemicellulose sowie Lignin. Diese Polymere stabilisieren als Zellwand wie ein Stützgerüst die Zellen und können auch Schädlinge und Kranheiterreger abwehren.

Das Problem: Die für die Industrie interessanten Zucker lassen sich nicht leicht aus dem Mischpolymer herauslösen. Das Team will daher jetzt Pflanzen finden, die einen höheren Verzuckerungsgrad aufweisen. Dieser Wert zeigt an, wie viel fermentierbarer Zucker aus der Trockensubstanz des Maisstrohs gewonnen werden kann.

Auch sollen die genetischen Grundlagen für diese Eigenschaft aufgedeckt werden. Man möchte daher die Gene finden, die den Verzuckerungsgrad signifikant erhöhen. Diese Daten sind die Voraussetzung dafür, dass zukünftig Maispflanzen mit der vorteilhaften Eigenschaft gezielt gezüchtet werden können und auch bei anderen Pflanzen Anwendung finden.

Das Vorgehen

Die richtigen Mutanten finden

Vielleicht gibt es schon Maislinien mit einem signifikant höheren oder niedrigeren Verzuckerungsgrad – das muss aber nicht sein. Daher wurde der Sache zunächst nachgeholfen: Mittels chemischer Mutagenese wurden von Sarah Hake an der University of California, Berkeley, bereits für ein anderes Projekt eine Vielzahl von Maismutanten erzeugt. Solche Mutanten stellen keine transgenen Pflanzen dar. Hier könnten Maispflanzen dabei sein, bei denen verantwortliche Gene für den Verzuckerungsgrad durch die zufälligen Mutationen ausgeschaltet sind. In Berkeley hatte Projektkoordinator Pauly von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zuvor gearbeitet und konnte diese Population aus über 10 000 Maispflanzen nun auch für das eigene Projekt einsetzen.

Neben dieser Population überprüft das Projektteam in der zweiten Phase auch zahlreiche europäische Mais-Landrassen und in Zukunft vielleicht auch noch Kreuzungslinien dieser Landrassen, um mögliche vorteilhafte Eigenschaften zu kombinieren.

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Roboter Walli zerkleinert und wiegt die getrockneten Blattproben im Labor ab. Dadurch kann die große Anzahl an Versuchspflanzen schneller bewältigt werden.

Roboter Walli zerkleinert und wiegt die getrockneten Blattproben im Labor ab. Dadurch kann die große Anzahl an Versuchspflanzen schneller bewältigt werden.

Bildquelle: © Markus Pauly

Zunächst wurden die Maispflanzen im Gewächshaus angezogen und Blattproben analysiert. Zellstoff- bzw. Cellulosegehalt, Ligningehalt und Verzuckerungsgrad aller Maispflanzen wurde mittels Photometrie und Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) bestimmt. Eine größere Aufgabe bei der Vielzahl an Versuchspflanzen. Daher übernimmt Roboter Walli (siehe Foto) die Aufgabe, die getrockneten Blattproben im Labor zu zerkleinern, abzuwiegen und so für die Analysen vorzubereiten.

Die Maispflanzen der ursprünglichen Population wurden in der ersten Phase des Projektes bereits vollständig untersucht. Interessante Kandidaten, deren Verzuckerungsgrad sich signifikant unterschied, wurden vom Düsseldorfer Institut für Quantitative Genetik und Genomik der Pflanze anschließend im Freiland angebaut. Ab der zweiten Phase des Projektes analysiert das Team dann auch die Landrassen. Finden sich darunter interessante Kandidaten werden sie auch von den industriellen Partnern auf dem Feld angepflanzt.

Bei den Anbauversuchen erhält das Forschungsteam Vergleichsdaten von unterschiedlichen Standorten und über mehrere Jahren. So kann ermittelt werden, ob Unterschiede im z. B. Verzuckerungsgrad allein von der Genetik einer Maispflanze abhängen oder ob auch Anbau- bzw. Umweltbedingungen dafür verantwortlich sein können. Auch zeigt sich dann, ob die spezifischen Eigenschaften der Maismutanten über mehrere Generationen stabil bleiben. Nur solche Pflanzen kommen dann in die engere Auswahl.

Genetische Grundlagen identifizieren

Professor Usadel vom Forschungszentrum Jülich sequenziert alle Versuchspflanzen mit signifikant erhöhtem oder erniedrigtem Verzuckerungsgrad. Dabei kann festgestellt werden, in welchen Genen eine Mutation entstanden ist. Darüber hinaus will das Team um Koordinator Pauly dann verstehen, welche Funktion diese Gene besitzen.

Und die Ergebnisse sind nicht nur für die Züchtung von Mais von Interesse. Findet das Team Gene, die den Verzuckerungsgrad stark beeinflussen, könnten homologe Gene auch in anderen wirtschaftlich relevanten Süßgräsern wie Weizen entsprechend modifiziert werden, entweder durch klassische Züchtung oder mit der Genschere CRISPR/Cas.

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Die Mutanten unterscheiden sich rein optisch nicht von den anderen Maispflanzen, aber im Verzuckerungsgrad.

Die Mutanten unterscheiden sich rein optisch nicht von den anderen Maispflanzen, aber im Verzuckerungsgrad.

Bildquelle: © Markus Pauly

Modellierung

Am Düsseldorfer Institut für Quantitative und Theoretische Biologie arbeitet Professor Ebenhöh zudem an einem Modell, mit dem man den Verzuckerungsgrad von Pflanzen vorhersagen kann. Als Grundlage dienen ihm die vorangegangenen Analysen: Er speist seinen Computeralgorithmus mit den chemischen Daten der Maispflanzen und dem gemessenen Verzuckerungsgrad. Das Modell wird parallel zu den Laboranalysen im Laufe des Projektes immer weiter optimiert. Klappt alles, kann damit für jede beliebige Maispflanze der Verzuckerungsgrad anhand des Zellstoffgehalts prognostiziert werden. Und der lässt sich auf dem Feld mittels tragbarem Infrarotgerät bei einer Blattmessung einfach ermitteln.

Die Ergebnisse

Bisher hat das Team vier Mutanten mit deutlich verändertem Verzuckerungsgrad gefunden: Cal-1 und Cal-6 mit erhöhtem Verzuckerungsgrad, Cal-2 und Cal-3 mit einem reduzierten Wert. Für Cal-1 wurde schon ein Patent (US 8,735,690 B2) in den USA erteilt. Diese Mutante hat einen um 35 Prozent höheren Verzuckerungsgrad als der Wildtyp. Auch die genetischen Hintergründe von Cal-1 wurden im Rahmen der ersten Phase des Projekts CornWall bereits vollständig aufgeklärt und publiziert (Kraemer et al., 2021).

„Cal“ steht als Abkürzung für „Candy Leaf“, die herausstechende Eigenschaft. Da der Name in der wissenschaftlichen Fachwelt bereits für eine andere Mutante vergeben war, musste ihn das Team für die Publikation im Fachmagazin „Plant Physiology“ in mlgh1 umändern.

„Die Pflanze haben wir bei unseren Untersuchungen gefunden, da sie 240 Prozent mehr des Hemicelluloseglucans Mixed-linkage Glucan (MLG) in der Biomasse aufwies“, erklärt Pauly. Das Glucan kommt nur in Gräsern vor. „Genau ein Nukleotid-Basenpaar von den 2,5 Milliarden Basenpaaren ist hier in jeder Maiszelle verändert und hat diesen signifikanten Effekt hervorgerufen“, ergänzt Pauly. Diese eine Punktmutation wurde identifiziert und zwar in einem Gen, welches für eine Hydrolase kodiert, die das MLG Glucan in der Pflanze abbaut.

Normalerweise wird das MLG Glucan tagsüber gebildet und nachts abgebaut. Die gefundene Mutation führt aber zu einer Inaktivierung der Hydrolase und verursacht so die Anreicherung des Glucans. Der höhere Glucangehalt hatte keine Auswirkungen auf Wuchs, Widerstandskraft gegen Pathogene und Körner- oder Biomasse-Ertrag der Maispflanze. Nun steht der Weg offen, diese spezifische Mutation auch in andere Maissorten und Getreidearten einzuführen und so den Glucangehalt zu erhöhen. Das Team um Pauly hat die Funktion des Genes für solche Anwendungen bereits patentieren lassen (Patent US 9,929,327 B2).


Publikation aus dem Projekt:

Kraemer, F.J. et al. (2021): A mixed-linkage (1,3;1,4)-β-D-glucan specific hydrolase mediates dark-triggered degradation of this plant cell wall polysaccharide. In: Plant Physiology, Volume 185, Issue 4, Pages 1559–1573, (April 2021), doi: 10.1093/plphys/kiab009.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Nach der Maisernte: Pflanzenreste auf dem Feld. (Bildquelle: © Markus Distelrath / Pixabay)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie I & II“, „Nutzpflanzen der Zukunft“, „Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)“ und „Bioökonomie International“. Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030