CRISPR/Cas wird auch unsere Nahrungspflanzen verändern

Wie gehen wir damit um?

04.02.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Unsere Kulturpflanzen sind das Ergebnis von Züchtung und Selektion - sie sind menschengemacht. Welchen Einfluss haben Technologien auf diese Prozesse? (Bildquelle: © iStock.com/susoy)

Unsere Kulturpflanzen sind das Ergebnis von Züchtung und Selektion - sie sind menschengemacht. Welchen Einfluss haben Technologien auf diese Prozesse? (Bildquelle: © iStock.com/susoy)

Mit CRISPR/Cas lassen sich Gene zielgerichtet verändern. Bisher werden die ethischen Grenzen dieser Technologie fast ausschließlich für medizinische Anwendungen diskutiert. Doch wie wollen wir in Zukunft mit CRISPR/Cas veränderten Nahrungspflanzen umgehen? Die öffentliche Diskussion blieb bisher weitgehend aus. Wissenschaftler haben nun eine Stellungnahme abgegeben.

Genom Editing, also das gezielte Umschreiben von Erbgut, hat das Potential viele unserer Lebensbereiche zu revolutionieren – vielleicht sogar die Spezies Mensch an sich. Das Genom eines Organismus zu verändern, ist nicht grundsätzlich neu. Gentechnische Methoden ermöglichen bereits seit mehreren Jahrzehnten den Eingriff in den Bauplan eines Lebewesens. Bisher waren diese Eingriffe allerdings mit allerlei unerwünschten Nebeneffekten behaftet: Die Verfahren waren langwierig und kostspielig und in den meisten Fällen nicht zielgerichtet genug. So konnte man bisher nur schwer vorhersagen, wo sich ein DNA-Stück ins Erbgut integrieren würde und welche Folgen diese Integration haben würde. Durch die bisher eingesetzten Integrationstechniken gab es zusätzliche Überbleibsel im Genom, welche bei gentechnisch veränderten Organismus toleriert werden mussten - für viele Menschen ein angstbehafteter Umstand. In der Folge lehnte ein Großteil der europäischen Bevölkerung gentechnisch modifizierte Organismen grundsätzlich ab und auch Wissenschaftler kamen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bei der Bewertung von Chancen und Risiken.

Schnell, präzise und kostengünstig

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Pflanzenforschung: Genome-Editing ist eine neue Methode, die in der Grundlagenforschung verwendet wird - beispielsweise an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana.

Pflanzenforschung: Genome-Editing ist eine neue Methode, die in der Grundlagenforschung verwendet wird - beispielsweise an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana.

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Die Genom Editierungstechnologie mittels CRISPR/Cas ist anders. Oft wird das System als „molekulares Präzisionsskalpell“ bezeichnet und das aus gutem Grund: Mit CRISPR/Cas lassen sich sehr gezielt bestimmte Stellen im Erbgut eines Lebewesens ansteuern und bearbeiten. Nach dem Arbeitsschritt bleiben keine unerwünschten Restbestände im Genom zurück wie bei konventionellen gentechnischen Verfahren. Pflanzen, deren Genom mit CRISPR/Cas verändert wurde, sind von konventionell gezüchteten Pflanzen auch auf molekularer Ebene nicht mehr unterscheidbar. Sie haben aber einen großen Vorteil gegenüber den herkömmlich gezüchteten Pflanzen: CRISPR/Cas verursacht nur einen Bruchteil des Zeitaufwandes und der Kosten, die bei der konventionellen Pflanzenzucht entstehen.

Weil das molekulare Präzisionswerkzeug rückstandsfrei und kostengünstig einsetzbar ist, wird es in vielen Gebieten der Molekulargenetik eingesetzt. Wer sich die innovative Anwendung für welchen Bereich patentieren lassen darf, ist nach wie vor strittig. Der chinesische Wissenschaftler Feng Zhang vom Broad Institute of MIT an Harvard erhielt im Jahr 2014 das erste Patent für das System zum Umbau von eukaryotischen Genomen. Es ist das erste Patent, das die Nutzung der Technologie an sich beinhaltete. Wenige weitere Patente beschränken sich auf bestimmte Anwendungen von CRISPR/Cas, beispielsweise zur Joghurt-Produktion oder der Behandlung von Chorea Huntington.

Diskussion um Designerbabys entbrannt

Gerade erst hat die weltweit erste staatliche Behörde in England das Modifizieren mithilfe von Gen-Scheren am Erbgut menschlicher Embryonen erlaubt. Ob das der Anfang eines Designerbabys ist, wird öffentlich kontrovers diskutiert. Im Bereich der Nutzpflanzen scheint die Thematik allerdings noch nicht richtig angekommen zu sein. Wie werden wir mit CRISPR/Cas veränderten Pflanzen in Zukunft umgehen? Dürfen sie auf unseren Tellern landen?

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CRISP/Cas 9: Lesen Sie mehr darüber, wie diese neue Technologie auf molekularer Ebene funktioniert: "Wie CRISPR/Cas funktioniert"

CRISP/Cas 9: Lesen Sie mehr darüber, wie diese neue Technologie auf molekularer Ebene funktioniert: "Wie CRISPR/Cas funktioniert"

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Juristisch nicht durchsetzbar

Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sind in Deutschland und weiten Teilen Europas für den Anbau nicht erlaubt. Lediglich importierte Pflanzen, die nicht für den direkten Verzehr bestimmt sind, dürfen genutzt werden. Zunächst war die EU bestrebt, auch CRISPR/Cas-veränderte Pflanzen grundsätzlich als gentechnisch veränderte Organismen einzustufen. Da die Anwendung der Methode jedoch im Nachhinein nicht nachweisbar ist, klafft ein juristisches Problem auf. Die Missachtung einer möglichen Deklarationspflicht derart veränderter Pflanzen wäre nicht nachvollziehbar und somit auch nicht strafbar.

Wissenschaftler beziehen Stellung

Lange hielt sich Deutschland auf offizieller Ebene aus den CRISPR/Cas-Diskussionen heraus. Erst im Jahr 2015 hat sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu in einer 36-seitigen Stellungnahme mit dem Titel „Chancen und Grenzen des Genom Editing“ öffentlich zu Wort gemeldet. Wissenschaftler aus China, den USA und Deutschland, unter ihnen Prof. Dr. Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, haben jetzt einen regulatorischen Rahmen für das Genom Editing bei Pflanzen vorgeschlagen. Nach dem deutschen Gentechnikgesetz werden die Organismen als gentechnisch verändert eingestuft, deren „genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist“.

Keine strengeren Regeln

Beim Genom Editing kann das Erbgut sehr präzise verändert werden. Oftmals wird nur eine einzige Base im Erbgut ersetzt oder gelöscht. Solche spontanen Mutationen passieren in der Natur permanent. Nachdem die Mutation oder deren technisches Pendant, dass Genom Editing stattgefunden haben, sind die Resultate nicht unterscheidbar. Dies liegt nicht an methodischen Unzulänglichkeiten, sondern daran, dass es tatsächlich keine physischen, chemischen oder biologischen Unterschiede gibt. Weigel sieht daher keinen Grund, Genom editierte Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen zu bewerten. Die Änderungen, die durch das Genom Editing erfolgt sind, sollten jedoch analysiert und dokumentiert werden, und es sollte sichergestellt werden, dass keine Reste von eventuell vorher eingeführter Fremd-DNA im Erbgut verbleiben, heißt es in der Stellungnahme der Forscher. Ansonsten sollten so veränderte Pflanzen keinen strengeren Regeln unterliegen als konventionell gezüchtete.

Regeln für den Umgang mit CRISPR/Cas Pflanzen

Die Wissenschaftler setzen sich bei der Entwicklung und Zulassung von Genom-editierten Pflanzen für folgendes Vorgehen ein:

  • Erstens sollte während der Entwicklungsphase das Risiko einer Ausbreitung im Freiland minimiert werden.
  • Zweitens sollten die entstandenen DNA-Veränderungen exakt dokumentiert werden.
  • Drittens sei zu beachten, dass bei vielen CRISPR/Cas Verfahren zuerst Fremd-DNA in die Zelle eingeschleust werden muss; trifft dies zu, soll belegt werden, dass diese Fremd-DNA in der zuzulassenden Sorte spurlos entfernt wurde. Wurde ein Gen durch das einer anderen Art ersetzt, sollte weiterhin angegeben werden, wie nahe die Arten verwandt sind. Sind die Arten nur entfernt verwandt, müsste im Einzelfall geprüft werden, ob weitergehende Untersuchungen nötig sind.
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Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sind in Deutschland und weiten Teilen Europas für den Anbau nicht erlaubt. Bisher ist es jedoch noch nicht geklärt, ob Organismen, die mittels neuer Methoden, wie CRISPR/Cas9, entwickelt wurden unter das Gentechnikgesetz fallen oder nicht.

Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sind in Deutschland und weiten Teilen Europas für den Anbau nicht erlaubt. Bisher ist es jedoch noch nicht geklärt, ob Organismen, die mittels neuer Methoden, wie CRISPR/Cas9, entwickelt wurden unter das Gentechnikgesetz fallen oder nicht.

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Bei der Zulassung neuer Sorten sollen diese Punkte genau festgehalten werden. Abgesehen davon sollten so erzeugte Pflanzen wie konventionelle Züchtungen behandelt werden.

Die Europäische Union hat noch keine abschließende Bewertung getroffen, aber in Deutschland und Schweden haben die zuständigen Behörden bestimmte Genom-editierte Sorten bereits den Produkten konventioneller Züchtung gleichgestellt. „Ein wichtiges Ziel der Züchtung ist, die Versorgung mit Agrarprodukten nachhaltiger zu machen. Die Genom Editierung kann zum Beispiel helfen, Pflanzen zu züchten, die sich auch ohne chemische Pestizide gegen Pilzbefall wehren können. Diese Möglichkeit sollten wir uns nicht vorenthalten“, so Weigel.

Zeit zu diskutieren

Weder die biologische noch die konventionelle Landwirtschaft werden in ihrem derzeitigen Entwicklungsstadien Lösungen bieten, um die wachsende Weltbevölkerung in Zukunft ernähren zu können. Auch der Klimawandel wird bestehende Produktionssysteme unter Druck stellen und neue Antworten verlangen. Mit ihrer Stellungnahme haben die Wissenschaftler aus den USA, China und Deutschland den Grundstein für eine sachliche Diskussion gelegt. Diese muss schleunigst und unter Beteiligung der gesamten Gesellschaft geführt werden. Denn CRISPR/Cas wird kommen, ob als kleiner Bruder der Gentechnik oder eigenständige, von der Bevölkerung akzeptierte Technologie, bleibt abzuwarten. Zu hoffen bleibt auch, dass eine international abgestimmte Reglung gefunden wird.


Quelle:

Huang, S. et al. (2016): A proposed regulatory framework for genome-edited crops. In: Nat Genet. 48(2):109-11, (27. Januar 2016), doi: 10.1038/ng.3484.

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Titelbild: Unsere Kulturpflanzen sind das Ergebnis von Züchtung und Selektion - sie sind menschengemacht. Welchen Einfluss haben Technologien auf diese Prozesse? (Bildquelle: © iStock.com/susoy)