„Da werden aus Forschungsfragen regelrechte Krimis“

Interview mit Daniel Krenzer

20.12.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Daniel Krenzer erforscht die genetische Vielfalt von Raps. Dabei gelingt es ihm, auch komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. (Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030)

Daniel Krenzer erforscht die genetische Vielfalt von Raps. Dabei gelingt es ihm, auch komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. (Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030)

Eigentlich wollte Daniel Krenzer nichts mehr mit der Landwirtschaft zu tun haben. Doch nun ist er Doktorand und brennt für seine Forschung über die Vielfalt von Raps.

Im Interview verrät er, wie es dazu kam, und was für ihn Knackpunkte in der Kommunikation von Wissenschaft sind – digital wie analog.

Pflanzenforschung.de: Herr Krenzer, Sie haben ursprünglich Digitale Medien studiert. Wie sind Sie in die Pflanzenforschung gelangt?

Daniel Krenzer: Meine Familie hat einen Milchviehbetrieb in der Rhön. Als Jugendlicher fand ich es immer ganz furchtbar und wollte mit Landwirtschaft nichts zu tun haben. Jedoch hat sich in der Oberstufe eine Begeisterung für Naturwissenschaften entwickelt. Ich hatte Biotechnik als Leistungskurs und das war, denke ich, die Keimzelle für meine spätere Laufbahn. Trotzdem wollte ich nach dem Abitur etwas anderes ausprobieren und habe Digitale Medien an der FH in Fulda angefangen zu studieren.

Über den Familienbetrieb bin ich schließlich an einen Nebenjob als Milchkontrolleur gekommen. Ich war auf vielen Höfen in der Region unterwegs und hatte viele tolle Gespräche mit den Landwirten. Das Ganze hatte mir so viel Spaß gemacht, dass ich schließlich beschloss, in Gießen mit Agrarwissenschaften anzufangen. Und mir ist sehr schnell klargeworden, wie sehr ich die Naturwissenschaften eigentlich vermisst habe.

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Raps ist eine wichtige Quelle für pflanzliches Öl und Protein. Die genetische Diversität der modernen Sorten ist jedoch gering.

Raps ist eine wichtige Quelle für pflanzliches Öl und Protein. Die genetische Diversität der modernen Sorten ist jedoch gering.

Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030

Mein ursprünglicher Plan war, mich auf Nutztierwissenschaften zu spezialisieren, aber ich hatte dann doch eher ein Händchen für die Pflanzenforschung. So bin ich schließlich im Master Nutzpflanzenwissenschaften gelandet und danach im BreedPatH Projekt.

Pflanzenforschung.de: Im BreedPatH Projekt arbeiten Sie an der Weiterentwicklung von Raps. Warum ist das wichtig?

Daniel Krenzer: Raps hat eine große Bedeutung als Öl- und Energiepflanze und bietet eine regionale Alternative als Proteinfutter in der Tierernährung. Wilder Raps eignet sich allerdings nicht als Lebensmittel oder Futterpflanze, da er viel Erucasäure und Glucosinolate enthält, die weder Mensch noch Tier schmecken. Moderne Rapssorten, die sogenannten Doppel-Null-Sorten, wurden so selektiert, dass sie diese Inhaltstoffe nicht oder kaum mehr enthalten.

Da heute nur die Doppel-Null-Sorten als Lebensmittel vermarktet werden, ist die genetische Diversität sehr eingeschränkt. So etwas nennt man einen genetischen Flaschenhals. Wir möchten nun durch geschicktes Kreuzen das genetische Potential der modernen Sorten besser ausschöpfen.

Pflanzenforschung.de: Dafür beschäftigen Sie sich mit Hybridzüchtung. Was bedeutet das und wo liegen die Herausforderungen?

Daniel Krenzer: Die moderne Pflanzenzucht arbeitet mit Hybriden, also den Nachkommen von zwei reinerbigen Inzuchtlinien. Hier wird ein Effekt ausgenutzt, der Heterosis heißt. Dahinter verbirgt sich, dass Hybride meist deutlich höhere Erträge liefern als ihre Eltern. Durch den Heterosiseffekt wird quasi mehr aus dem Genmaterial herausgeholt.

Man weiß allerdings auch, dass dieser Effekt am größten ist, wenn man möglichst genetisch unterschiedliche Elternlinien einsetzt – so kombinieren sich verschiedene positive Eigenschaften bei den Nachkommen. Ein Bilderbuch-Beispiel ist Mais. Hier wurde über Jahre Linienzüchtung in unterschiedliche Richtungen betrieben.

Die amerikanischen Dent-Maissorten wurden beispielsweise in warmen Regionen mit Kurztagbedingungen gezüchtet. Die europäischen Flint-Maissorten wiederum mussten an das kältere Klima, kürzere Vegetationszeiten und den Langtag angepasst werden. Dadurch kann man für die Hybridzüchtung im Mais auf genetisch diverse Genpools zurückgreifen. Sowas nennt man auch heterotische Gruppen oder Heterotic Pattern.

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Kreuzungen sind früher wie heute ein wichtiges Hilfsmittel in Forschung und Züchtung. Spezielle Tüten verhindern eine ungewollte Bestäubung.

Kreuzungen sind früher wie heute ein wichtiges Hilfsmittel in Forschung und Züchtung. Spezielle Tüten verhindern eine ungewollte Bestäubung.

Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030

Das fehlt beim Raps, auch aus dem Grund, dass Raps noch eine sehr junge Kulturpflanze ist und so noch nicht viel Zeit hatte, sich unterschiedlich zu entwickeln. Wir brauchen also auch bei Raps Heteroic Pattern.

Pflanzenforschung.de: Wie gehen Sie dabei vor und hatten Sie schon Erfolge?

Daniel Krenzer: Im BreedPatH Projekt haben wir Material aus zwei unterschiedlichen genetischen Gruppen von Raps-Elitelinien. Man kann für die Individuen in diesen Gen-Pools die genetische Distanz, also die Ähnlichkeit der einzelnen Linien zueinander, berechnen. Wenn man diese Daten weiter analysiert, erkennt man, dass diese Elternpools sich zu einem ordentlichen Anteil überlappen.

Wir haben in unserer Arbeitsgruppe mit diesen genetischen Distanzen Kreuzungskriterien entwickelt. Diese sollen dafür sorgen, dass die Nachkommen aus den Pools genetisch weiter auseinanderliegen und man so mit wenigen Kreuzungen zu einem Heterotic Pattern kommt.

In späteren Kreuzungen spielen noch Daten aus Ertragsvorhersagen von Testkreuzungsversuchen für die jeweiligen Elternpools eine Rolle. Nach aktuellem Stand ist die Poolaufteilung gelungen. Momentan warten wir noch auf einige Daten, um einige Analysen und Simulationen zu machen, aber bisher sieht es gut aus.

Pflanzenforschung.de: Sie selbst forschen an der Universität und kollaborieren mit einem Pflanzenzüchtungsunternehmen. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit?

Daniel Krenzer: Im universitären Umfeld, besonders während des Studiums, fühlt man sich schon manchmal wie im Elfenbeinturm. Mit einem Wirtschaftspartner zu arbeiten, liefert einem vor allem eine andere Sichtweise. Man bekommt Einblicke in die Prozesse von Pflanzenzüchtern. Das gibt ganz neue Motivationen und Ideen für die eigenen Forschung und neue Perspektiven für die eigene Karriere.

Aber auch in der praktischen Forschung bekommt man andere Möglichkeiten. In unserem Projekt hat uns die NPZ Innovation GmbH zum Beispiel wirklich große Markerdatensätze aus mehreren Jahren für unsere Analysen zur Verfügung gestellt. Die Arbeit mit echten Daten ist natürlich viel spannender und realistischer als ausschließlich mit simulierten Systemen zu arbeiten. Auch die Kommunikation war nie ein Problem. Für alle Fragen gab es immer ein offenes Ohr und schnelle Hilfe bei Fragen zu den Daten oder zu Abläufen, Prozessen und so weiter.

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Der spannende Kurzvortrag von Daniel Krenzer (4. v.l.) beim „Elevator Pitch“ auf der Jahrestagung 2019 wurde als einer der drei Besten ausgezeichnet.

Der spannende Kurzvortrag von Daniel Krenzer (4. v.l.) beim „Elevator Pitch“ auf der Jahrestagung 2019 wurde als einer der drei Besten ausgezeichnet.

Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030

Die langjährige Expertise, die ein Pflanzenzuchtunternehmen bei der Realisierung von Kreuzungen und der Pflanzenaufzucht hat, hat eine Universität in der Regel nicht. Es stellt sich sowas wie ein synergetischer Effekt ein, wenn diese unterschiedlichen Milieus aufeinandertreffen.

Pflanzenforschung.de: Auf der BMBF-Jahrestagung zur Pflanzenforschung haben Sie 2019 mit einem tollen Kurzvortrag den „Elevator Pitch“ gewonnen. Was macht eine gute Präsentation aus?

Daniel Krenzer: Ich finde besonders wichtig, dass ein Vortrag das Publikum abholt. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass das Publikum alles verstehen kann. Gerade bei Fachvorträgen, bei denen Teilnehmende aus sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Spektren dabei sind, kann man die Fachsprache schon ein wenig zurückzunehmen und Zusammenhänge und Grundlagen kurz und knackig erklären. Wenn ich merke, dass der Vortragende von seinem Thema überzeugt ist und dafür brennt, will ich natürlich auch gerne verstehen, warum. Fachfremde Vorträge sind oftmals besonders interessant, weil man hier seinen eigenen Horizont in ganz andere Richtungen erweitert.

Was sehr hilft: Mal den Vortrag in eine Story einbetten. Warum macht man die Forschung überhaupt? Welche Gedanken und Ideen stecken hinter den Analysen? Was kommt dabei raus? Das macht Hintergründe verständlicher. Viele Dokumentationen im Fernsehen arbeiten so. Da werden aus Forschungsfragen regelrechte Krimis.

Pflanzenforschung.de: Seit Anfang 2020 hat die Corona-Pandemie den wissenschaftlichen Austausch verändert. Viele Meetings und Vorträge finden nun digital statt. Was sind für Sie die Besonderheiten von Videokonferenzen? 

Daniel Krenzer: Ich stehe dieser Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge gegenüber. Die ganze Situation hat der Digitalisierung in der internen Wissenschaftskommunikation einen gehörigen Schub verpasst und alte Dogmen mindestens aufgeweicht, wenn nicht gar gebrochen.

Außerdem muss man die Ersparnis an Zeit, Geld und nicht zuletzt Emissionen sehen, die durch diese Art der Konferenzen entstehen. Die Qualität der Vorträge ist teils enorm gut, da man alles gut verstehen kann, in Chats jederzeit Fragen stellen kann und auch andere Optionen hat wie: „Ich zeig nochmal schnell was dazu“. Das ist allerdings nur gegeben, solange die Vortragenden auch über die passende Infrastruktur, also Hardware, stabiles Internet und über ausreichende Computerkenntnisse verfügen.

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Komplexe bioinformatische Auswertungen sind für Daniel Krenzer Alltag.

Komplexe bioinformatische Auswertungen sind für Daniel Krenzer Alltag.

Bildquelle: © Daniel Krenzer

Andererseits fehlt mir massiv der persönliche Austausch. Eine der absolut essenziellen Säulen einer jeden Konferenz ist kollegialer Austausch und Netzwerken. Für junge Forschende wie mich ist das wirklich wichtig. Auf meiner ersten Konferenz habe ich so viele Kollegen kennen und schätzen gelernt und mit jeder weiteren kamen mehr dazu. Diese persönlichen Kontakte sind Keimzelle neuer Ideen und Kooperationen in der Forschungslandschaft. Das kann eine virtuelle Konferenz nicht im selben Maße leisten.

Pflanzenforschung.de: Welche Auswirkungen hat die Pandemie noch auf Ihre Forschung und Ihren Arbeitsalltag?

Daniel Krenzer: Da ich ohnehin viel auf unseren Servern arbeite, hat sich während der Pandemie primär mein Arbeitsplatz mehr ins Homeoffice verlagert. Das hat vor allem meinen Hund gefreut, dass ich jetzt mehr zuhause bin. Zudem konnte ich mehr Zeit mit der Familie verbringen. Es hat allerdings wieder den Nachteil, dass das soziale Miteinander in der Arbeitsgruppe sich mehr auf gemeinsame Videokonferenzen, Chatgruppen und E-Mails verlagert hat. Man vermisst seine Kollegen auf Dauer schon ziemlich.

Was sich wirklich massiv verändert hat, ist die aktuelle Hochschullehre. Alle Module und Tutorien wurden von meinen Kollegen digitalisiert. Dadurch ist innerhalb kürzester Zeit eine solide digitale Lernplattform entstanden, bei der sich die Studierenden ihre Vorlesungszeiten z. B. durch Videos flexibel legen können.

Aber der persönliche Kontakt zu den Studierenden fehlt dadurch und das schlägt sich auch als Schwierigkeiten in der Forschungsarbeit nieder. Man weckt beispielsweise aktuell sehr schwer Interesse bei Bachelor- oder Masterstudierenden, ihre Abschlussarbeit bei uns zu schreiben, was in Projekten durchaus eine Hilfe sein kann. Die Studierenden können natürlich kaum einschätzen, ob wir als Arbeitsgruppe für sie in Frage kommen. Und auch für uns ist es schwer einzuschätzen; schließlich ist die Klausurleistung kein absolutes Kriterium für die Eignung als Mitglied im Team.

Pflanzenforschung.de: Neben Ihrer Promotion haben Sie an zahlreichen Angeboten der PLANT 2030 ACADEMY teilgenommen. Inwiefern bereichern die Aktivitäten Ihre Arbeit oder Sie persönlich?

Daniel Krenzer: Die Angebote der PLANT 2030 ACADEMY sind eine tolle Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen, sich neue Skills zu erarbeiten und um sich mit Leuten auszutauschen.

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Der Doktorand Daniel Krenzer (links) nutzt verschiedene Angebote der PLANT 2030 ACADEMY zur professionellen und persönlichen Weiterentwicklung; hier bei einem Workshop in der Wissenschaftsscheune in Köln.

Der Doktorand Daniel Krenzer (links) nutzt verschiedene Angebote der PLANT 2030 ACADEMY zur professionellen und persönlichen Weiterentwicklung; hier bei einem Workshop in der Wissenschaftsscheune in Köln.

Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030

Die Exkursionen liefern Einblicke in Themengebiete oder Institutionen, die man sonst wahrscheinlich nie bekommen hätte. Ich fand das immer sehr interessant und das hat mein Bild, was Pflanzenforschung überhaupt alles einschließt, ziemlich erweitert. Das Netzwerk aus den Leuten, die man während der Exkursionen trifft, ist auch ein besonders wertvoller Aspekt der Veranstaltungen.

Was man auch unterstreichen muss: Man kann selbst Vorschläge für Themen machen, zum Beispiel Probleme in der eigenen Arbeit als Topic vorschlagen. Lob hier an das Team der PLANT 2030 ACADEMY, das immer offen für neue Ideen und Vorschläge ist. So sind die Angebote immer nah an den Teilnehmenden.

Pflanzenforschung.de: Mit welchen Maßnahmen könnte die Politik Ihrer Meinung nach junge Forschende unterstützen?

Daniel Krenzer: Projekte wie die PLANT 2030 ACADEMY sind eine große Hilfe, um einen Start in die Karriere zu finden, insbesondere wenn es darum geht, verschiedene Arbeitsweisen oder Institutionen kennenzulernen.

Solche Angebote wären auch innerhalb der Universitäten eine tolle Sache. So könnte man auch den Austausch zwischen verwandten Fachbereichen intensivieren, um Fachbereiche und junge Forschende besser zu vernetzen.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!


Titelbild: Daniel Krenzer erforscht die genetische Vielfalt von Raps. Dabei gelingt es ihm, auch komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. (Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030)