Das Thermostat in der Schote

Höhere Temperaturen lassen Rapsschoten früher platzen

16.02.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Je höher die Temperatur, desto früher öffnen sich die Rapsschoten. (Bildquelle: © Clinton & Charles Robertson/Wikimedia.org/ CC BY 2.0)

Je höher die Temperatur, desto früher öffnen sich die Rapsschoten. (Bildquelle: © Clinton & Charles Robertson/Wikimedia.org/ CC BY 2.0)

15 bis 18 ölhaltige Samen enthält eine Rapsschote. Jede, die vor der Ernte platzt, ist ein Verlust für den Bauern. Pro Jahr gehen auf diese Weise schätzungsweise 15-20 % vom Ertrag verloren. Steigende Temperaturen verschärfen die Situation. Nun haben Forscher den Temperaturfühler im Genom entdeckt.

Sobald der Raps (Brassica napus) in voller Reife steht, die Samen schwarz und die Schoten braun sind, tickt die Uhr für die Landwirte. Platzt die Schote noch vor der Ernte, ist die wertvolle Fracht verloren. Jedes Jahr entstehen dadurch beträchtliche Vorernteverluste. Im Zuge des Klimawandels droht sogar eine Verschärfung, da steigende Temperaturen das frühzeitige Aufplatzen begünstigen. Warum dem so ist, war bislang noch nicht ganz klar. Nun wurde das fehlende Puzzleteil gefunden. Die neuen Erkenntnisse gelten wahrscheinlich nicht nur für den Raps, sondern gleich für die gesamten Familie der Kreuzblütler.

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Auch die Schoten von Arabidopsis öffnen sich schneller, je wärmer die Umgebungstemperatur ist. 5 °C machen dabei einen deutlichen Unterschied.

Auch die Schoten von Arabidopsis öffnen sich schneller, je wärmer die Umgebungstemperatur ist. 5 °C machen dabei einen deutlichen Unterschied.

Bildquelle: © BlueRidgeKitties/Flickr/CC BY-NC-SA 2.0

Ein Markenzeichen der Kreuzblütler

Dass es sich beim Schotenplatzen um einen hochkonservierten und weitverbreiteten Mechanismus handelt, überrascht bei näherem Hinschauen nicht. Schließlich ist der Moment der Samenfreisetzung entscheidend für den Reproduktionserfolg der Pflanze. Von Kreuzblütlern wie Arabdopsis thaliana und Raps weiß man, dass die Temperatur ausschlaggebend für den Zeitpunkt der Schotenöffnung ist.

Werden Arabidopsispflanzen, die vorher unter gleichen Bedingungen aufgezogen wurden, kurz vor der Blüte in Klimakammern mit 17 °C, 22 °C oder 27 °C verlegt, ist das Ergebnis eindeutig. Bei 27 °C öffnen sich die Schoten zuerst, bei 17 °C zum Schluss. Dieser einfache, aber aussagekräftige Versuch war Bestandteil der vorliegenden Studie.

Wer steuert die Steuerzentrale?

Auf genetischer Ebene ist es das Gen INDEHISCENT (IND), das den Startschuss erteilt. Es aktiviert mehrere Transkriptionsfaktoren, die wiederum andere Gene und Prozesse anregen. Diese lassen am Ende die Schote aufplatzen, u. a. indem die Schotenwand Lignin anreichert und verholzt. Unklar war bislang aber, wer das IND-Gen aktiviert. Hat ein weiteres Gen hier etwa seine Finger im Spiel?

Die Antwortet lautet nein. Verantwortlich ist eine temperaturabhängige Veränderung der Chromatin-Struktur, genau genommen des Histons H2A.Z. Histone sind hochkonservierte Proteine, die entlang der DNA die Nukleosomen bilden. Diese formen im übertragenen Sinn Spulen, um die sich die DNA mehrfach wickelt, wie ein Kabel um eine Kabeltrommel.

Thermostat im Genom

Bei kühleren Temperaturen ist die DNA so um das Nukleosom gewunden, dass das IND-Gen regelrecht abgeschirmt ist. Transkriptionsfaktoren können dann nicht an diesem Gen binden. Steigt die Temperatur, verändert sich die Struktur des H2A.Z-Histons. Das IND-Gen wird freigegeben. Jetzt können Transkriptionsfaktoren im Promotor-Bereich des Gens andocken und das Gen aktivieren. Dieser Effekt setzt bereits bei 22 °C ein. Mit jedem zusätzlichen Grad verstärkt sich die Expression.

Streng genommen ist es nicht das H2A.Z-Histon, das das IND-Gen aktiviert, sondern bestimmte Transkriptionsfaktoren. Aber das Histon ist bei niedrigeren Temperaturen der Ausschalter für das IND-Gen und damit das lange gesuchte „Thermostat“.

Die Wechselwirkung mit dem IND-Gen ist übrigens kein Einzelfall. 95 % der Arabidopsis-Gene werden durch das temperaturabhängige Verhalten des H2A.Z-Histons beeinflusst. Die Entdeckung des Mechanismus gilt nun als wichtiger Schritt, um Rapssorten zu entwickeln, deren Schoten auch bei höheren Temperaturen nicht reihenweise frühzeitig aufplatzen.


Quelle:
Li, X. et al. (2018): Temperature Modulates Tissue-Specifiation Program to Control Fruit Dehiscence in Brassicaceae. In: Molecular Plant, (12. Februar 2018), doi: 10.1016/j.molp.2018.01.003.

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