Der Trockenheit getrotzt
Höhere Trockentoleranz durch CRISPR/Cas
Forscher züchten mithilfe des „genome editing“-Verfahrens CRISPR/Cas eine Maissorte, die selbst bei anhaltender Trockenheit stabile Erträge liefert. Als zentrale Stellschraube dient dabei das ARGOS8-Gen und das entsprechende Protein. So gelingt ihnen mit nur einem Gen, wofür in der Vergangenheit noch mehrere nötig waren.
Am Ende sind Stefan Jansson und Gustaf Klarin sichtlich überrascht: „Entgegen meiner Erwartungen schmeckte das Gericht nicht schlecht. Vor allem der Weißkohl machte eine gute Figur.“ Wer denkt, die beiden seien zwei schwedische Köche, der irrt. Klarin ist preisgekrönter Wissenschaftsjournalist, Jansson Professor am Wissenschaftszentrum für Pflanzenforschung in Umea. Beide haben soeben live in einer Radiosendung das erste Mal überhaupt ein Gericht mit CRISPR/Cas-modifiziertem Gemüse zubereitet und verköstigt, das Jansson in seinem Garten zuvor gezüchtet hatte. Und das völlig legal.
Ende 2015 entschied das Schwedische Zentralamt für Landwirtschaft („Jordbruksverket“) nämlich, dass Pflanzen, die durch CRISPR/Cas modifiziert wurden, nicht unter das Gentechnikgesetz fallen würden und nach Belieben angebaut werden könnten, solange sie keine artfremde DNA enthielten. Im Prinzip könnte Jansson sein Gemüse auch in den USA anbauen, wo eine ähnliche Rechtsprechung gilt. Dort gelang es Forschern mit Unterstützung des Saatzuchtunternehmens DuPont Pioneer, mit CRISPR/Cas eine neue trockentolerante Maislinie zu züchten. Ihr Hektarertrag lag in Feldversuchen trotz Trockenstress rund 300 kg über dem der Kontrollgruppe.
Ein Protein als Dreh- und Angelpunkt
Angesichts der langfristig steigenden Nachfrage nach Mais (Zea mays) als Nahrungsmittel, Futtermittel und Basis für Biokraftstoffe sowie aufgrund des Klimawandels, steht das Thema Trockentoleranz bei Nutzpflanzen seit Langem auf dem Plan von Pflanzenforschern und -züchtern. Sie zu erhöhen, zählt zu einem ihrer Hauptziele.
Im aktuellen Fall stand ein Protein namens ARGOS8 als Dreh- und Angelpunkt im Zentrum. Was dieses tut und warum es so wichtig war, lässt sich am besten anhand des Pflanzenhormons Ethylen nachvollziehen, dessen süßlichen Duft wir von überreifen Äpfeln oder Bananen kennen. 2007 fanden Forscher heraus, dass das Hormon auch an der Trockenstressreaktion beteiligt ist.
Das Zusammenspiel von ARGOS8 und Ethylen
In den darauf folgenden Jahren beobachteten Forscher an transgenen Maispflanzen, bei denen die Aktivität des ARGOS8-Gens erhöht war und damit auch die Produktion von ARGOS8-Proteinen, dass sich dies deutlich auf die Trockentoleranz auswirkte, und zwar positiv.
Untersuchungen zeigten, dass die ARGOS8-Proteine die Sensibilität und Wahrnehmung der Zellen gegenüber Ethylen senkten und die Signalweiterleitung in das Zellinnere drosselten, indem sie an den Ethylenrezeptoren auf der Zellmembran andockten und diese punktuell veränderten. Kurz gesagt hinderten die ARGOS8-Proteine die Pflanze daran, auf Wassermangel zu reagieren wie sonst üblich, nämlich mit Einsparungen beim Wachstum.
Mit dem Wissen im Gepäck, hier auf eine elegante Möglichkeit gestoßen zu sein, Maiserträge unter Trockenstress zu erhöhen, machten sich die Forscher daran, eine Möglichkeit zu finden, die Stellschraube auch ohne Hilfe artfremder DNA zu justieren.
Über 400 Maissorten und kein einziger Treffer
Zunächst begannen die Forscher, innerhalb der vorhandenen genetischen Vielfalt nach Anknüpfungspunkten zu suchen. Mehr als 400 Maissorten unterzogen sie detaillierten genetischen Analysen, um eventuell den einen oder anderen Ausreißer ausfindig zu machen, bei dem die Aktivität des ARGOS8-Gens und die Zahl der ARGOS8-Proteine vielversprechend hoch waren. Ohne Erfolg.
Quer durch die Bank war die Genaktivität zu niedrig, als dass sich darauf hätte aufsatteln lassen. Hält man sich vor Augen, dass es für Pflanzen überlebenswichtig ist, rechtzeitig auf Wasserknappheit zu reagieren, ist dies, zumindest für Wildpflanzen, die ohne menschliche Fürsorge überleben müssen, nachvollziehbar.
Umweg über die Genregulation
Statt nun weiter nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen, sprich eine Maislinie mit einem besonders aktiven ARGOS8-Locus, entschieden sich die Forscher, die Aktivität des Gens eigenhändig zu erhöhen. Was hierfür nur noch fehlte, war der richtige Promotor. Hierzu muss man wissen, dass zu einem Gen mehr gehört, als nur der Bereich, der für das Protein kodiert, dem sogenannten Strukturgen.
Der Promotor ist in diesem Zusammenhang ein besonders wichtiger, da es sich um die Sequenz handelt, an die die genablesenden Enzyme andocken, um die Transkription einzuleiten. Es gibt verschiedene Promotorarten, die gemeinsam haben, dass sie einem oder mehreren Genen vorangestellt sind, sich aber darüber hinaus in ihrer Aktivität unterscheiden. So gibt es solche, die permanent aktiv sind, also für eine kontinuierliche Transkription sorgen, und andere, die nur unter bestimmten Bestimmungen zulassen, dass mRNA produziert wird.
GOS2 als neuer Taktgeber
Anders als zuvor blieb den Forschern diesmal eine lange Suche erspart. Ihre Wahl fiel auf den Promotor GOS2. Hierbei handelt es sich um einen weit verbreiteten Promotor, der außer im Maisgenom in vielen anderen Pflanzenarten zu finden ist, darüber hinaus bei den meisten Säugetieren und in Hefepilzen. Die evolutionär hoch konservierte Sequenz, die bereits 1992 im Reis (Oryza sativa) entdeckt wurde, wurde aufgrund ihrer Aktivität und Funktionalität bereits des Öfteren bei der Transformation von einkeimblättrigen Pflanzen (Monokotyledonen) genutzt, so auch bei Mais.
Präzision ist gefragt
Mithilfe von CRISPR/Cas gelang es den Forschern, den GOS2-Promotor präzise vor dem ARGOS8-Strukturgen, in der sogenannten Leader-Sequenz zu platzieren, einem untranslatierten Bereich am 5‘-Ende. Die Forscher testeten in diesem Zusammenhang gleich zwei Varianten aus. Im einen Fall („Promotor-Insertion“) fügten sie den GOS2-Promotor einfach zwischen dem ARGOS8-Strukturgen und seinem ursprünglichen Promotor ein, ohne diesen zu entfernen. Im anderen Fall („Promotor-Swap“) tauschten sie den alten Promotor gegen den neuen GOS2-Promotor aus.
Zwei Varianten – Ein Prinzip
Beides lief im Prinzip nach dem gleichen Schema ab. Zunächst programmierten die Forscher den bakteriellen RNA-Protein-Komplex so, dass es in der Lage war, die Zielsequenz zu erkennen und an sie anzudocken. Das für die Navigation und den Schnitt zuständige Cas9-Enzym stammte übrigens aus dem Bakterium Streptococcus pyogenes. Anschließend galt es, den CRISPR/Cas-Komplex mit den entsprechenden Reparaturanleitungen auszustatten. Schließlich ging es nicht nur darum, die Zielsequenz zu zerschneiden, sondern sie auch über einen größeren Bereich (zwischen 600 - 1200 Basenpaare) zu verändern.
Nachdem auch die hierfür benötigen Sequenzen mitsamt des GOS2-Promotors verstaut waren, fügten die Forscher noch ein paar weitere hinzu. Zum einen die Sequenz für ein Enzym namens Phosphomannose isomerase (PMI), das als Marker dienen sollte, um nach dem Transformationsversuch jene Individuen herauszufiltern, bei denen die Modifikation geglückt war. Zum anderen zwei proteincodierende Sequenzen (ODP2 und WUSCHEL), die den jungen Maisembryonen bei der Regeneration helfen sollten.
Im Visier der Helium-Gun
Denn um das gesamte Paket in die Zellen einzuschleusen, kamen die Forscher nicht umhin, physische Gewalt anzuwenden. Mit einer Helium-Pistole, die geladen war mit mikroskopisch kleinen Goldpartikeln, die als Träger (Vektoren) für die CRISPR/Cas-Komplexe dienten, nahmen sie die jungen Maisembryonen in der Gewebekultur unter Beschuss und beförderten die glitzernde Fracht mit einem Luftdruck von 29 Bar (425 Psi) ins Zellinnere.
Auch wenn die Transformation im Endeffekt nicht bei allen rund 1.000 Maisembryonen glückte, gewannen die Forscher dennoch eine Vielzahl von Maislinien, bei denen alles zu ihrer Zufriedenheit verlief. Wie gewünscht begannen diese, im Takt des GOS2-Promotors ARGOS8-Proteine zu produzieren, und das in allen Pflanzengewebe und -organen.
Der letzte Schritt bestand darin, die artfremden DNA-Fragmente, die beim Einschleusen des CRISPR/Cas-Komplexes zum Einsatz gekommen waren wieder auszukreuzen. Am Ende entschieden sich die Forscher für zwei Maislinien, die für die Züchtung von Hybriden letztlich in Frage kamen, welche sie in Feldversuchen an acht verschiedenen Orten einem Praxis- oder besser gesagt Härtestest unterzogen.
Überzeugende Ergebnisse auf dem Feld
Während die neuen Zöglinge unter normalen Bedingungen im Vergleich zur Kontrollgruppe keine Unterschiede in puncto Ertrag zeigten, änderte sich dies bei Trockenstress schlagartig. Hier stellte sich heraus, dass Erstere wie erhofft besser zurechtkamen und ihre Erträge weniger stark zurückgingen. Prozentual betrachtet lieferten sie rund 4 % Mehrertrag als die Kontrollgruppe, bezogen auf die Anbaufläche rund 313 Kilogramm mehr Ertrag pro Hektar.
Die Studie unterstreicht ein weiteres Mal das Potenzial der CRISPR/Cas-Technologie in Bezug auf die Pflanzenzüchtung. Nicht nur, weil es ohne sie vermutlich unmöglich geblieben wäre, das ARGOS8-Gen bzw. Protein zur Erhöhung der Trockentoleranz zu nutzen, sondern auch, weil nun im Grunde nur noch ein einziges Gen als Hebel genügte, wofür in der Vergangenheit noch eine Vielzahl von verschiedenen Genen nötig war. Dies sieht Joyc van Eck, Professorin am Boyce Thompson Institut ähnlich: „Allein die Tatsache, dass sie diese Herausforderung in Angriff nahmen, war bahnbrechend genug. Nun führten sie diese auch noch zum Erfolg.“
Darüber hinaus wird deutlich, dass die Editierung von Genomen mittels CRISPR/Cas sehr unterschiedlich eingesetzt werden kann. Genügt es manchmal nur einzelne Basenpaare im Genom zu variieren, kann das Enzymsystem auch eingesetzt werden, um längere DNA-Abschnitte zu übertragen oder neu zu arrangieren.
Quelle:
Shi, J. et al. (2016): ARGOS8 variants generated by CRISPR-Cas9 improve maize grain yield under field drought stress conditions. In: Plant Biotechnology Journal, (21. Juli 2016), doi.org/10.1111/pbi.12603.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- CRISPR/Cas wird auch unsere Nahrungspflanzen verändern
- Wie CRISPR/Cas funktioniert
- Was CRISPR/Cas leisten kann
Titelbild:In vielen Maisanbaugebieten ist Trockenheit ein Problem. Trockentolerante Sorten sind daher gefragt. (Bildquelle: © Gellinger/ pixabay/ CC0)