Der verschlungene Weg zum richtigen Blühzeitpunkt
„Blüh‘ wenn das Klima passt“
Manche Pflanzen blühen innerhalb einer Vegetationsperiode, andere erst nach einer Überwinterung. Der Grund dafür ist ein komplexes Zusammenspiel von Transkriptionsfaktoren und Promotoren. Eine einzige Mutation kann alles verändern. Das Wissen darüber ist wichtig, um Pflanzen besser an unterschiedliche Standorte anzupassen.
Viele Weizen- oder Gerstensorten brauchen vor der Blüte einen längeren Kältereiz, auch Vernalisation genannt. Landwirte sähen im Herbst die Samen aus, diese keimen und stellen dann aber ihr Wachstum ein um zu überwintern. Erst im nächsten Frühjahr blühen und fruchten sie. Botanisch spricht man von Winterannuellen. Auch bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana ist dieses Blühverhalten weit verbreitet.
Seltener kommt es vor, dass Arabidopsis schon im gleichen Sommer nach der Keimung Blüten und Früchte ausbildet. Die in Laboren weit verbreitete Akzession Col-0 gehört zu diesen Sommerannuellen. Verantwortlich für den Blühzeitpunkt ist ein Zusammenspiel aus dem Blüh-Repressorgen Flowering Locus C (FLC) und seinem Aktivator der Transkription FRIGIDA (FRI).
Zusammenspiel aus SNP und Temperatur
Ein Team aus Wissenschaftlern unter Federführung von Professor Dame Caroline Dean vom John Innes Centre hat nun weitere Details über die Regulation des Blütezeitpunkts herausgefunden. Sie konnte zeigen, dass eine einzelne Mutation, auch SNP genannt, im Promoter des Gens Flowering Locus C (FLC) dafür verantwortlich ist.
Die allermeisten Arabidopsis-Akzessionen haben an Position -230, also 230 Basen vor dem Start des codierenden Bereichs des Gens, die Base Guanin (G). In diesem Fall wird viel FLC hergestellt und dadurch die Ausbildung der Blüte unterdrückt. Kalte Temperaturen verstärken diesen Effekt noch. Die Pflanzen gehen daher im Herbst in einen Ruhezustand und überwintern. Befindet sich an Position -230 jedoch stattdessen die Base Adenin, dann wird deutlich weniger FLC gebildet. Arabidopsis-Pflanzen mit diesem SNP blühen und fruchten noch im gleichen Jahr.
Anpassung an jede Klimazone möglich
Vermittelt wird dies durch eine unterschiedlich starke Nutzung von Transkriptions-Start-Stellen (TSS). Häufig gibt es in Organismen nicht nur eine solche Startstelle, sondern gleich mehrere. Je nachdem, welche Startstelle bei der Proteinsynthese vorrangig zum Einsatz kommt wird, entstehen unterschiedliche Level von funktionalen Proteinen - denn manche Startstellen führen nur zur Produktion von verkürzten oder anderweitig nicht-funktionsfähigen Proteinen. In diesem Fall verstärkt ein G an Position -230 die Nutzung der mittleren Startstelle mTSS, was zu einer höheren Produktion von funktionalem FLC führt.
Auch der SNP an Position +259 beeinflusst die Nutzung der Startstellen und damit den Blühzeitpunkt. Befindet sich dort ebenfalls die Base Guanin, so wird die Produktion von FLC noch weiter gesteigert und die Blüte stärker verzögert.
„Da sich die Umweltbedingungen schnell verändern und der Herbst in unterschiedlichen Höhenlagen kürzer oder länger ausfällt, ermöglicht das Zusammenspiel von SNP -230 und +259 sowie der Temperatur-abhängige Transkriptionsfaktor FRI den Pflanzen, flexibel auf ihre Umwelt zu reagieren“, schreiben die Autoren in ihrer Studie. Diese Erkenntnisse könnten ein Schlüssel sein, Pflanzen besser an den Klimawandel anzupassen.
Quelle:
Zhu et al., Causal role of a promoter polymorphism in natural variation of the Arabidopsis floral repressor gene FLC, Current Biology (2023), https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.08.079
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
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Titelbild: Wintergetreide blühen erst nach einer längeren Kälteperiode, auch Vernalisation genannt. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse dazu, wie dieser Vorgang molekularbiologisch gesteuert wird. (Bildquelle: © jacqueline macou / Pixabay)