Doppelhaploid-Züchtung

Projekt INPUT: Erfolgversprechende Mikrosporen für die Gewebekultur erkennen

30.12.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Im Projekt INPUT wurde ein Verfahren optimiert, um doppelhaploiden Weizen mittels Gewebekultur zu züchten. (Bildquelle: © Hans / Pixabay; Pixabay Content License)

Im Projekt INPUT wurde ein Verfahren optimiert, um doppelhaploiden Weizen mittels Gewebekultur zu züchten. (Bildquelle: © Hans / Pixabay; Pixabay Content License)

Gewebekulturen liefern reinerbige Pflanzen für die Züchtung. Doch der schwankende Erfolg der Methode erschwert eine stabile Produktion. Ein optischer Schnelltest an den Mikrosporen soll das künftig ändern.

Vielfalt ist in der Natur wichtig, aber auf dem Acker nicht immer erwünscht: Je uniformer sich Getreidepflanzen auf einem Feld verhalten, desto besser ist das für die Landwirtschaft. Eine einheitliche Wuchshöhe erleichtert die Feldarbeit, einheitliche Resistenzen gegen Krankheiten verhindern Ertragsausfälle. Kurzum: Die ideale Feldfrucht ist reinerbig. Das lässt sich erreichen, indem man über vier oder fünf Generationen die Pflanzen mit sich selbst oder mit eng verwandten Linien immer wieder kreuzt – oder in wesentlich kürzerer Zeit mittels Doppelhaploiden und Gewebekultur-Technologie.

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Produktion von doppelhaploidem Weizen mittels Zellkultur und Mikrosporen.

Produktion von doppelhaploidem Weizen mittels Zellkultur und Mikrosporen.

Bildquelle: © Saaten-Union Biotec GmbH

Der unreife Pollen – die Mikrospore – enthält immer nur den halben Chromosomensatz. Mithilfe von Chemikalien lässt sich dann induzieren, dass die Mikrospore ihr Genom aufdoppelt und so reinerbig auf einen diploiden Satz vervollständigt. Die Methode ist anspruchsvoll und funktioniert nicht bei allen Kulturarten. Neben der Aufdopplung muss auch die Regeneration der Pflanze aus der Mikrospore funktionieren. Dabei wird die Mikrospore in ihrer Entwicklung umprogrammiert – statt zum Pollen entwickelt sie sich zu einem Embryo.

Qualitätstest statt nach Wochen schon im Vorfeld

Bei Weizen ist es gelungen, dieses Verfahren in die kommerzielle Saatgutproduktion zu integrieren. „Allerdings hängt die Effizienz stark vom genetischen Hintergrund der Kreuzung ab“, erläutert Jon Falk, Geschäftsführer der Saaten-Union Biotec GmbH. Gemeinsam mit dem Institut für Pflanzenzüchtung und Kulturpflanzenforschung (IPK) hat sein Unternehmen daher im Projekt INPUT nach Wegen gesucht, schon den Mikrosporen anzusehen, ob die Methode erfolgreich verlaufen wird. „Normalerweise kann man das erst nach drei bis vier Wochen sagen“, erklärt Falk. Doch bis dahin sind die Spenderpflanzen abgeblüht und liefern keine Mikrosporen mehr. Dadurch ist es unmöglich, die Produktionsmengen mithilfe der geeigneten Spenderpflanzen noch auszugleichen. „Wir können die Produktion nur stabilisieren, wenn wir früher wissen, ob die Methode funktioniert.“

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Induktion der Embryogenese bei Weizen-Mikrosporen in Zellkultur.

Induktion der Embryogenese bei Weizen-Mikrosporen in Zellkultur.

Bildquelle: © Saaten-Union Biotec GmbH

In einem früheren Forschungsprojekt hatte das Team herausgefunden, dass sich am individuellen Metabolitenprofil der Mikrosporen vorhersagen lässt, ob sie für die Regeneration  gut geeignet ist. „Wir wussten: Bestimmte Metabolite müssen vorhanden sein, dann funktioniert das“, erinnert sich Falk. INPUT verfolgte daher das Ziel, einen Schnelltest für diese Metabolite zu entwickeln.

Die entsprechende Analyse dazu ist grundsätzlich nichts Besonderes: Mithilfe eines Lösungsmittels werden aus der Mikrospore die Metaboliten extrahiert, über eine HPLC-Säule aufgetrennt und spektroskopisch analysiert. Anschließend müsste man nur noch die Korrelationen zwischen Metabolitenprofil und Effizienz der Gewebekultur identifizieren – so dachten die Forscher:innen.

Nicht nur Genotypen, auch die Umwelt sind entscheidend

Relativ schnell zeigten jedoch die Versuchsreihen selbst mit optimiertem Versuchsprotokoll eine Auffälligkeit: Im Jahresverlauf gab es starke Schwankungen, wie gut die Vorhersage funktionierte. Weniger Licht im Gewächshaus der Spenderpflanzen oder leichte Temperaturunterschiede führten zu Qualitätsschwankungen in ähnlicher Größe, wie die Forscher:innen sie aufgrund der unterschiedlichen Genotypen beobachtet hatten. Dadurch war der geplante Schnelltest erst einmal nicht die Lösung, um die Produktion von doppelhaploiden Pflanzen zu stabilisieren.

Das Team gab jedoch nicht auf, sondern richtete das Projekt neu aus. „In den letzten Jahren sind viele neue Bildanalysesysteme entstanden“, erläutert der Projektleiter, „und selbstlernende, also KI-basierte Programme können das Bildmaterial in besonderer Genauigkeit analysieren.“ Die neue Idee war daher, Fotos von Mikrosporen wie bei einer Gesichtserkennung von einer KI klassifizieren zu lassen – sie sollte lernen, welche charakteristischen optischen Muster Mikrosporen haben, die sich für die Doppelhaploiden-Technik besonders gut eigenen.

Projektpartner

Digitaler Schnelltest funktioniert - und hat weitere Vorteile

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Bestimmung der vitalen Mikrosporen nach der Umprogrammierung zum Embryo

Bestimmung der vitalen Mikrosporen nach der Umprogrammierung zum Embryo

Bildquelle: © Saaten-Union Biotec GmbH

Das hat funktioniert: Digitale Mikroskope fotografieren nun die Mikrosporen, die in 96-Lochplatten zügig unter dem Mikroskop durchgeschleust werden und eine KI analysiert die Bilder. „Wir hatten bald gute Ergebnisse“, freut sich Falk. Doch nicht nur das: Während der Metabolitentest immer nur ein Durchschnittsprofil der  Mikrosporen einer Population chemisch auswertete, kann das optische Verfahren in kurzer Zeit Tausende davon auswerten und Verteilungsanalysen erstellen. Denn in einer Population sind nicht alle Mikrosporen gleich. „Es könnte ja sein, dass ein paar schlechte Mikrosporen absterben und Toxine bilden, die die Population beeinträchtigen. Bei 5 Prozent schlechten Mikrosporen wäre das vielleicht noch tolerabel, nicht mehr jedoch bei 10 Prozent.“ Solche Zusammenhänge sind bei einem einzelnen Messwert nicht zu erkennen und man würde mit letztlich doch einer Vielzahl ungeeigneter Mikrosporen weiterarbeiten.

Ein angenehmer Nebeneffekt der Neuausrichtung des Projekts war zudem ökonomischer Natur: Nasschemische Analysen wie der Metabolitentest kosten mehrere Euro pro Stück. Optische Methoden sind erheblich günstiger. Außerdem dauert ein nasschemischer Test etwa 10 bis 20 Minuten je Probe. Optisch ist die Analyse in weniger als einer Minute erledigt. „Dadurch können wir die Effekte unterschiedlicher Behandlungen schneller auswerten, Versuche abbrechen und neue Varianten probieren“, erläutert Falk.

Besseres Verständnis der Gewebekultur-Methode

Der optische Ansatz hilft den Forscher:innen auch dazuzulernen. Wenn etwa der optische Test besagt, dass eine Mikrosporenpräparation nicht optimal aussieht, können anschließende Metabolitanalysen vielleicht die Ursache finden. Dabei ist es zwar eine Blackbox, an welchen Mustern die KI ihre Entscheidung festmacht. „Aber wir sehen uns die unterschiedlich klassifizierten Bilder an und versuchen selbst, Muster zu erkennen“, erklärt Falk. Dann arbeitet das Team daran zu verstehen, was in den Mikrosporen passiert, das zu dieser Optik führt. „Wir lernen jetzt Schritt für Schritt, was es ausmacht, ob eine Mikrospore gewebekulturtauglich ist oder nicht“, sagt der Projektleiter. So wird auch klarer, welche Gene und Enzyme dafür verantwortlich sind.

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Steckbrief: „Input“


	Versuchspflanze: Weizen
	Förderprogramm: „KMU-innovativ“, BMBF
	Laufzeit: Phase : 05.2019 - 04.2023
	Projektkoordination: Dr. Jon Falk, Saaten-Union Biotec GmbH
	Eintrag in unserer Projektdatenbank: INPUT

Steckbrief: „Input“

  • Versuchspflanze: Weizen
  • Förderprogramm: „KMU-innovativ“, BMBF
  • Laufzeit: Phase : 05.2019 - 04.2023
  • Projektkoordination: Dr. Jon Falk, Saaten-Union Biotec GmbH
  • Eintrag in unserer Projektdatenbank: INPUT

Wesentlich scheinen Probleme bei der Gewebekultur damit zusammenzuhängen, dass Mikrosporen im Zellkern, aber auch in den Plastiden Genome besitzen. „Es sieht so aus, dass bei der Umprogrammierung die Koordination nicht so gut funktioniert und nicht alle Genome gleichermaßen umgeschaltet werden“, erklärt Falk. Dadurch ist die Regulation der jeweiligen Genome nicht mehr richtig aufeinander abgestimmt und es entstehen nur weiße Albino-Pflanzen, die nicht lebensfähig sind.

Weshalb die Koordination der Genome so anspruchsvoll und wichtig ist, kann man sich am Beispiel des Enzyms Rubisco verdeutlichen: Es wird aus zwei Untereinheiten zusammengesetzt, von denen eine im Zellkern entsteht, die andere im Chloroplasten. Weil die Zelle nur einen Zellkern, aber Dutzende Chloroplasten besitzt, muss die Produktion der Untereinheiten gut koordiniert sein, damit beide im Verhältnis 1:1 vorliegen. Entfiele diese Regulation, würde es in der Zelle von überschüssigen Kopien der in den Chloroplasten kodierten Untereinheit wimmeln.

Praxisreife für 2024 erwartet

Neben einem besseren Verständnis, worin die Herausforderungen der Doppelhaploid-Züchtung liegen, hat das Projekt somit wie geplant einen funktionierenden Schnelltest hervorgebracht – wenn auch anders als geplant. „Wir konnten in der Kürze der Restlaufzeit des Projekts zeigen, dass der optische Schnelltest funktioniert“, resümiert Falk und hofft: „Im Laufe des nächsten Jahres haben wir den Algorithmus so weit trainiert, dass er standardisierte Aussagen machen kann.“


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Titelbild: Im Projekt INPUT wurde ein Verfahren optimiert, um doppelhaploiden Weizen mittels Gewebekultur zu züchten. (Bildquelle: © Hans / Pixabay; Pixabay Content License)