Düstere Aussichten für das 21. Jahrhundert
Klimawandel bedroht Anbaupotenzial in Subsahara-Afrika
Forscher haben einen Blick in die Zukunft gewagt und am Computer verschiedene Klimaszenarien simuliert. Die Gegenüberstellung von den zu erwartenden Klimabedingungen und den Anforderungen relevanter Nutzpflanzen zeigt: Bis zum Ende des Jahrhunderts muss mit einem teils dramatischen Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche gerechnet werden. Höchste Zeit also zum Reagieren, auch wenn dies tiefgreifende Veränderungen bedeutet.
Es ist noch nicht lange her, da sahen Experten in Afrika einen hoffungslosen Fall, einen Kontinent ohne Zukunft. Heute, keine zwei Jahrzehnte später, hat sich das Blatt gewendet. Unternehmer und Investoren kürten den Kontinent zum „Neuen China“. Es ist die Rede von Aufwind, Aufstieg und dauerhaftem Aufschwung. Ein kritischer Blick zeigt jedoch, dass der Kontinent in Wahrheit vor gewaltigen Herausforderung steht, die mehr Zeit zur Bewältigung benötigen werden, als der plötzliche Sinneswandel nach der Jahrtausendwende. Dies zeigt eine aktuelle Studie am Beispiel der Landwirtschaft, die in einem internationalen Forschungsprojekts mit Beteiligung aus Deutschland entstanden ist.
Ernährungssicherung im 21. Jahrhundert
Es geht hierbei um nicht weniger als die Grundversorgung mit Nahrung, die wegen des Klimawandels ins Wanken geraten könnte. Betroffen sei vor allem Subsahara-Afrika erklärt Ulrike Rippke von der Universität Bonn: „Dieses Gebiet hat heute schon mit schwierigen Klimabedingungen zu kämpfen, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. In Zukunft wird sich das Problem verschärfen, weil die Auswirkungen des Klimawandels den Anbau vieler Nutzpflanzen erschweren.“
Rippke und ihre Kollegen haben untersucht, wie sich die Anbaubedingungen für die wichtigsten Nutzpflanzen – gemessen an der Gesamternte und der Bedeutung für die Nahrungsversorgung – im 21. Jahrhundert verändern werden. Ziel war es, Ableitungen zu treffen, wie die Landwirtschaft auch in Zukunft zur Ernährungsversorgung beitragen kann.
Tiefgreifende Veränderungen
Ohne tiefgreifende Veränderungen werde dies nicht überall möglich sein, erklärt Rippkes Kollege Prof. Dr. Bernd Diekkrüger: „Die Landwirtschaft in Teilen von Subsahara-Afrika muss sich auf grundlegende Veränderungen vorbereiten, um weiterhin wichtige Grundnahrungsmittel produzieren zu können.“ In Ausnahmefällen bleibe sogar nur eine Option. Der komplette Ausstieg, wie er sagt: „Für diese Areale gilt es, Alternativen zu entwickeln, um der Bevölkerung ein Auskommen zu ermöglichen – zum Beispiel durch die Entwicklung touristischer Potenziale.“ Doch wie sieht das Bild mit Blick auf die insgesamt neun untersuchten Nutzpflanzenarten aus?
Bei sechs von ihnen sind die Prognosen sogar überwiegend positiv: Während rund 15 % der heutigen Anbaufläche bis zum Jahr 2100 sukzessive weggefallen werden, wird der übrige Großteil weiterhin für den Anbau geeignet bleiben. Dies gilt für die beiden Wurzelgemüsearten Maniok (Manihot esculenta) und Yam (Dioscorea), Erdnüsse (Arachis hypogaea) sowie Fingerhirse (Eleusine coracana), Perlhirse (Pennisetum glaucum) und Sorghum (Sorghum).
Probleme sehen die Forscher hingegen bei Bananen (Musa), Mais (Zea mays) und Bohnen. Letztere werden am stärksten betroffen sein. Hier sehen die Forscher die Anbaubedingungen auf über 60 % der heutigen Anbaufläche am Ende des 21. Jahrhunderts nicht mehr gegeben. Etwa 40 % der heutigen Produktion werden dann in Gefahr sein. Besonders betroffen sein werden Angola und die Demokratische Republik Kongo.
Anlass zur Sorge
Koautor Julian Ramirez-Villegas ist besorgt: „Aufgrund ihres hohen Proteingehalts werden Bohnen das „Fleisch der Armen“ genannt. Auch wenn exakte Zahlen und Daten fehlen, ist absehbar, dass dies zu einem Anstieg von Mangel- und Unterernährung führen wird.“
Kritisch sieht die Lage wie erwähnt auch bei Bananen und Mais aus. Hier sagen die Forscher einen Rückgang um 30 % voraus, wobei sich die Situation bei Mais im Vergleich zu allen anderen Nutzpflanzen als erstes zuspitzen werde. Vermutlich schon im Jahr 2050. In den meisten Fällen aber werde sich der Flächenverlust erst zum Jahrhundertende verschärfen. Es bestehe daher das Risiko, dass der Ernst der Lage unterschätzt wird.
Kein Präzedenzfall der Geschichte
So ernst diese auch ist, sehen die Forscher in der Geschichte der Maiskultivierung zugleich Grund zur Hoffnung. Denn vor noch nicht viel mehr als einem Jahrhundert war nicht Mais, sondern waren Hirse und Sorghum die dominierenden Kultursorten. Zahlen der FAO, die seit 1961 kontinuierlich erhoben werden, belegen dies: Während die gesamtafrikanische Maisproduktion im Laufe des 20. Jahrhunderts kontinuierlich und in großen Schritten angestiegen ist (von 1961 bis 2013 um ca. 380 %), blieben Hirse und Sorghum dahinter zurück ( ca. 88 % bzw. 171 % im selben Zeitraum). Keine Frage, eine Folge der Züchtungsfortschritte in puncto Ertrag beim Mais.
Die Simulationen der Forscher zeigen jedoch, dass die auf Ertrag getrimmten Sorten Probleme bekommen werden, in immer extremer werdenden Umgebungen und Standorten zu bestehen. Obwohl sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Rahmenbedingungen gravierend geändert haben, wehren sich die Forscher dagegen, bei der nun bevorstehenden Transformation von einem historischen Präzedenzfall zu sprechen. Schließlich gelang es der afrikanischen Landwirtschaft schon einmal, sich binnen Jahrzehnten umzuorientieren.
Wo setzen Veränderungen an?
Zu den Veränderungen zählen aus ihrer Sicht vor allem der Umstieg auf Nutzpflanzen, die besser an ein Leben in Hitze und Trockenheit angepasst sind (neben Hirse oder Sorghum z.B. Maniok), die Züchtung neuer Sorten mit höherer Hitze- und Trockenheitstoleranz sowie ein effizienterer Ressourcenumgang in der Landwirtschaft. Hinzu kommen Veränderungen und Innovationen bei den Anbaustrategien, wie z.B. die häufigere Anwendung der Fruchtfolge.
Lösung in drei Schritten?
Den Forschern ist bewusst, dass tiefgreifende Veränderungen stets Zeit und Aufwand benötigen. Sie schlagen daher einen Drei-Phasen-Plan vor, der sich zwar an länderspezifischen Gegebenheiten zu orientieren hat, von der Grundstruktur aber gleich ist.
Zur „Eingewöhnung“ gilt es, die vorhandene Palette von Anbaumethoden und -strategien sowie Nutzpflanzen gezielt zu verbessern und weiterzuentwickeln. Ein Vorhaben, für das die Forscher rund 20 Jahre veranschlagen. Parallel muss begonnen werden, richtige Rahmenbedingungen zu schaffen, politisch und wirtschaftlich. Ein Prozess, der ähnlich viel Zeit in Anspruch nehmen und die gesamte Wertschöpfungskette verändern wird. Denn es gilt, diese - von der Logistik über die Lagerung und Verarbeitung bis zur Produktion - mit neuen Rohstoffen vertraut zu machen.
Erst wenn tragfähige Konzepte erprobt wurden und den Landwirten zur Verfügung stehen und attraktive Rahmenbedingungen vorzufinden sind, kann in die dritte und letzte Phase übergangen werden: die flächendeckende Transformation der Landwirtschaft.
Ein Mammutprojekt, das auch das Ernährungs- und Konsumverhalten der Menschen verändern werde, so die Forscher. Aber auch hier stimmen die Erfahrungen der Geschichte die Forscher zuversichtlich. Denn dass Mais heute zu den wichtigsten Kulturpflanzen Afrikas gehört, Grundnahrungsmittel für 300 Millionen Menschen ist und auf über einem Fünftel der Anbaufläche angebaut wird, hätte Anfang des 20. Jahrhunderts auch niemand für möglich gehalten.
Komplexe Probleme erfordern keine einfachen Lösungen
Nichtsdestotrotz ist das Problem und somit auch seine Lösung vielschichtiger und komplexer, als die Studie suggeriert. Denn zu dem Produktionsproblem, dem sich die afrikanische Landwirtschaft stellen muss, kommt ein Verteilungsproblem hinzu. Dies betrifft sowohl materielle Güter als auch immaterielle Ressourcen. Vielerorts mangelt es an funktionierenden Infrastrukturen und Wirtschaftssystemen.
Untrennbar mit der Aufhebung dieses Mangels verbunden ist auch die rechtliche Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen z.B. zu Besitz- und Eigentumsverhältnissen oder wirtschaftsrechtlichen Aspekten. Aber auch Europa ist in der Verantwortung. Die Abschottung von Märkten und protektionistische Maßnahmen, wie sie in der europäischen Marktpolitik verankert sind, wirken sich negativ auf die Entwicklung aus und gehören überdacht. Damit derartig komplexe Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden können, sind Studien wie diese unerlässlich.
„Die Studie zeigt, wo und vor allem wann in Afrika Interventionen unerlässlich sind, um die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch den Klimawandel zu stoppen“, erklärt Ramirez-Villegas, der mit dem Begriff Lebensgrundlage (statt Nahrungsgrundlage) den Finger in die Wunde legt. Wie Mamadou Mbodji, ein Naturschutzexperte aus Senegal, auf der Klimakonferenz von Paris erst kürzlich betonte, leben nach wie vor rund 75 % der Bevölkerung Afrikas allein von der Landwirtschaft.
Quelle: Rippke, U. et al. (2016): Timescales of transformational climate change adaption in sub-Saharan African agriculture. In: Nature Climate Change, (7. März 2016), doi:10.1038/nclimate2947
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Titelbild: Forscher haben berechnet, wie sich der Klimawandel auf das Anbaupotenzial in Afrika auswirken wird. (Bildquelle: © Albrecht E. Arnold/ pixelio.de)