Mehr Fläche für die Landwirtschaft
Forscher prognostizieren eine Zunahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis zum Jahr 2100
Der Klimawandel könnte die landwirtschaftlich nutzbare Fläche bis zum Jahr 2100 um über 5 Millionen Quadratkilometer vergrößern. Gleichzeitig sinken jedoch die Erträge, wie auch die Qualität und Beschaffenheit der Böden.
Die Landwirtschaft steht unter dem direkten Einfluss des Klimas und ist somit auch direkt vom Klimawandel betroffen. Während wärmere Regionen unter den steigenden Temperaturen und den sinkenden Niederschlagsmengen zu leiden haben, profitieren kühlere Regionen von der Erwärmung. Mit Hilfe einer Computersimulation haben Wissenschaftler im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass im Jahr 2100 rund 5,6 Millionen Quadratkilometer zusätzliche Fläche zur Verfügung stehen könnte, die für die Landwirtschaft genutzt werden kann. Diese befinden sich jedoch größtenteils auf der Nordhalbkugel. Bei der Simulation verknüpften die Forscher sieben Parameter aus verschiedenen Quellen, darunter Klimadaten- und Wetterdaten sowie Bodeninformationen.
Mehr Fläche für Nutzpflanzen
Vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung und der steigenden Nachfrage nach Nahrung und Rohstoffen versuchten die Forscher herauszufinden, welche Regionen in Zukunft für den Anbau von Nutzpflanzen in Frage kommen. Sie konzentrierten sich dabei auf 16 wichtige Nutzpflanzen und ihre Anforderungen, unter anderem Mais (Zea mays), Gerste (Hordeum vulgare), Raps (Brassica napus) und Kartoffel (Solanum tuberosum). Den Prognosen der Forscher zufolge vergrößert sich die potenzielle Anbaufläche zwar insgesamt, jedoch profitieren davon hauptsächlich Regionen bzw. Staaten auf der Nordhalbkugel. Dazu zählen vor allem Russland, Kanada und China. In südlich gelegenen und tropischen Regionen hingegen wird die landwirtschaftlich nutzbare Fläche sogar zurückgehen. Länder wie Brasilien und südlich der Sahara in Afrika gelegene Regionen sind von dem Rückgang am stärksten getroffen.
Das Klima beeinflusst Wachstums- und Erntezyklen
Bei der Entwicklung der zu erwartenden landwirtschaftlichen Erträge, die im Zusammenhang mit der Bodenbeschaffenheit und -qualität wie auch den Klima- und Wetterbedingungen stehen, prognostizieren die Forscher eine ähnliche Entwicklung wie beim Flächenzuwachs. Während die Ernteerträge infolge von verkürzten Wachstums- und Erntezyklen und sinkenden Niederschlägen auf der Südhalbkugel und im Mittelmeerraum zurückgehen, verlängern oder verschieben sich diese in den nördlichen Regionen und Staaten wie China, Indien, Japan und Russland. Dort könnte sich die Zahl der Ernten auf bis zu drei pro Jahr erhöhen. So prognostizieren die Forscher zum Beispiel, dass der Wachstumszyklus von Mais in Deutschland im Jahr 2100 rund 23 Tage früher beginnen könnte als heute. Da der Ertrag jedoch auch von den Anbaustrategien und Anbaumaßnahmen abhängt, die im Rahmen der Simulationen jedoch ausgeklammert wurden, handelt es sich aus Sicht der Forscher in diesem Zusammenhang nur um eine vorläufige Prognose.
Während die Fläche wächst, sinkt deren Qualität
Bei der Bewertung der Bodenqualität und -beschaffenheit stellten die Forscher zudem fest, dass diese bis zum Jahr 2100 insgesamt zurückgehen wird. So wird die Zahl der besonders gut für die Landwirtschaft geeigneten Flächen reduziert, während die Zahl der bedingt bis mäßig geeigneten Flächen in größerem Maße zunehmen wird. Neben den zu erwartenden Klima- und Wetterbedingungen waren bei der Bewertung verschiedene Standortfakturen, wie zum Beispiel der Salzgehalt im Wasser (Salinität), der pH-Wert oder der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden ausschlaggebend.
Die Zukunft der Landwirtschaft beginnt heute
Die Forscher betonen in ihrer Studie, dass ein Rückgang an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche nicht durch eine expansive Flächenausweitung auf Kosten von Wäldern und geschützten Gebieten aufgefangen werden darf. „Dies kann seit Jahrzehnten zum Beispiel in Brasilien oder Indonesien beobachtet werden. Gerade diese Flächen stellen jedoch wertvolle ökosystemare Dienstleistungen zur Verfügung, die unter anderem das Klima regulieren. Ein Wegfall dieser natürlichen Regulierung könnte dazu führen, dass in Zukunft ganze Regionen unfruchtbar werden“, sagt Professor Wolfram Mauser, Koautor der Studie.
Mehr Flächte bedeutet nicht automatisch mehr Ertrag
Die Computersimulation verdeutlicht, dass eine Zunahme der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche nicht automatisch höhere Erträge nach sich zieht, da neue Anbauregionen neue Rahmenbedingungen setzen, an die sowohl die Pflanzen als auch die Anbaustrategien und Praktiken angepasst werden müssen. „Dafür sind genaue Kenntnisse über das landwirtschaftliche Potenzial an jedem Ort der Landoberfläche erforderlich“, so Mauser. Um die zunehmende Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Rohstoffen aus der Landwirtschaft auch in Zukunft erfüllen zu können, wird daher schon heute zum Beispiel daran geforscht, Nutzpflanzen resistenter gegenüber Trockenheit und Hitze zu machen. Durch die starke Zunahme weniger produktiver Standorte, die heute oft als marginale Standorte bezeichnet werden, müssen Forschungsaktivitäten verstärkt werden, die sich mit einer intensiveren und zugleich nachhaltigen Nutzung dieser bedingt bis mäßig geeigneten Flächen beschäftigen. Dies bedeutet jedoch, dass ein Umdenken ist notwendig ist, welches nicht nur die Forschenden allein betrifft.
Quelle: Zabel, F. et al. (2014): Global Agricultural Land Resources – A High Resolution Suitability Evaluation and its Perspectives until 2100 under Climate Change Conditions. In: PLoS ONE 9(9), (17. September 2014), doi:10.1371/journal.pone.0107522
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Titelbild: Forscher prognostizieren einen weltweiten Flächenzuwachs infolge des Klimawandels. Dieser ist jedoch nicht gleichäßig verteilt. (Bildquelle: © Frank Radel/ pixelio.de)