Ein Sensor gegen das Ersticken

28.10.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzen bekommen bei Überschwemmungen nicht genug Sauerstoff .(Quelle: © Ole Pederson / MPI-MP)

Pflanzen bekommen bei Überschwemmungen nicht genug Sauerstoff .(Quelle: © Ole Pederson / MPI-MP)

Unter Wasser können Pflanzen wie Menschen ersticken. Forscher haben entdeckt, wie Pflanzen die Sauerstoffkonzentration messen, um notfalls eine Stressreaktion auszulösen.

Für Pflanzen ist Sauerstoffmangel ebenso bedrohlich wie für Mensch und Tier. Bei Tag können sie zwar mittels Photosynthese selbst Sauerstoff erzeugen, doch im Dunkeln wird der Sauerstoff für die Zellatmung knapp – und damit die Energieversorgung. Gleiches gilt, wenn die Pflanze überschwemmt ist, ein Problem, das auf jedem zehnten Acker der Welt regelmäßig auftritt. Wie Pflanzen Überschwemmungen überstehen können, ist daher eine Schlüsselfrage für die globale Ernährungssicherheit.

Eine wesentliche Antwort darauf haben Pflanzenforscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam zusammen mit Kollegen aus Italien und den Niederlanden gefunden. In „Nature“ berichten sie, wie Pflanzen den Sauerstoffgehalt der Umgebung messen, um im Bedarfsfall den Stoffwechsel so umzustellen, dass Zucker abgebaut und so die Energiespeichermoleküle ATP gebildet werden.

Der Schlüssel zur Sauerstoffmessung ist das Protein RAP2.12, so viel war aus jüngeren Studien bekannt. RAP2.12 ist ein Transkriptionsfaktor und steuert somit die Genaktivität. Tatsächlich erholen sich Pflanzen schneller von Überschwemmungen, wenn sie diesen Transkriptionsfaktor in großer Menge produzieren. Jetzt ist auch bekannt, wie er genau wirkt.

Normalerweise befindet sich RAP2.12 in der Zellmembran. Bei Sauerstoffmangel löst sich das Protein und wandert in den Zellkern, wo es als Transkriptionsfaktor die Stressreaktion in Gang bringt. Erhöht sich die Sauerstoffkonzentration, wird RAP2.12 schnell abgebaut, der Stoffwechsel nimmt wieder seinen normalen Gang.

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Unter Wasser können Pflanzen wie Mensch und Tier ersticken. Wie Pflanzen auf Überschwemmungen reagieren, haben Potsdamer Forscher untersucht.

Unter Wasser können Pflanzen wie Mensch und Tier ersticken. Wie Pflanzen auf Überschwemmungen reagieren, haben Potsdamer Forscher untersucht.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Jason Titzer

Auch die entscheidende Frage, woran das Protein unterschiedliche Sauerstoffkonzentrationen erkennen kann, beantwortet der Nature-Artikel: Die Art der ersten Aminosäure am sogenannten N-Ende eines Proteins bestimmt grundsätzlich dessen Stabilität und damit dessen Lebensdauer. Die erste Aminosäure von RAP2.12 ist ein Cystein. Cystein destabilisiert als Aminosäure am N-Ende ein Protein und sorgt dafür, dass es schnell abgebaut wird – allerdings nur in Gegenwart von Sauerstoff. Ohne Sauerstoff erhöht sich die Stabilität deutlich.

RAP2.12 wird somit normalerweise im Zellkern innerhalb von einer Stunde abgebaut. Ist die Pflanze jedoch überschwemmt und Sauerstoff knapp, kann sich der Transkriptionsfaktor anreichern und die Stressreaktion aktivieren und aufrecht erhalten.

Reis-Gen bietet frühen Schutz

In derselben Nature-Ausgabe berichten Pflanzenforscher aus England, Frankreich und den USA von einem weiteren Aspekt der pflanzlichen Reaktion auf Überschwemmungen. Die Forscher hatten sich auf das Gen SUB1A konzentriert, das in Reis dazu führt, dass er Überschwemmungen länger übersteht. Verwandte Gene in anderen Pflanzen wie Arabidopsis hatten diese Wirkung jedoch nicht. Der vom N-Ende abhängige Abbaumechanismus, den die Autoren des ersten Artikels für RAP2.12 gefunden haben, gilt offenbar nicht für SUB1A in Reis, obwohl es dem Abbaumuster entspricht.

Das Protein SUB1A ist somit nicht erst stabil und wirksam, wenn der Sauerstoffmangel bereits eingetreten ist. Seine Aktivität wird durch das Gas Ethen ausgelöst, das sich schnell in Zellen anreichert, die unter Wasser liegen. Dadurch, vermuten die Forscher, kann SUB1A schon sehr früh Stressreaktionen einleiten und den Pflanzen ein längeres Überleben ohne Sauerstoff ermöglichen.

Für Pflanzenforscher bedeutet dieses Wissen gleich zwei Ansätze, um die Toleranz von Pflanzen gegen Überschwemmungen zu steigern und die Erträge zu sichern.


Quellen:

  • Francesco Licausi et al. (2011) Oxygen sensing in plants is mediated by an N-end rule pathway for protein destabilisation; Nature, Online publication 23 October, DOI: 10.1038/nature10536 (Abstract).
  • Daniel J. Gibbs et al. (2011) Homeostatic response to hypoxia is regulated by the N-end rule pathway in plants; Nature, Online publication 23 October, doi:10.1038/nature10534 (Abstract).