Wie kamen die Pflanzen an Land?

Und was wir daraus für die Pflanzenzüchtung lernen können

30.06.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bevor die ersten Pflanzen das Land besiedelten, war das Land felsig und von fruchtbarem Boden fehlte jede Spur. (Bildquelle: © Hoang Tung / Pixabay)

Bevor die ersten Pflanzen das Land besiedelten, war das Land felsig und von fruchtbarem Boden fehlte jede Spur. (Bildquelle: © Hoang Tung / Pixabay)

Vor etwa einer halben Milliarde Jahre ging es los. Die ersten Streptophyten-Algen verabschiedeten sich von ihrem Leben im Wasser und besiedelten nach und nach das Land. Für den Erfolg dieser Mission waren viele Veränderungen in ihrem Stoffwechsel und zusätzliche „Erfindungen“ notwendig. Die einzelligen Grünalgen hatten noch keine Wurzeln oder Blätter. Auch ein dreidimensionales Wachstum war ihnen noch fremd. Wie genau hat sich diese Entwicklung vollzogen? Und können wir daraus etwas lernen, um unsere heutigen Kulturpflanzen für den Klimawandel zu rüsten?

Bevor die ersten Grünalgen das Land besiedelten, war die Erde ein unwirtlicher Ort. Vulkane spuckten Asche und Rauch. Die dünne Ozonschicht ließ wesentlich mehr schädliche UV-Strahlung zur Erde durch und die Oberflächentemperatur der Ozeane betrug 45° Celsius. An Land gab es auch noch keine fruchtbare Erde.

In diese feindliche Umgebung wagten sich einzellige Streptophyten-Algen vor. Vermutlich wanderten sie aus dem Salzwasser zunächst ins Süßwasser, dann in temporär nicht vom Wasser bedeckte Bereiche und schließlich aufs trockene Land. Diese neue Umgebung stellte die Algen vor viele Herausforderungen. Ein Team aus Wissenschaftler:innen hat in einem Aufsatz im Journal Trends in Plant Science jetzt näher beleuchtet, was man bereits über die Anpassungen der Pflanzen ans Landleben weiß und wo noch Forschungsbedarf besteht. Die Publikation ist Teil des von der Deutschen Forschungsgesellschaft finanzierten Sonderforschungsbereichs “MadLand – Molecular Adaptation to Land: plant evolution to change”.

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Die Vielfalt der Flora und Fauna, wie wir sie heute kennen, und das Substrat, auf dem sie gedeihen, sind einer einzigen Algenart zu verdanken, die vor mehr als 500 Millionen Jahren erstmals an Land ging. Diese und alle anderen Zeichnungen in der Publikation stammen von der Erstautorin, Dr. Mona Schreiber.

Die Vielfalt der Flora und Fauna, wie wir sie heute kennen, und das Substrat, auf dem sie gedeihen, sind einer einzigen Algenart zu verdanken, die vor mehr als 500 Millionen Jahren erstmals an Land ging. Diese und alle anderen Zeichnungen in der Publikation stammen von der Erstautorin, Dr. Mona Schreiber.

Bildquelle: © Mona Schreiber

Mykorrhiza-Pilze waren Helfer der ersten Stunde

Vermutlich gingen die ersten Landpflanzen gleich zu Anfang symbiotische Beziehungen mit Mykorrhiza-Pilzen ein. Die Pilze unterstützten sie bei der Aufnahme von Wasser und Nährstoffen, denn Wurzeln hatten sie noch nicht. Außerdem halfen die Pilze dabei, mit biotischen und abiotischen Stressfaktoren besser klarzukommen. Denn an Land mussten die Pflanzen nicht nur mit temporärer Trockenheit zurechtkommen, auch die Temperatur schwankte viel stärker als im Wasser. Die Pflanzen revanchierten sich für die Hilfe der Pilze, indem sie ihnen komplexe Kohlenhydrate und Fette abgaben.

Diese erfolgreiche Symbiose findet sich auch heute noch bei 90 Prozent aller Landpflanzen. Wichtig dafür sind sind Phytohormone, genauer gesagt die Strigolactone. Welchen ursprünglichen Zweck Strigolactone einst in Algen hatten, ist bisher noch unklar.

Alte Moleküle, neue Funktionen

Ähnlich verhält es sich mit vielen Stoffwechselprodukten. Das Phytohormon Abscisinsäure (ABA) ist heute ein wichtiges Signalmolekül, das an der Entwicklung und Stressantwort der Pflanzen beteiligt ist. Auch viele Algen enthalten bereits ABA, doch über seine Funktion dort ist nichts bekannt.

Im Laufe der Zeit entwickelten die Landpflanzen zahlreiche weitere Innovationen: Flavonoide dienten ihnen als Schutz vor der intensiven Sonnenstrahlung. Lignin stabilisierte ihre sekundäre Zellwand, verbesserte den Wassertransport über lange Strecken und ermöglichte so auch das aufrechte Wachstum. Die Wachsschicht auf den äußeren Zellschichten, Cuticula genannt, schützte die Pflanzen vor Dehydrierung. Die Stomata sind wiederum für den Austausch von Kohlendioxid und Sauerstoff zuständig.

Sauerstoff in der Atmosphäre nimmt zu

Die photosynthetisch aktiven Landpflanzen verbrauchten Kohlendioxid und erhöhten den Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre. Das legte den Grundstein dafür, dass sich alles weitere Leben an Land entwickeln konnte. Doch bisher sind noch viele grundlegende Fragen dazu ungeklärt.

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Die frühe Erde war ein unwirtlicher Ort, der Ozean heiß und die Luft voller Vulkanasche.

Die frühe Erde war ein unwirtlicher Ort, der Ozean heiß und die Luft voller Vulkanasche.

Bildquelle: © ELG21 / Pixabay

War die Entstehung der Landpflanzen ein einmaliges Ereignis? Welche der Eigenschaften, die für den Landgang wichtig waren, haben sich bereits in Süßwasser-Algen entwickelt? Und in welcher Reihenfolge haben all die notwendigen molekularen Anpassungen überhaupt stattgefunden?

Viele Disziplinen müssen zusammenarbeiten

Diese und viele andere offene Fragen müssen noch geklärt werden. Dafür ist es notwendig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler disziplinübergreifend zusammenarbeiten. Erkenntnisse aus der Geologie, Paleobotanik, Biophysik, Biochemie, Zellbiologie und Genetik müssen mit modernen, molekularbiologischen Methoden verknüpft werden. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei vor allem Mitglieder der streptophyten Algen, außerdem die evolutionär alten Bryophyten wie Hornmoose und Lebermoose.

Wenn es gelingt, die molekularen Anpassungen an den Landgang besser zu verstehen, können diese Erkenntnisse vielleicht auch dafür genutzt werden, die heutigen Nutzpflanzen besser gegen die Herausforderungen des Klimawandels zu wappnen. Denn die Folgen des Klimawandels verschlechtern schon heute den Ertrag und die Qualität der Ernte. Wenn wir die weltweite Ernährungssicherheit sicherstellen wollen, müssen die Nutzpflanzen züchterisch besser auf diese Herausforderung vorbereitet werden.


Quelle:
Schreiber, M., Rensing, S.A. & Gould, S.B. (2022): The greening ashore. In: Trends in Plant Science, (20. Juni 2022), doi: 10.1016/j.tplants.2022.05.005.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Bevor die ersten Pflanzen das Land besiedelten, war das Land felsig und von fruchtbarem Boden fehlte jede Spur. (Bildquelle: © Hoang Tung / Pixabay)