Eine Landkarte für den Stoffwechsel
Pflanzenorgane haben je nach Funktion unterschiedliche Stoffwechselprofile
Forscher haben Methoden entwickelt, um eine Übersicht über die Stoffwechselvorgänge einzelner Pflanzenorgane zu erhalten. Diese Stoffwechselprofile unterscheiden sich nach der Funktion, aber auch nach dem Entwicklungsstadium eines Organs. Der praktische Nutzen liegt auf der Hand – Pflanzen sind hochspezialisierte Chemiefabriken im Kleinen.
Pflanzen sind Profis, wenn es darum geht, chemische Verbindungen herzustellen. Sie produzieren eine nahezu unüberschaubare Menge an Stoffwechselprodukten, mit denen sie ihr Überleben sichern und mit ihrer Umwelt interagieren. Für die Forschung ist es eine Herausforderung, diese Stoffwechselwege zu erforschen und die einzelnen Produkte und die dazugehörigen Gene zu identifizieren. In einer neuen Studie stellen Forscher der Abteilung Molekulare Ökologie des Max-Planck-Institutes für chemische Ökologie und des Zentrums für Organismische Studien der Universität Heidelberg einen neuen Forschungsansatz vor, mit dem man die Stoffwechselvorgänge innerhalb einer Pflanze erfassen und gezielt auswerten kann.
Primärer und sekundärer Stoffwechsel
Pflanzen haben eine Vielzahl von Stoffwechselwegen mit einer großen Anzahl an produzierten chemischen Verbindungen. Man vermutet, dass Pflanzen mindestens 200.000 chemische Strukturen produzieren können. Viele davon kommen im primären Stoffwechsel zum Einsatz, zu dem beispielsweise die Glykolyse gehört und die in allen Pflanzen zu finden ist.
Weitaus größer ist allerdings der Anteil an Pflanzenstoffen, die im sogenannten sekundären Stoffwechsel produziert werden. Diese Stoffe sind für die Pflanzen nicht primär überlebenswichtig, sondern dienen beispielsweise der Verteidigung vor Fressfeinden (zum Beispiel Alkaloide), dem Schutz vor Sonnenstrahlung (zum Beispiel Anthocyane) oder der Anlockung von Bestäubern (zum Beispiel Terpene als Bestandteile von ätherischen Ölen). Diese Stoffe sind allerdings nicht einheitlich und überall in jeder Pflanze zu finden. Sie unterscheiden sich je nach Familie, Gattung oder Art, denn sie entstehen aus der intensiven Beziehung der Pflanzen mit ihrer Umwelt. Aber eben auch nach dem Organ – Wurzel, Stängel, Blätter, Blüte oder Frucht und sogar den unterschiedlichen Gewebetypen in diesen.
Metabolomik: Übersicht über die verschiedenen Abläufe
Der sekundäre Stoffwechsel bietet also eine Fülle an Stoffen (die sogenannten Sekundärmetabolite), die die Beziehung der jeweiligen Pflanze zu ihrer Umwelt widerspiegeln. Um bei dieser Menge an sekundären Pflanzenstoffen und ihren Bildungswegen noch den Überblick zu behalten, brauchen Forscher eine gute „Karte“, die ihnen zeigt, welche Stoffe in welchen Geweben einer Pflanze unter welchen Bedingungen gebildet werden und welche Gene daran beteiligt sind.
Der relativ neue Forschungszweig der Metabolomik (abgeleitet von Metabolismus = Stoffwechsel) tut genau das: Er erforscht die Gesamtheit aller Stoffwechselprodukte innerhalb einer Pflanze, eines Pflanzengewebes oder einer Zelle. Hierzu werden alle in einem Gewebe gebildeten Stoffe in der Regel über Massenspektrometrie identifiziert und quantifiziert. Daraus können die verschiedenen Stoffwechselvorgänge abgeleitet werden sowie ein Einblick, welche Funktion ein Pflanzengewebe innerhalb des gesamten Organismus hat.
Atlas des sekundären Stoffwechsels
Um die verschiedenen Stoffwechselvorgänge innerhalb der Modellpflanze Kojotentabak (Nicotiana attenuata) zu erforschen, untersuchten die Forscher 14 verschiedene Pflanzengewebe mittels Massenspektrometrie. Untersucht wurden unter anderem Wurzeln, Stängel, Rosettenblätter, Knospen, Blüten und Samen und in diesen Organen unterschiedliche Gewebetypen spezialisierter Bereiche.
Diese Organe und Gewebetypen zeigt eine Vielzahl von Stoffwechselprodukten, aus denen die Forscher Einsichten in die verschiedenen Stoffwechselvorgänge des jeweiligen Pflanzengewebes bekamen, die auch Rückschlüsse auf seine Funktion gaben. Zum Beispiel wiesen Pflanzengewebe, die der Fortpflanzung dienen, wie zum Beispiel Staubblätter (Antheren), ein hochspezialisiertes Profil an sekundären Stoffen auf, was zu ihrer Aufgabe passte, während die Blätter ein eher unspezifisches Profil hatten.
Diese Informationen nutzten die Forscher, um einen Atlas der verschiedenen Stoffwechselprodukte und der daran beteiligten Gene zu entwickeln. Er zeigt, welche Stoffwechselprodukte und welche Gene in den jeweiligen Geweben ein ähnliches Aktivierungsmuster aufweisen und so vermutlich miteinander zu tun haben. Damit können die Forscher auf Basis dieses Atlas auch bei bisher noch nicht so gut erforschten Stoffwechselwegen untersuchen, welche Gene möglicherweise an ihnen beteiligt sind. Diese Ergebnisse können anschließend mittels genetischer Untersuchungsmethoden, wie dem gezielten stilllegen von Genen (Gen-silencing) verifiziert werden.
Durch diese neu entwickelte Untersuchungsmethode können in Zukunft Abläufe im Sekundärmetabolismus von Pflanzen effizienter untersucht werden, da die einzelnen Stoffe besser erfasst und die verantwortlichen Gene schneller identifiziert werden können. Damit kann die Forschung wiederum ein verbessertes Verständnis dafür entwickeln, wie Pflanzen sich der Umwelt anpassen und in ihr überleben können. Neben der Plastizität für die Anpassung an Umweltbedingungen und Stressfaktoren bietet die Studie wertvolle Ansätze für die Pflanzenzüchtung. Einerseits können die Profile als Marker von komplexen Merkmalen genutzt werden. Andererseits sind auch Stoffwechselmoleküle selbst Ziele von Züchtern. Denn Schutz, Geschmack, Verdaulichkeit und Verwendung als Medizin oder in der Chemie hängen von diesen ab.
Quelle:
Li, D. et al. (2016): Illuminating a plant's tissue-specific metabolic diversity using computational metabolomics and information theory. In: PNAS Early Edition, (November 2016), doi: 10.1073/pnas.1610218113.
Zum Weiterlesen:
- Stoffwechselweg entdeckt - Wie Pflanzen die Anzahl ihrer Stomata regulieren
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Titelbild: Die Stoffe, die Pflanzen in ihrem sekundären Stoffwechsel produzieren variieren nicht nur nach Familie, Gattung oder Art, sondern auch nach Organ und sogar Gewebe. (Bildquelle: © Annamartha / pixelio.de)