Metabolic Engineering

Carotinoide erhöhen Biomasse und Fitness von Tomaten

16.02.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Tomaten (Solanum lycopersicum) enthalten Carotinoide. (Bildquelle: © kie-ker / Pixabay)

Tomaten (Solanum lycopersicum) enthalten Carotinoide. (Bildquelle: © kie-ker / Pixabay)

Bis zu 77 Prozent mehr Fruchtertrag und das bei vielfach gesteigertem Gehalt an Provitamin A und längerer Haltbarkeit: Das konnte ein Pflanzenforschungsteam bei Tomaten erzielen, denen die Fachleute zusätzliche Carotinoid-Gene übertragen hatten. Doch die Effekte gingen weit darüber hinaus.

Carotinoide haben zahlreiche gesundheitsfördernde Effekte bei Mensch, Tier und Pflanze. Ein Pflanzenforschungsteam hat nun gezeigt, dass sich Biomasseverteilung, Ertrag und Toleranz gegen abiotischen Stress bei Tomatenpflanzen durch Übertragung weiterer Carotinoid-Gene positiv beeinflussen lassen. Das wäre die Hoffnung auf eine höhere Ertragssicherheit in Zeiten der Klimakrise. Immerhin können ein erhöhter Salzgehalt und lange Trockenperioden Ernteeinbußen um rund 50 Prozent verursachen.

Ertragssicherheit und Nährwert im Fokus

Über viele Jahrzehnte hatte die Pflanzenzüchtung ihren Schwerpunkt darauf gelegt, dass Pflanzen möglichst viel Kohlenstoff binden und ihre Biomasse maximieren. Teilweise ging das zulasten des Nährstoffgehalts der Früchte oder auch der Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltbedingungen.

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Carotinoide geben auch Möhren ihre charakteristische Farbe.

Carotinoide geben auch Möhren ihre charakteristische Farbe.

Bildquelle: © jacqueline macou /Pixabay

Seit einiger Zeit hat jedoch ein Umdenken stattgefunden: Pflanzen sollen auch in wärmeren und trockeneren Klimata stabile Erträge liefern. Und eine ausreichende Ernährung wird längst nicht mehr nur über die Kalorienmenge, sondern auch über die Nährstoffqualität definiert. Auf diese Weise sind Carotinoide in den Blick gerückt. Sie umfassen nicht nur das Provitamin A, sondern auch Vorstufen einer Reihe pflanzlicher Signalstoffe, die wichtige Entwicklungsschritte regulieren.

Bereits in einer früheren Studie hatte das Team das aus Möhren stammende Gen für das Enzym Lycopin-β-Cyclase (LYCB) in Tabakpflanzen übertragen, das für die Herstellung von β-Carotin verantwortlich ist. Dadurch bildeten die Pflanzen mehr Biomasse und Ertrag, waren resistenter gegen abiotischen Stress und wiesen eine höhere Photosynthese-Effizienz auf.

In einer weiteren Studie untersuchten die Fachleute daher, ob ein einzelnes überexprimiertes Carotinoid-Gen vergleichbare Effekte in Tomaten haben könnte. Dazu analysierte das Team drei Tomatenlinien, die jeweils unterschiedlichen LYCB-Gene auf gentechnischem Wege erhielten: eines stammte aus Tomaten, eines aus Narzissen und eines vom Bakterium Erwinia uredovora.

Unterschiedlich im Detail, gleich in der Tendenz

Alle drei Linien zeigten umfangreiche, jedoch nicht immer einheitliche Effekte infolge der Genübertragung. Inwieweit das auch auf unterschiedliche Transformationsmethoden zurückzuführen war, blieb in der Studie unklar. Unabhängig davon erwiesen sich alle drei Linien als toleranter gegen abiotischen Stress wie Licht, Trockenheit und Salzgehalt. Sie produzierten außerdem mehr Ertrag, der zudem einen höheren Nährstoffgehalt aufwies und länger haltbar blieb.

Im Detail veränderten die zusätzliche Gene jeweils die Pflanzenhöhe, die Blattgröße und die Fruchtgröße – also die gesamte Biomasseverteilung. Stammte das Gen aus der Tomate, so steigerten die Pflanzen die Gesamtmasse ihrer Früchte gegenüber dem Wildtyp um bis zu 77 Prozent. Das bakterielle Gen und das Gen aus Narzissen bewirkten immerhin einen Zuwachs um 45 bzw. 37 Prozent. Das Tomatengen bewirkte zudem eine zehnfache Zunahme der Samenzahl und die Pflanze fixierte signifikant mehr CO2 durch die Photosynthese.

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Der Vergleich von Wildtyp (unten) und LCYB-exprimierenden Tomatenfrüchten (oben) zeigt, dass die LCYB-exprimierenden Früchte größer sind und sich auch im Fruchtfleisch der Tomaten unterscheiden.

Der Vergleich von Wildtyp (unten) und LCYB-exprimierenden Tomatenfrüchten (oben) zeigt, dass die LCYB-exprimierenden Früchte größer sind und sich auch im Fruchtfleisch der Tomaten unterscheiden.

Bildquelle: © Dr. Juan C. Moreno

Stoffwechselveränderungen erklären agronomisch relevante Effekte

Veränderungen fanden die Forscherinnen und Forscher auch in den Carotinoid-Profilen der Blätter und Früchte. Erneut unterschieden sich die Veränderungen jedoch abhängig von der Herkunft der übertragenen Gene. Gleiches fand die Studie für den Hormon-Metabolismus hinsichtlich jener Hormone, für die β-Carotin und/oder Isoprenoide die Vorstufe bilden – darunter Abscisinsäure, Jasmonsäure und Gibberellinsäure. Nicht zuletzt änderte die Transformation auch die Konzentration einiger Primärmetabolite wie Saccharose und deren Derivate oder die Intermediate des Citrat-Zyklus’ sowie der Glykolyse.

Zwar konnte die Studie nicht im Detail aufklären, wie das LYCB-Gen und die Stoffwechselveränderungen zusammenhängen. Doch die beobachteten Veränderungen im Stoffwechsel erklären durchweg die Einflüsse des überexprimierten Gens auf Wachstum, Ertrag und Fitness.

So steuert Gibberellinsäure viele Aspekte des pflanzlichen Wachstums und der Entwicklung. Abscisinsäure und/oder Jasmonsäure, aber auch ein höherer Gehalt an Zuckeralkoholen in den Blättern könnten für die optimierte Salz- und Dürretoleranz verantwortlich sein. Die gesteigerte β-Carotin-Konzentration wiederum erklärt die gestiegene Lichttoleranz und einen Teil des erhöhten Nährstoffgehalts der Früchte. Letzterer dürfte auch durch die größere Menge an Zuckern, Zuckerderivaten und Aminosäuren zu begründen sein.

Carotinoide als „metabolischer Hotspot“

Die Studienautoren kommen daher zu dem Fazit, dass Carotinoide ein „metabolischer Hotspot“ seien, der zumindest bei Tomaten ein Hebel zur Erzeugung klimaangepasster, ertrags- und nährstoffreicherer Sorten sein kann. Die jeweiligen metabolischen Effekte dürften jedoch individuell für jede genetische Herkunft des LYCB-Gens, die Ziel-Zuchtlinie und die Transformationsmethode zu betrachten sein.


Quelle:
Mi, J. et al. (2022): A manipulation of carotenoid metabolism influence biomass partitioning and fitness in tomato. In: Metabolic Engineering, 70, 166-180 (online 11. Januar 2022), doi: 10.1016/j.ymben.2022.01.004.

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Titelbild: Tomaten (Solanum lycopersicum) enthalten Carotinoide. (Bildquelle: © kie-ker / Pixabay)