Erneuerbare Energie als Wachstumsmarkt weltweit

19.05.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Prof. Edenhofer bei der Vorstellung des IPCC-Berichts (Quelle: © genius)

Prof. Edenhofer bei der Vorstellung des IPCC-Berichts (Quelle: © genius)

Der IPCC-Sonderbericht „Erneuerbare Energie und die Vermeidung des Klimawandels“ wurde in Berlin vorgestellt. Knapp 80 % erneuerbare Energie sind demnach bis 2050 möglich. Bioenergie wird auch in Zukunft einen bedeutenden Beitrag leisten.

Zweimal innerhalb einer Woche sorgte ein Bericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) für Furore. Nach Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), folgte nun Berlin. Beide Orte sind mit Bedacht gewählt. Beide Länder, die VAE und Deutschland, sind weltweit führend beim Umbau des jeweiligen Energiemix. In Abu Dhabi wurde der Bericht den 194 Regierungen der UN-Mitgliedsstaaten vorgestellt. Eine von diesen abgestimmte und akzeptierte Zusammenfassung war das Ergebnis der Veranstaltung in den Emiraten. In Berlin wurde nun der Gesamtbericht offiziell vorgestellt. In den Räumen der Technischen Universität Berlin verfolgten knapp 1000 Zuhörer, größtenteils Studenten der TU Berlin, den öffentlichen Showdown. Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Annette Schawan und Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen erörterten die Position der Bundesregierung. „Man sei zur Energiewende hin zu mehr erneuerbarer Energie bereit“. 

Der von 120 Wissenschaftlern erstellte Sonderbericht des Weltklimarates zur erneuerbaren Energie beschreibt detailliert, wie Wohlstand und die Abmilderung des Klimawandels zusammenpassen und wo die Schwerpunkte aktuellen Handelns liegen. Ort und Zuhörerschaft waren perfekt gewählt. 

Mix aus Vielfalt und Kreativität 

In den IPCC-Sonderbericht, der im Jahr 2008 von Deutschland beauftragt wurde, flossen 164 Szenarien zu 6 erneuerbaren Energiequellen ein: Bioenergie, Windenergie, Solarenergie, Erdwärme, Wasserkraft und Meeresenergie wurden systematisch auf Herz und Nieren geprüft und die in ihnen steckenden Potenziale beschrieben. Vier Szenarien wurden vertiefend analysiert. Umwelt- und soziale Aspekte flossen neben den technologischen und ökonomischen Implikationen in diese vier Szenarien ein. 

Im Bericht wird deutlich, dass die Energieversorgung (Strom, Wärme und Kraftstoffe) nicht auf eine primäre Energiequelle fokussiert werden kann. Mehr als heute, wird in Zukunft ein Energiemix zur Versorgungssicherheit beitragen. Treibende Kraft hinter diesen Betrachtungen des IPCC bleibt das Ziel, den Klimawandel durch die Reduzierung der menschlichen Einflüsse auf Treibhausgasemissionen abzuwenden oder diesen zumindest abzufedern - das sogenannte „zwei Grad Ziel“. Durch den steigenden Anteil der erneuerbaren Energie sind kumulative Treibhausgasreduktionen je nach Szenario von 220 bis 560 Gigatonnen in den kommenden 40 Jahren möglich. Damit wäre das Ziel der Treibhausgasreduktion erreichbar. Der Bericht macht deutlich: Erneuerbare Energie kann einen signifikanten Beitrag zur Treibhausgasminderung leisten.  

Eine globale Energiewende, so das klare Statement der Experten, ist in diesem Jahrhundert möglich. Ein Anteil von 77 % erneuerbarer Energie an der Primärversorgung bis zum Jahr 2050 repräsentiert das Beste der vier Szenarien. Diesem liegt ein weltweiter Energieverbrauch von 314 bis 407 Exajoule (1 Exajoul = 1x10 hoch 18 Joule) zu Grunde. Zum Vergleich: die USA verbrauchten im Jahr 2005 ca. 100 Exajoule. Europa kam auf eine ähnliche Menge. Der primäre Energiebedarf der gesamten Welt für 2008 wurde auf 490 Exajoule geschätzt. Mit anderen Worten, Energie muss deutlich effizienter als heute eingesetzt und der Pro-Kopf Verbrauch reduziert werden. 

Das schlechteste Szenario mit dem geringsten Anteil an erneuerbarer Energie geht von einem Gesamtenergieverbrauch von 750 Exajoule und einem Anteil der erneuerbaren von 15 %aus. Klimaschutzziele ließen sich nach diesem Szenario nur durch einen Ausbau der Kernenergie und eine Abtrennung und Speicherung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen erreichen. 

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Übervoller AudiMax der TU Berlin bei der Vorstellung des Sonderberichts.

Übervoller AudiMax der TU Berlin bei der Vorstellung des Sonderberichts.

Bildquelle: © genius

Bedingungen für eine Energiewende

Für die Realisierung des besten Szenarios müssen einige Randbedingungen erfüllt sein. So müssen die Kosten für die erneuerbare Energie weiter gesenkt werden. In den letzten 10 Jahren konnten diese bereits stark reduziert werden. Einige erneuerbare Energieformen wie die Windenergie und Biomasse, vor allem deren Reststoffnutzung, sind bereits heute mit fossilen Energieformen konkurrenzfähig. Würden deren Folgekosten wie z.B. die Umwelt- oder auch Gesundheitsaspekte in die Berechnungen mit einbezogen, würde dieses Bild nochmals zu Gunsten der regenerativen Energieformen verändern.  

Ein deutlich dickeres Brett gilt es bei der Integration der erneuerbaren Energie in die bestehenden Systeme zu bohren. Nach dem IPCC-Bericht wäre heute eine Integration von ca. 20 bis30 % erneuerbarer Energie in die vorhandenen Energiesysteme (Strom, Wärme und Transport) möglich. Bei einem höheren Anteil käme es zu Problemen mit der vorhandenen Infrastruktur. Neue Energiespeichersysteme sind eine Voraussetzung für die Verschiebung dieses Anteils in Richtung einer Komplettversorgung im regenerativen Zeitalter. 

Als dritter Schwerpunkt wurden die politischen Rahmenbedingungen genannt. Eine global ambitionierte Klimapolitik vorausgesetzt, müssten Treibhausgase wie CO2 weltweit einen Preis erhalten und entsprechend reduzierter Verschmutzungsgrenzen gehandelt werden. Die Kostenkalkulationen für die Realkosten von Energie würde dies verändern. Fossile Energieträger werden mit diesen Zusatzkosten belastet und verteuern sich. Neben einem globalen Preis für Treibhausgasemissionen wäre ein globales Klimaschutzabkommen als weltweites Regelwerk notwendig, um eine Energiewende im 21. Jahrhundert zu schultern. Massive Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energie wären notwendig. Die Experten errechnen in ihrem Bericht einen Anteil von einem Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts, der benötigt wird. Ein überschaubarer Preis, zumal Arbeitsplätze und eine lokale Wertschöpfung lohnende Nebeneffekte wären.  

Hohe Investitionen notwendig

Den Detailszenarien zufolge, wären Investitionen von 1,4 bis 5,1 Billionen US Dollar im Zeitraum bis 2020 und von 1,5 bis 7,2 Billionen US Dollar für die folgenden 10 Jahre bis 2030 nötig. Im Jahr 2009 lagen die Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energie bereits deutlich über den jeweils unteren Werten der schlechtesten Szenarien. Dies zeigt, dass genannten Summen keine Unmöglichkeit sind. Ebenfalls zuversichtlich stimmt, dass die zwischen 2008 und 2009 installierte „Power“ von 300 Gigawatt elektrischer Leistung bereits knapp zur Hälfte (140 GW) durch die erneuerbaren abgedeckt wurde. 

Noch erlebt Kohle eine Renaissance

Der nun vorliegende IPCC-Sonderbericht zeigt auch, dass das fossile Zeitalter nicht plötzlich zu Ende gehen wird. Vielmehr wird diese Form der Energiegewinnung uns noch weit in das  21. Jahrhundert begleiten. Die Pflöcke, wie lange und in welcher Intensität fossile Energieträger eine Rolle spielen werden, werden jedoch heute eingeschlagen. 

Durch den Bericht macht deutlich, dass nicht die Ressourcenverknappung zum Ende des fossilen Zeitalters führen wird, sondern die Aufnahmekapazität der Atmosphäre. 

In den letzten 10 Jahren kam es neben dem Bedeutungsgewinn der erneuerbaren Energie auch zu einem sprunghaften Anstieg der Kohlenutzung. Vor allem der Energiehunger in den aufstrebenden Ökonomien mit China an vorderster Front ist für diesen Trend verantwortlich. Nach aktuellen Daten (2008) stammten weltweit 85 % der Energie aus fossilen Quellen. Die Erneuerbaren stehen derzeitig für nur 13 % (10,2 % Bioenergie – davon 6 % traditionelle Dung- und Holzverbrennung, 2,3% Wasserkraft, 0,2 % Windenergie und jeweils 0,1 % Solarenergie und Erdwärme). Weitere 2 % wurden durch die weltweit über 450 Kernkraftreaktoren abgedeckt. 

Moderne Technologien vorausgesetzt, kann Biomasse fast CO2 neutral sein. Für die Bioenergie gehen die Szenarien von einem Anteil von 50 bis 200 Exajoule im Jahr 2050 aus. Kaum Fortschritte in der landwirtschaftlichen Produktion und bei der Form der Landnutzung wurden für die geringeren Versorgungsgrad angenommen. Während für das beste Szenario heutige Limitierungen gelöst werden. So wird die Frage, ob „Teller oder Tank“ durch technologische Fortschritte entschärft. Nachhaltigkeitskriterien bei der Produktion von Biomasse sind komplett umgesetzt und erhalten bzw. steigern die Produktionskapazitäten dauerhaft. Biologische Reststoffe werden sinnvoll energetisch genutzt ohne die Nachhaltigkeit der Produktion zu beeinträchtigen. 

Auch der Frage, welchen Einfluss der Klimawandel selbst auf die Energieversorgung mit regenerativen Energien hat, ging der Bericht nach. Nach dem derzeitigen Wissensstand wird dieser Einfluss bei Einhaltung des zwei Grad Ziels gering sein. Allerdings, auch dass verschweigt der Bericht nicht, ist die verfügbare Datenbasis recht dünn. Auch hier besteht somit ein konkreter Forschungsbedarf. 

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Pressekonferenz zur Vorstellung des Sonderberichts.

Pressekonferenz zur Vorstellung des Sonderberichts.

Bildquelle: © genius

Energieverfügbarkeit als zentrale Aufgabe 

Ein erschreckendes Ergebnis liefert der Bericht in puncto Energieverfügbarkeit. Heute werden weltweit 1,4 Milliarden Menschen nicht durch die Energienetze erreicht. Die traditionelle Biomasseverbrennung ist für gut ein Viertel der Weltbevölkerung die einzige Energiequelle. Mehr als 50 % der heute weltweit genutzten erneuerbaren Energie sind in diesem fragwürdigen Nutzungsbereich angesiedelt. Neben einem schlechten Wirkungsgrad entstehen durch diese Form der Bioenergienutzung massive Nachteile für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in den Entwicklungsländern. Gerade in den Entwicklungsländern sehen die Experten aber die größten Potenziale für die Nutzung erneuerbarer Energie. Eine wachsende Weltbevölkerung mit Energie zu versorgen, verlangt den Aufbau einer dezentralen Energieversorgung. Dies ist die Domäne der regenerativen Energie. Lediglich knapp 3 % des technologischen Potenzials der erneuerbarer Energien werden im Moment genutzt. Mit anderen Worten: 97 % der Ressourcenpotenziale sind ungenutzt. Von einer Ressourcenknappheit bei Sonne, Wind, Erdwärme, Biomasse oder Wasser kann wenn überhaupt höchstens im regionalen Kontext gesprochen werden.  

Zentrale Forschungsfragen

Welche Technologieentwicklungen herausragend und erfolgversprechend sind, diese Frage beantwortet der Sonderbericht nicht. Eine solche Position kann und darf das IPCC nicht einnehmen, so Prof. Dr. Ottmar Edenhofer von der IPCC-Arbeitsgruppe „Vermeidung des Klimawandels“ bei der Vorstellung des Berichts. Ein besseres Verständnis über die Beschaffenheit der Energiemärkte ist jedoch notwendig. Offensichtliche Forschungsschwerpunkte sind die Energieintegration, Netztechnologien und neue Ansätze einer effektiven Energiespeicherung. Ebenso wichtig wie die   Technologieentwicklung auf der Erzeugerseite sind dabei  intelligentere Ansätze zum „re-powering“ bestehender Anlagen durch effizientere Turbinen etc.

Fazit

Der in Berlin vorgestellte Bericht wird eine wichtige Grundlage für den im Jahr 2014 geplanten fünften Statusreport des IPCC sein. Bereits heute schafft der Sonderbericht die benötigte Landkarte, um Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Erneuerbare Energie in ihrer Vielfalt bleibt ein globaler Wachstumsmarkt. Ein stetig steigender Anteil an der weltweiten Energieversorgung wird diese Bedeutung untermauern und neuen Technologien zum Durchbruch verhelfen. Auch wenn die Menschheit noch längere Zeit auf fossile Energieträger zurückgreifen wird, beginnt das regenerative Zeitalter jetzt. Durch kluge politische und wirtschaftliche Entscheidungen kann der Anteil der klimaschädlichen fossilen Energie möglichst gering gehalten werden. 

Damit eine „Grüne“, klimaneutrale Zukunft bald beginnt, sind nicht nur politische, sondern auch kreative technologische wie auch wirtschaftliche Entwicklungen nötig. Die Schwerpunkte liegen auf der Integration der erneuerbaren Energie in die bestehenden Systeme. Weitere Schwerpunkte für Innovationen stellen ein möglichst verlustfreier Langstreckentransport sowie neue Ansätze bei der Energieverteilung dar, ebenso  die intelligente Kombination von unterschiedlichsten Erzeuger-, Energiespeicher- und Verbrauchersystemen.