Gefahrloser Genuss

Neue Apfelsorten für Allergiegeplagte

13.05.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

One apple a day keeps the doctor away – es sei denn, man hat eine Apfelallergie. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)

One apple a day keeps the doctor away – es sei denn, man hat eine Apfelallergie. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)

Eine Kombination von verschiedenen Methoden zur Abschätzung des allergenen Potenzials hat zum Ziel geführt: Nun gibt es die ersten Apfelsorten, vor denen sich Allergiegeplagte nicht mehr fürchten müssen.

Äpfel gelten als gesundes Obst, das für eine ausgewogene Ernährung empfohlen wird. Für einige ist das aber ein Problem: Sie entwickeln nach dem Essen eines Apfels innerhalb von Minuten zum Teil erhebliche Symptome einer Allergie. Um auch diesen Menschen den Zugang zu den gesundheitlichen Vorzügen von Äpfeln zu ermöglichen, haben Forscher:innen aus Osnabrück, München und Berlin in einer Studie ein Verfahren entwickelt, das allergikerfreundliche Apfelsorten identifizieren kann.

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 Bei einer Apfelallergie entwickeln Betroffene nach dem Essen eines Apfels innerhalb von Minuten zum Teil erhebliche Symptome.

Bei einer Apfelallergie entwickeln Betroffene nach dem Essen eines Apfels innerhalb von Minuten zum Teil erhebliche Symptome.

Bildquelle: © Steve Buissinne / Pixabay

Ursachen der Apfelallergie

Beim Apfel konnten bislang vier Allergene nachgewiesen werden, die beim Menschen zu einer Apfelallergie führen können. Sie wurden als „Mal d1“ bis „Mal d4“ bezeichnet (nach Malus x domestica). Die Mehrzahl der Apfelallergiker:innen in Nord- und Mitteleuropa reagieren fast ausschließlich auf Mal d1.

Das Protein ist in Pflanzen an der Bekämpfung von Infektionen durch Schimmelpilze und Bakterien beteiligt und gehört zur „pathogenesis-related protein family“ (PR-10).

In Deutschland sind schätzungsweise 7,5 Millionen Menschen auf Mal d1 sensibilisiert, haben also gegen dieses Protein Antikörper aus der Klasse der Immunglobuline E gebildet. 3,5 Millionen von ihnen zeigen etwa fünf bis 20 Minuten nach dem Essen eines Apfels die spezifischen Symptome in der Form eines Oralen Allergie-Syndroms (OAS), die sich vor allem im Mundbereich zeigen. Brennen und Juckreiz im Mund- und Rachenraum, in Nase und Augen, eine anschwellende Zunge, Atemprobleme sowie Übelkeit und Durchfall sind mehr oder weniger häufige und unterschiedlich stark ausgeprägte Symptome einer Apfelallergie.

Etwa 50 Prozent der Menschen mit einer Allergie gegen Birkenpollen leiden auch an einer Apfelallergie, denn das Allergen der Birke Bet v1 hat strukturelle Ähnlichkeiten mit Mal d1. Die entsprechenden Antikörper binden daher auch das Apfelallergen und lösen die allergischen Reaktionen aus (Kreuzallergie).

Keine Therapie verfügbar

Bisher gibt es keine medikamentöse Therapie gegen eine Apfelallergie. Die einzige Möglichkeit ist der Verzicht auf Äpfel oder ein vorheriges Erhitzen des Obstes. Dadurch werden die Allergene denaturiert und nicht mehr von den Antikörpern erkannt. Aber wer will schon nur gekochtes Obst essen, das weniger Vitamine enthält.

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Je nach Sorte und Anbaubedingungen können Äpfel unterschiedlich hohe Konzentrationen an Allergenen aufweisen.

Je nach Sorte und Anbaubedingungen können Äpfel unterschiedlich hohe Konzentrationen an Allergenen aufweisen.

Bildquelle: © lumix2004 / Pixabay

Aber Allergikerinnen und Allergiker reagieren nicht bei jeder Apfelsorte gleich stark, da die einzelnen Sorten unterschiedliche Allergenkonzentrationen aufweisen. Außerdem beeinflussen auch noch andere Faktoren und Inhaltsstoffe die Allergenität, wie etwa die Bedingungen bei Anbau, Reifung und Lagerung. Um herauszufinden, welche Sorten für Allergiegeplagte geeignet sind, gibt es bisher vier verschiedene Methoden:

- Eine Erfahrungssammlung von Betroffenen, die freiwillig über ihre Reaktionen auf verschiedene Apfelsorten Auskunft geben. Laut Forscher:innen kann so eine erste grobe Abschätzung der Allergenität eines Apfels vorgenommen werden.

- Die Bestimmung des Allergengehaltes. Allerdings werden bei solchen Laboruntersuchungen mögliche Wechselwirkungen mit anderen Inhaltsstoffen außer Acht gelassen. So geht man davon aus, dass beispielsweise bei der Sorte „Braeburn“ Polyphenole eine Bindung des Immunglobulins E an Mal d1 zumindest abschwächen.

- Ein Hauttest, bei dem etwas Apfelsubstanz in die oberste Hautschicht des Probanden geritzt wird (Prick-Test). Da es keine standardisierten Testlösungen mit Apfelallergenen gibt, fehlen hier Informationen über die Allergen-Konzentration in der Probe und auch hier werden eventuelle Wechselwirkungen mit anderen Inhaltsstoffen nicht mitberücksichtigt.

- Ein sogenannter Provokationstest, bei dem die Probanden (Apfelallergiker:innen mit OAS, die auch auf Birkenpollen allergisch reagieren) unter ärztlicher Aufsicht in bestimmten Abständen eine definierte, sich langsam steigernde Menge Apfel essen und anschließend ihre Symptome in einem vorgegebenen Bewertungssystem (Total Symptom Score, TSS, von 0 = keine Symptome bis 3 = schwere Symptome) bewerten. Dieser Test ist am aufwändigsten, aber nach Meinung der Forscher:innen die beste Möglichkeit, um eine gültige Aussage zu erhalten.

Im von den Forscher:innen jetzt vorgeschlagenen Testablauf essen mindestens 30 Probanden in Abständen von 15 Minuten mehrmals eine definierte Menge eines Apfels, ohne den Apfel gesehen zu haben oder den Sortennamen zu kennen.

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Früchte der allergikerfreundlichen Apfelsorte 'ZIN 168'.

Früchte der allergikerfreundlichen Apfelsorte 'ZIN 168'.

Bildquelle: © Hochschule Osnabrück

Dazu werden die auftretenden Symptome notiert bzw. gemessen. Eine Apfelsorte gilt nach diesem Test als „allergikerfreundlich“, wenn bei 30 Probanden im Durchschnitt nur maximal Symptome der Stufe 2,5 auftraten und kein einziger Proband Symptome der Stufe 3 zeigte. Für ein Verkaufslabel „allergikerfreundlich“ müssen diese Tests pro Sorte über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren durchgeführt werden, um auch mögliche Einflüsse der Witterung beim Anbau mitzuerfassen.

Neue Apfelsorten bald auf dem Markt

Inzwischen haben die Forscher:innen erste Apfelsorten identifiziert, die nur ein geringes allergenes Potenzial haben. Dazu untersuchten die Forscher:innen 700 Apfelsorten aus der Züchtungsinitiative Niederelbe (ZIN) auf ihren Allergengehalt.

22 Apfelsorten mit besonders niedrigen Allergen-Gehalten wurden anschließend mit Provokationstests überprüft, davon 17 Sorten zweimal. Dabei fanden die Forscher:innen zwei Apfelsorten, ZIN 168 und ZIN 186, die für Allergiker:innen besonders gut verträglich waren. Diese Sorten haben von der Europäischen Stiftung für Allergieforschung das erstmals an Apfelsorten vergebene ECARF-Siegel erhalten und gelten damit als „allergikerfreundlich“. Sie werden voraussichtlich ab 2025 im Handel erhältlich sein.


Quelle:
Becker, S. et al. (2021): Die Testung von Äpfeln auf ihre Allergenität. In: Erwerbs-Obstbau 63, (19. Oktober 2021), doi: 10.1007/s10341-021-00600-7.

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Titelbild: One apple a day keeps the doctor away – es sei denn, man hat eine Apfelallergie. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)