Des Apfels wilde Ahnen

Wie Kulturäpfel von Wildäpfeln profitieren könnten

05.04.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reife Äpfel am Baum: Der Phänotyp des Kulturapfels hat sich weit von seinen Urahnen entfernt. (Bildquelle: © Peggychoucair / Pixabay)

Reife Äpfel am Baum: Der Phänotyp des Kulturapfels hat sich weit von seinen Urahnen entfernt. (Bildquelle: © Peggychoucair / Pixabay)

Sie haben sich stark „auseinandergelebt“: Wild- und Kulturäpfel sehen sich heute kaum noch ähnlich und vom Geschmack wollen wir erst gar nicht reden. Die einen klein, bitter und sauer, die anderen groß und süß. Doch Wildäpfel besitzen eine Reihe von nützlichen Eigenschaften, die auch den Kulturäpfeln guttun würden.

Der Apfel ist das beliebteste Obst in Deutschland. Klar, dass Apfelsorten daher ständig noch besser werden sollen – Aussehen, Geschmack und Festigkeit. Eine starke Selektion auf gewünschte Merkmale hat aber auch immer eine Verengung des genetischen Pools zur Folge. Frisches genetisches Material könnten die wilden Apfelverwandten liefern. In einer neuen Studie haben kanadische Forscher:innen jetzt herausgefunden, wie stark sich der Kulturapfel inzwischen vom Wildapfel unterscheidet und wo „wilde Gene“ ihn noch verbessern könnten.

Äpfel und Crop Wild Relatives (CWR)

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Der heimische Holzapfel (Malus sylvestris) ist ebenfalls ein Wildapfel. Auch er ist ein Vorfahr unsere Kulturapfels, der sich eingekreuzt hat

Der heimische Holzapfel (Malus sylvestris) ist ebenfalls ein Wildapfel. Auch er ist ein Vorfahr unsere Kulturapfels, der sich eingekreuzt hat

Bildquelle: © H. Zell / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0

Seit etwa 3.000 Jahren werden Äpfel angebaut. Die Vorfahren unseres Kulturapfels (Malus domestica) sind dabei bis heute nicht vollständig identifiziert. Klar scheint aber, dass der Asiatische Wildapfel (Malus sieversii) der ursprüngliche Vorfahr unseres Apfels ist. Einst kam er über die Seidenstraße von Asien nach Südeuropa und auf diesem langen Weg kreuzten sich weitere Arten ein, unter anderem der heimische Holzapfel (Malus sylvestris) und der Kirschapfel (Malus baccata).

Heute ist der Apfel das am dritthäufigsten produzierte Obst weltweit. Doch trotz der großen Vielfalt an Apfelsorten stammten mehr als 50 Prozent der 2019 in den USA produzierten Äpfel von gerade mal vier verschiedenen Sorten. Das birgt die große Gefahr der Verengung des genetischen Pools – eine verringerte Widerstandskraft gegen Schädlinge und Krankheiten droht. Daher steigt auch in der Apfelzüchtung das Interesse an den wilden Verwandten (Crop Wild Relatives, CWR). Sie könnten in Zuchtprogrammen Gene zur Verbesserung der Kulturapfelsorten „spenden“.

Zur Bestandsaufnahme haben nun Forscher:innen die Unterschiede zwischen Kulturapfel und Wildapfel dokumentiert. Dazu verglichen sie die Phänotypen von zehn Kulturapfelsorten mit dem Asiatischen Wildapfel.

Große Unterschiede

Die Forscher:innen fanden heraus, dass sechs der zehn untersuchten Apfelsorten deutliche phänotypische Veränderungen im Vergleich zum wilden Verwandten aufwiesen. Kultivierte Äpfel trugen 0,38 Jahre früher in ihrem Leben Früchte als der Wildapfel. Ihr Blütezeitpunkt lag im Schnitt drei Tage später im Jahr, während die Früchte 15 Tage später reif zur Ernte waren. Ein späterer Blütezeitpunkt verringert die Gefahr einer Schädigung der Blüten durch Spätfröste, erklärten die Forscher:innen. Auch tendieren spät blühende Apfelsorten dazu, festere Früchte zu liefern, die von den Käufern bevorzugt werden. Gleiches gilt für spät reifende Äpfel. Die Forscher:innen betonen, dass das spätere Blüte- und Erntedatum daher eventuell auch ein Nebeneffekt der Selektion auf festere Früchte sein könnte.

Geschmack der Kunden maßgeblich für Selektion

Aber auch die „inneren Werte“ der wilden und kultivierten Früchte unterschied sich deutlich: Die Früchte kultivierter Äpfel waren 3,6 mal schwerer und enthielten 43 Prozent weniger Säure sowie 68 Prozent weniger Polyphenole.

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Apfelvergleich: Die gelben Äpfel sind Malus sieversii (der wilde Vorfahre) und die roten Äpfel sind Malus domestica (moderne Äpfel).

Apfelvergleich: Die gelben Äpfel sind Malus sieversii (der wilde Vorfahre) und die roten Äpfel sind Malus domestica (moderne Äpfel).

Bildquelle: © Davies et al., 2022, PLOS ONE, CC-BY 4.0

Höheres Gewicht und geringer Säuregehalt passen zu den Käuferwünschen: groß, farblich ansprechend und süß sollen die Äpfel sein. Auch der geringere Gehalt an Polyphenolen folgt diesem Schema: Kunden wünschen sich nicht schnell bräunendes Fruchtfleisch und keinen bitteren Geschmack. Allerdings haben Polyphenole auch einen hohen gesundheitlichen Wert, der aber offenbar bisher nicht honoriert wird. Dazu deutet laut Forscher:innen einiges darauf hin, dass auch die Fruchtgröße sich negativ auf die Anreicherung mit Polyphenolen auswirkt.

Wilde Hilfe

Der Phänotyp vieler kultivierter Apfelsorten veränderte sich im Vergleich zum Wildapfel immer schneller, getrieben durch die Vorlieben der Käufer. Die Forscher:innen betonen, dass dabei auch die genetische Vielfalt auf der Strecke blieb. Hier kommen die wilden Verwandten wieder ins Spiel: Durch ihren großen genetischen Pool könnten sie in Zukunft die kultivierten Apfelsorten wieder bereichern, etwa durch ihren hohen Gehalt an Phenolen oder auch den höheren Säuregehalt, den besonders Cider-Produzenten schätzen. Auch eine frühere Blütezeit, die angesichts des Klimawandels möglich erscheint, kann durch die wilden Verwandten genetisch wieder eingeführt werden, so die Forscher:innen. So könnten früher und später blühende Sorten parallel angebaut und die Erntezeiten besser gemanagt werden.


Quelle:
Davies, T. et al. (2022): Phenotypic divergence between the cultivated apple (Malus domestica) and its primary wild progenitor (Malus sieversii). In: PLOS ONE 17, (22. März 2022), doi: 10.1371/journal.pone.0250751.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Reife Äpfel am Baum: Der Phänotyp des Kulturapfels hat sich weit von seinen Urahnen entfernt. (Bildquelle: © Peggychoucair / Pixabay)