Gefiedert oder ganzrandig?
Gen für Blattform entdeckt
Selbst verwandte Pflanzen haben oft eine ganz unterschiedliche Blattstruktur. Welches Gen dafür verantwortlich ist, haben Wissenschaftler nun herausgefunden.
Basilikum oder Thymian? Petersilie oder Oregano? Dass der Geschmack dieser Pflanzen variiert, erkennen wir beim Verzehr. Bei der Auswahl von Kräutern entscheiden wir jedoch über das Aussehen, der Morphologie der Pflanze, was in unserem Kochtopf landet. Viele Pflanzen lassen sich dabei vor allem aufgrund ihrer unterschiedlichen Blattform auf den ersten Blick voneinander unterscheiden.
Wie Blätter in der pflanzlichen Entwicklung entstehen und welche Faktoren daran beteiligt sind, ist hinlänglich bekannt. Die genetischen Informationen, die aus einem einfachen Blatt etwa ein gefiertes machen, waren bisher allerdings unbekannt. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung (MPI) in Köln ist es nun gelungen, dieses Geheimnis zu lüften. Dabei kam ihnen der Zufall zur Hilfe. Als die Forscher die beiden Kreuzblütler Behaartes Schaumkraut (Cardamine hirsuta) und Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) miteinander verglichen, stießen sie auf einen wichtigen, genetischen Unterschied.
Schaumkraut-Mutante liefert entscheidenden Hinweis
Die beiden Pflanzen unterscheiden sich deutlich in ihrer Blattmorphologie: Das Schaumkraut Cardamine hirsuta wächst mit gefiederten Blättern, während die Blätter der Modellpflanze Arabidopsis thaliana ungeteilt und ganzrandig sind. Eine Mutation in einer Pflanze des Behaarten Schaumkrauts brachte die Wissenschaftler auf die Spur des RCO (reduced complexity)-Gens. Ohne das Gen kann auch das Schaumkraut keine Fiederblätter ausbilden. Beim genetischen Vergleich von Schaumkraut und Ackerschmalwand zeigte sich, dass Cardamine hirsuta ein Gen besitzt, das der Ackerschmalwand offenbar fehlt. “Ohne den Vergleich beider Pflanzen hätten wir diesen Unterschied nie entdeckt, denn wo kein Gen mehr ist, kann man auch nichts mehr finden“, erklärt der Wissenschaftler Miltos Tsiantis vom MPI für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Das RCO-Gen verleiht dem Schaumkraut offenbar seine komplexe Blattform.
Nur Blattrand verändert
Das RCO-Gen gehört zu den sog. Homeobox-Genen. Diese Gruppe von Genen kann beeinflussen, ob andere Gene abgelesen werden oder nicht. Daher werden sie auch als genetische Schalter bezeichnet. Behaartes Schaumkraut, bei dem das RCO-Gen stillgelegt oder nicht vorhanden ist, bildet trotzdem Blätter aus. Diese sind allerdings am Blattrand in ihrem Wachstum gehemmt. An der vom Pflanzenhormon Auxin abhängigen Entstehung der Blätter ist RCO also offenbar nicht beteiligt. „Seine Eigenschaften machen das RCO-Gen vermutlich zu einer wichtigen Triebfeder der Evolution der Blattform – mehr als jedes andere bisher entdeckte Gen“, so die Wissenschaftler. Tsiantis und seine Kollegen wollen in den kommenden Monaten seine genaue Wirkweise entschlüsseln.
Die Evolution umkehren
Im Laufe der Evolution wurde ein einziges Gen zu einer Gruppe dreier ähnlicher Gene vervielfältigt. Im Laufe der Zeit ist bei der Ackerschmalwand von dieser Dreiergruppe jedoch nur noch ein einziges Gen übrig geblieben. Diesen Evolutionsschritt konnten die Wissenschaftler im Labor teilweise rückgängig machen, indem sie der Ackerschmalwand das RCO-Gen aus dem Schaumkraut in ihr Genom integrierten. „Die einfachen ovalen Blätter von Arabidopsis bilden dann tiefe Einbuchtungen“, sagt Tsiantis, „Die Tatsache, dass die Blattform allein durch den Transfer des RCO-Gens wieder komplexer wird, zeigt, dass der größte Teil des Apparats für die Ausbildung der Fiedern bei der Ackerschmalwand noch vorhanden sein muss und nicht zusammen mit dem RCO-Gen verloren gegangen ist“.
Auf den Einschaltknopf kommt es an
Die Wissenschaftler haben auch die beiden Gene untersucht, die mit RCO eine Gruppe bilden und die während der Evolution durch die Verdoppelung eines Vorläufergens entstanden sind. Sie wollten wissen, wie die neue Funktion von RCO entstanden ist. Offensichtlich liegt der wesentliche Unterschied in den Kontrollregionen der Gene, dem sog. Promotor, nicht in den Proteinsequenzen. Diese legen fest, wann und wo das jeweilige Gen abgelesen wird. Bringt man eines der anderen beiden Gene unter der Obhut der RCO-Kontrollregion, bildet Arabidopsis komplexe Blätter. Das behaarte Schaumkraut verdankt seine gefiederten Blätter also vor allem der Kontrollregion des RCO-Gens.
Quelle:
Vlad, D. et al. (2014): Leaf Shape Evolution Through Duplication, Regulatory Diversification, and Loss of a Homeobox Gene. In: Science, Vol. 343 no. 6172 pp. 780-783, (14. Februar 2014), DOI: 10.1126/science.1248384.
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Titelbild: Die Ackerschmalwand besitzt ganzrandige Blätter (links), das Behaarte Schaumkraut dagegen Fiederblätter (rechts). (Quelle: © MPI f. Pflanzenzüchtungsforschung/ Lempe)