Inventur der grünen Lunge
422 Bäume pro Mensch – Tendenz abwärts
Erstmals gibt es konkrete Zahlen, wie viele Bäume auf der Erde wachsen - und das sind viel mehr, als bisher angenommen. Für die Wissenschaftler jedoch kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Denn der Baumbestand schwindet Jahr für Jahr in rasantem Tempo, wenn nicht jeder seinen Teil dazu beiträgt, die grüne Lunge der Erde in ihrer unvergleichlichen Vielfalt zu erhalten.
Bäume sind fast überall auf der Erde verbreitet. Sie wachsen sowohl im feucht-heißen, tropischen Regenwald, als auch in gemäßigten und kühlen Klimaregionen. Wie viele Bäume es auf der Erde gibt, konnte man bisher nur aufgrund von Satellitenbildern schätzen – und das mehr schlecht als recht, wie eine aktuelle Studie zeigte. Solche Satellitenbild-basierten Schätzungen gingen von etwa 400 Milliarden Bäumen auf der Erde aus. Das entspräche einem Verhältnis von 61 Bäumen pro Mensch. Doch diese Schätzung erwies sich rasch als falsch, nachdem eine Baumzählung auf Basis von 1.170 Messstellen im Amazonas-Regenwald allein für dieses Waldgebiet schon auf 390 Milliarden Bäume kam.
Erste globale Baumzählung
Wissenschaftler haben darum die erste globale Baumzählung in die Wege geleitet. Dafür nutzten sie die Zählungen an 429.775 Messstellen aus 50 Ländern verteilt über alle Kontinente der Erde außer der Antarktis. Als Baum zählte dabei jede Pflanze, deren verholzter Stamm mindestens zehn Zentimeter Durchmesser erreicht. Als Ergebnis erhielten sie eine Karte, auf der die weltweite Baumdichte bis auf eine Auflösung von einem Quadratkilometer genau angegeben ist. Sie liefert den bisher umfassendsten und genauesten Überblick über die Baumpopulationen der Erde.
3,04 Billionen Bäume – 422 Bäume pro Mensch
Das überraschende Ergebnis: Auf der Erde gibt es derzeit 3,04 Billionen Bäume - bei 7,2 Milliarden Menschen auf der Erde ergibt sich ein Verhältnis von 422 Bäumen pro Mensch. Am dichtesten stehen die Bäume mit nahezu einem Baum pro Quadratmeter in den subarktischen Nadelwäldern Russlands, Skandinaviens und Nordamerikas. Die meisten Bäume (42,8 Prozent) wachsen jedoch, wie vermutet, in den Tropen und Subtropen. Und genau hier liegt das große Problem. Denn der größte Feind eines Baumes ist der Mensch – denn der nutzt die feucht-warmen Gebiete auf Kosten der Bäume nur zu gerne zum Ackerbau und zur Viehzucht. Die Folgen sind dramatisch: Seit dem Beginn der menschlichen Zivilisation hat der Mensch nach Schätzungen der Wissenschaftler bereits 46 Prozent des weltweiten Baumbestandes vernichtet. Ein Ende ist nicht in Sicht.
15,3 Milliarden Bäume gehen jährlich verloren
„Wir schätzen, dass die Entwaldung, Landnutzungs-Veränderungen, Forstmanagement und andere Störungen für den Verlust von rund 15,3 Milliarden Bäumen jährlich verantwortlich sind“, schreiben die Forscher in ihrer aktuellen Studie. Überall dort, wo die Bevölkerungsdichte steige, sinke nicht nur logischerweise der Anteil an Bäumen pro Einwohner, sondern auch die Baumdichte. Menschen benötigen Lebensraum, Flächen für die Landwirtschaft, Rohstoffe und Baumaterial. Ein Bedarf, der sehr oft zu Lasten der Wälder geht. Dieser Trend müsse unbedingt gestoppt werden, fordern die Wissenschaftler. „Denn Bäume gehören zu den wichtigsten Organismen der Erde. Sie speichern gewaltige Mengen Kohlenstoff, sind essenziell für das Recyceln von Nährstoffen und erweisen uns Menschen unzählige Dienste.“
Ein Drittel Deutschlands ist Wald
Nicht nur die Tropen und Subtropen, auch Länder in den gemäßigten Breiten müssen Verantwortung übernehmen. Zum einen sind Tropenhölzer oder landwirtschaftliche Produkte, die auf abgeholzten Waldflächen wachsen, für diese Länder bestimmt. Auch der heimische Wald hat eine große Bedeutung im Gesamtsystem Erde. Wie ist es um die deutschen Wälder bestellt? Wälder machen etwa ein Drittel der Landesfläche Deutschlands aus. Deutschland zählt zu den waldreichsten Gebieten Europas. Hessen und Rheinland-Pfalz sind mit über 40 Prozent ihrer Fläche Spitzenreiter. Schleswig-Holstein gilt mit etwas über 10 Prozent seiner Fläche als waldarm.
Wälder haben komplexe und vielfältige Funktionen. Sie sind wertvolle Ökosysteme und gelten als die Gebiete mit der höchsten biologischen Vielfalt (Biodiversität). Sie sind wichtiger Kohlenstoffspeicher, Erholungsräume und zugleich bedeutende Rohstofflieferanten. Ihre Bewirtschaftung erfolgt hierzulande nach dem Prinzip einer nachhaltigen Forstwirtschaft.
Die weltweit größte und einzige unabhängige Institution zur Sicherstellung nachhaltiger Waldbewirtschaftung ist das PEFC. Der „Wald-TÜV“ wurde 1999 gegründet und soll sicherstellen, dass nicht mehr Holz geschlagen wird, als nachwächst, dass Bäume wieder aufgeforstet werden und die Artenvielfalt der Bäume erhalten bleibt. 7.500 Betriebe, die rund zwei Drittel des deutschen Waldbestandes bewirtschaften, haben sich bereits PEFC-zertifizieren lassen. Doch auch andere Siegel und Zertifikate finden in Deutschland Verwendung.
Nachhaltiger Forstbetrieb wirklich sinnvoll?
Doch macht dieses Nachhaltigkeitsprinzip überhaupt Sinn, wenn man bedenkt, dass ein großer, ausgewachsener Baum mehr Kohlenstoff speichern kann als junge, heranwachsende Bäume? Wäre es unter diesem Aspekt nicht sinnvoll, auf Forstwirtschaft zu verzichten bzw. diese durch naturbelassene Wälder auf ein Minimum zu reduzieren, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?
„Nein“, sagt Catrin Fetz, Sprecherin von PEFC Deutschland e.V. Große Bäume könnten in der Tat große Mengen an CO2 speichern, die sie bei der Photosynthese der Atmosphäre entzogen haben. Allerdings nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt. „Man muss sich den Baum gewissermaßen als Zwischenspeicher vorstellen. Denn sobald die Zersetzungsphase der Bäume beginnt, entweicht die einstmals gebundene Menge CO2 wieder in die Atmosphäre“, so Fetz. Würden große, ausgewachsene Bäume dagegen im Rahmen einer nachhaltigen Forstwirtschaft entnommen und das entsprechende Holz in Produkten verwendet, so bleibe das gebundene CO2 für eine lange Zeit auch gespeichert und gelange nicht in die Atmosphäre zurück. „Gerade dann, wenn aus dem geschlagenen Holz hochwertige Holzprodukte, wie beispielsweise Bauholz produziert wird und dieses Holz nach Erfüllung seiner Aufgabe weiterverarbeitet und zu anderen Produkten umgewandelt wird, wird das CO2 entsprechend lange gebunden“, erklärt Catrin Fetz.
Mehr naturbelassene Wälder
Die Naturschutzorganisation BUND sieht das anders. „Alte Bäume, Totholz und reife Waldbestände natürlicher Waldgesellschaften sind [in deutschen Wäldern] völlig unterrepräsentiert. Eine natürliche Waldentwicklung wird nur auf ca. zwei Prozent der Fläche zugelassen“, heißt es auf der Webseite der Naturschützer. Dadurch seien Vögel, Insekten, Moose, Pilze und Flechten gefährdet, die auf alte, zerfallende Bäume angewiesen sind. Die Organisation fordert, die Fläche unbewirtschafteten Waldes bis zum Jahr 2020 auf mindestens 10 Prozent zu erhöhen. Nur so könnte der Wald sein Potenzial an biologischer Vielfalt vollends entfalten.
Internationaler Baumschutz
Deutschland macht sich auch für den internationalen Baumschutz stark. „Ohne Pflanzen kein Leben, ohne Wald keine Luft zum Atmen. Der Schutz - insbesondere der tropischen Regenwälder - ist eine internationale Entwicklungsaufgabe. Deutschland stellt sich seiner Aufgabe und lässt die Menschen in den Entwicklungsländern nicht allein“, erklärte Entwicklungshilfeminister Gerd Müller beim UN-Klimagipfel in Lima. Denn jedes Jahr gehen in den Tropen etwa 13 Millionen Hektar Wald verloren. Das Erschreckende dabei: Der Hauptgrund für die massive Abholzung sei die hohe Nachfrage nach Tropenholz und nach Produkten, für die tropische Bäume weichen müssen in Europa und insbesondere in Deutschland, so die Brüsseler Umweltorganisation „Fern“. Gerodet werde hauptsächlich in Brasilien und Indonesien für die Produktion von Soja, Rindfleisch, Leder und Palmöl.
Baumschutz geht alle an
Doch zum Baumschutz könne jeder beitragen, so der BUND: Wer seinen Papier- und Holzverbrauch reduziere, Strom und Heizwärme spare, auf Zertifizierungssiegel beim Holz- und Papierkauf achte, einheimische Laubhölzer bevorzuge und weniger Fleisch esse, könne einen wertvollen Teil dazu beitragen, dass die grüne Lunge der Erde noch möglichst lange erhalten bleibe.
Quelle:
Crowther, T.W. et al. (2015): Mapping tree density at a global scale. In: Nature, [Epub ahead of print] (2. Sep 2015), doi: 10.1038/nature14967.
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Titelbild: Auf der Erde gibt es derzeit 3,04 Billionen Bäume - bei 7,2 Milliarden Menschen auf der Erde ergibt sich ein Verhältnis von 422 Bäumen pro Mensch. (Bildquelle: © avior6720 - Fotolia.com)