Kampf dem Schwarzrost

Resistosom-Struktur von Weizen entschlüsselt

28.11.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Schädling Puccinia graminis verursacht Weizenschwarzrost. Die Variante Ug99 kann bis zu 80 Prozent der bekannten Weizensorten befallen (Bildquelle: mit freundlicher Genehmigung von © Evans Lagudah und Zakkie Pretorius)

Der Schädling Puccinia graminis verursacht Weizenschwarzrost. Die Variante Ug99 kann bis zu 80 Prozent der bekannten Weizensorten befallen (Bildquelle: mit freundlicher Genehmigung von © Evans Lagudah und Zakkie Pretorius)

Pflanzen erkennen Schädlinge mit Hilfe von besonderen Rezeptoren. Jetzt ist es erstmals gelungen, einen dieser Rezeptoren aus Weizen mit Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie bei der Arbeit zu beobachten. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, das Immunsystem von Weizen und anderen Getreiden gegen Krankheitserreger wie Rostpilze zu wappnen.

Weizen (Triticum aestivum) ist ein Grundnahrungsmittel für große Teile der Weltbevölkerung. Fällt die Ernte schlecht aus, müssen viele Menschen hungern. Daher ist es wichtig, diese Pflanze sowohl für den Klimawandel als auch gegen neue Krankheitserreger zu wappnen. Einer der gefährlichsten Pathogene ist der Pilz Puccinia graminis, der Getreideschwarzrost verursacht. Infizierte Pflanzen sind schnell an dem rostroten Belag an ihren Stängeln und seltener auch an den Blättern zu erkennen. Der Pilz saugt Nährstoffe aus den Pflanzen. Die gesamte Ernte ist dadurch in Gefahr.

Eine Weile lang galt der Getreideschwarzrost als besiegt, denn es war gelungen, resistente Weizensorten zu züchten. Im Jahre 1998 tauchte jedoch in Uganda eine neue, hochvirulente Variante des Getreideschwarzrosts auf: Ug99. Diese Variante kann bis zu 80 Prozent der bekannten Weizensorten befallen. WissenschaftlerInnen arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, das Immunsystem des Weizens besser zu verstehen und widerstandsfähiger gegen Rostpilze zu machen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei unter anderem das Protein Sr35, dass dem Einkorn, ein Vorfahre des Weizens, eine Resistenz gegen Ug99 verleiht.

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Um die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung zu gewährleisten, muss es gelingen, resistentere Weizensorten zu züchten, die sich gegen den Pilz Ug99 behaupten können.

Um die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung zu gewährleisten, muss es gelingen, resistentere Weizensorten zu züchten, die sich gegen den Pilz Ug99 behaupten können.

Bildquelle: © Patrick Amiri / Pixabay

Kryo-Elektronenmikroskopie gewährt neue Einblicke

Jetzt ist es erstmals gelungen, die räumliche Struktur eines Resistosoms einer Nutzpflanze zu entschlüsseln. Ein Resistosom ist ein das Pathogen abwehrender Verbund von Proteinen. Beim Einkorn besteht es aus fünf Sr35-Proteinen und dem von ihnen gebundenen Effektor Avr35 – dieser stammt vom Erregerpilz. Mit Kryo-Elektronnemikroskopie konnten die Forscher:innen diesen riesigen Proteinkomplex in Aktion beobachten. Die Studie stand unter der Leitung von Jijie Chai und Paul Schulze-Lefert von der Universität Köln und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln sowie Yuhang Chen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.

Die Forschenden synthetisierten dafür sowohl das Einkorn-Protein Sr35 als auch den Effektor aus dem Erregerstamm Ug99 in Insektenzellen. Durch diese Strategie lassen sich große Mengen an Sr35-Resistosomem isolieren. Dann konnten sie mit Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie beobachten, wie genau der Effektor und die Rezeptoren interagieren. Diese Bilder liefern die Erklärung dafür, wie Sr35 einen Angriff von Ug99 unschädlich macht.

Ein Pentamer bildet den Kanal

„In der räumlichen Struktur des Sr35-Resistosoms konnten wir die Teile des Proteins identifizieren, die für die Erkennung des Ug99-Effektors wichtig sind“, erklärt Alexander Förderer, der die Studie geleitet hat. Doch wie arbeitet das Resistosom nun genau?

Es bildet einen nicht-selektiven Kationen-Kanal in der Membran der Pflanzenzelle. Die Ausbildung solcher Kanäle setzt eine starke Immunreaktion in Gang, die schlussendlich am Ort der Infektion zum Absterben von Pflanzenzellen führt. Dies wird auch Apoptose – oder gesteuerter „Selbstmord“ von Zellen - genannt und ist bei Pflanzen eine weit verbreitete Methode, um die Ausbreitung von Pathogenen zu verhindern.

Universelles Prinzip der Resistosome

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Der Pilz Puccinia graminis verursacht der erhebliche Krankheiten in Getreidekulturen. Der Pilz saugt Nährstoffe aus den Pflanzen. Die gesamte Ernte ist dadurch in Gefahr.

Der Pilz Puccinia graminis verursacht der erhebliche Krankheiten in Getreidekulturen. Der Pilz saugt Nährstoffe aus den Pflanzen. Die gesamte Ernte ist dadurch in Gefahr.

Bildquelle: © iStock.com / Tomas Klejdysz

Bisher war erst ein weiteres Resistosom mit Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie beobachtet und beschrieben worden: Das ZAR1-Resistosom aus der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. ZAR1 und SR35 unterscheiden sich in großen Teilen ihrer Sequenz – nur 28 Prozent der Aminosäuresequenz sind gleich. Außerdem stammt ZAR1 aus einer zweikeimblättrigen, SR35 aus einer einkeimblättrigen Pflanze. Zudem erkennt ZAR1 den Effektor nur indirekt, während SR35 ihn direkt bindet.

Trotzdem gleicht sich das Verhalten der beiden Rezeptoren: Beide lagern sich zu Pentameren zusammen und bilden Kationen-Kanäle aus. Es scheint also alles darauf hinzudeuten, dass dies eine generelle Eigenschaft von Pflanzenrezeptoren der sogenannten CNL-Klasse sind. (CNL steht für Coiled-coil nucleotide-binding leucine-rich repeat proteins).

Neue Rezeptoren – neue Resistenzen

Den Forschenden ist es auch gelungen, die Erkenntnisse aus dem Einkorn-Rezeptor auf wichtige Nutzpflanzen zu übertragen. Sie selektierten zwei Proteine aus Gerste und Weizen, die Sr35 zwar ähnelten, aber Ug99 nicht erkannten. Dann fügten sie die Elemente von Sr35 hinzu, von denen sie nun wussten, dass sie für die Interaktion mit dem Effektormolekül notwendig waren. Tatsächlich konnten beide Rezeptoren anschließend Ug99 erkennen. „Ich hoffe, eines Tages können solche neuen Rezeptoren Anwendung auf dem Feld finden, um Eliteweizensorten gegen Ug99 zu schützen“, sagt Alexander Förderer.


Quelle:
Förderer, A., Li, E., Lawson, A.W. et al. A wheat resistosome defines common principles of immune receptor channels. Nature 610, 532–539 (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05231-w

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Titelbild: Der Schädling Puccinia graminis verursacht Weizenschwarzrost. Die Variante Ug99 kann bis zu 80 Prozent der bekannten Weizensorten befallen (Bildquelle: mit freundlicher Genehmigung von © Evans Lagudah und Zakkie Pretorius)