Projekt WHEATInterfere
Kleine RNAs als Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln
Pflanzen nutzen kurze RNA-Moleküle, um Gene in Pathogenen auszuschalten – ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Pathogenabwehr. Wenn es gelänge, diese natürlichen RNAs gezielt anzuwenden, könnten Pflanzen vor Krankheitserregern besser geschützt werden.
Bei der Interaktion zwischen Pflanzen und Pathogenen kommen auch kurze, nichtkodierende RNAs zum Einsatz – auch kurz ncRNAs genannt. Diese Moleküle sind nur zwischen 21 und 24 Nukleotide lang. Von der Pflanze produzierte ncRNAs dringen über bisher noch unbekannte Mechanismen in die Pathogenzellen ein und können dort an komplementäre mRNAs binden und deren Abbau einleiten. Dadurch wird die Bildung von pathogenen Proteinen unterbunden, die wichtig für die pilzliche Fitness oder Pathogenität sind.
Die Entwicklung dieser ncRNA-basierten Abwehr ist das Ergebnis einer seit vielen Millionen Jahren andauernden Koevolution zwischen Pflanzen und Pathogenen. Pflanzen produzieren ncRNAs, um die Pilze bei der Besiedlung ihrer Zellen zu stoppen. Schadpilze ihrerseits nutzen ncRNAs, um die Verteidigungsmechanismen von Pflanzen zu überwinden – ein „Rüstungswettlauf“ zwischen Pathogen und Wirt.
Da die pflanzlichen ncRNAs sehr spezifisch gegen ihren Zielorganismus wirken, bietet sich hier die Möglichkeit, sie als nachhaltige Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln zu nutzen.
Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel
- Dr. Kerstin Flath, Dr. Philipp Schulz, Julius Kühn-Institut (JKI), Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland
- Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel, Institute of Plant Molecular Biology (CNRS), Universität Straßburg
- Prof. Dr. Patrick Schäfer (Projektkoordinator), Institut für Phytopathologie, Justus-Liebig-Universität Gießen
In dem Projekt WHEATInterfere versuchen die Forschenden herauszufinden, welche ncRNAs von Pflanzen produziert und genutzt werden, um sich zu verteidigen, und mit welchen ncRNAs Pathogene versuchen die Pflanzenabwehr zu überwinden. Zudem wollen sie die Abwehrfunktion der Pflanzenproteine untersuchen, welche in Pflanzen ncRNAs produzieren. Anschließend wollen sie die besten pflanzlichen ncRNAs im Labor direkt nutzen und damit die Pathogene gezielt ausschalten. „Unser Ziel ist hochspezifisch-wirkende ncRNAs zu identifizieren, die nur den „Angriffsapparat“ der Pilze inaktivieren ohne andere Pilze oder Organismen zu schädigen“, sagt Prof. Dr. Patrick Schäfer von der Justus-Liebig-Universität Gießen, der das Projekt WHEATInterfere leitet.
Das Vorgehen
Die Experimente konzentrieren sich auf drei Schadpilze:
- Fusarium graminearum (Erreger von Fusariosen),
- Pyricularia oryzae, vormals Magnaporthe oryzae (Erreger des Weizenbrandes),
- Puccinia striiformis f.sp. tritici (Erreger des Gelbrosts).
„Das sind drei sehr problematische Pathogene, die bereits jetzt große Schäden im Getreideanbau anrichten und die im Zuge des Klimawandels vermutlich noch verheerender werden“, sagt Schäfer.
Um herauszufinden, mit welchen ncRNAs die Pilze und Pflanzen jeweils arbeiten, besprüht sein Team Blätter von Weizenpflanzen oder der Modellpflanze Brachypodium dystachyon (Zweijährige Zwenke) mit den Schadpilzen. Nach dieser Inokulation warten sie drei bis sieben Tage ab und sequenzieren dann die ncRNAs und deren Ziel-mRNAs.
Im Abbau befindliche Ziel-mRNAs besitzen eine Monophosphatgruppe am 5‘Ende. Das Team nutzt in seinen Experimenten eine RNA-Ligase, die nur an diese markierten mRNAs einen Adapter anfügt. Mit dessen Hilfe können alle im Abbau befindlichen mRNAs erkannt und sequenziert werden.
Anschließend bestimmen die Wissenschaftler:innen, welche ncRNAs und mRNAs jeweils von der Pflanze stammen und welche vom Pathogen. Wichtig ist hierbei das Alignment der RNAs mit den entsprechenden Genomsequenzen: Eine mRNA gehört dann zur Pflanze, wenn eine komplementäre Sequenz im pflanzlichen Genom vorkommt. Eine ncRNA wiederum ist komplementär zur mRNA. Da die Genome der verwendeten Pflanzen und Pathogene vollständig sequenziert sind, lassen sich die RNAs mit Hilfe von bioinformatischen Methoden zuordnen.
„Am Ende haben wir idealerweise eine pflanzliche ncRNA, eine dazu passende mRNA vom Pathogen und die Information, dass diese mRNA auch degradiert wird. Zusammengenommen ist das für uns ein Hinweis darauf, dass diese ncRNA von den Pflanzen als Verteidigung gegen das Pathogen genutzt wird“, erklärt Schäfer.
Ausblick
Die Sequenzierungen sind bereits abgeschlossen. Jetzt gilt es, aus den hunderten von pflanzlichen ncRNAs die wirksamsten Kandidaten herauszufinden. „Wir schauen zum Beispiel, welche pflanzlichen ncRNAs einen ganz zentralen Signalweg im Primärmetabolismus der Schadpilze angreifen“, erklärt Schäfer das Vorgehen. „Denn diese wirken vermutlich besonders effektiv.“
Als nächstes werden sie diese natürlichen Pflanzen-ncRNAs synthetisch produzieren und auf ihre Wirksamkeit gegen die Schadpilze im Labor testen. „Wir wollen am Ende natürliche ncRNAs erhalten, die wir zum Schutz unserer Nutzpflanzen auf den Feldern nutzen können“, sagt Schäfer.
Publikation:
Šečić, E und Kogel, K.-H. (2021): “Requirements for fungal uptake of dsRNA and gene silencing in RNAi-based crop protection strategies.” In: Curr Opin Biotechnol. 70 (August 2021). doi: 10.1016/j.copbio.2021.04.001
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Schon gewusst? Extreme Pilzgefahr durch Klimawandel – Pilzkrankheiten bedrohen unsere Ernten
- Pilz-Pflanzen-Interaktion – Paradox: Ein Abwehrmittel und Eintrittstor zugleich
- Alternative Schädlingskontrolle – RNA-Spray statt „chemischer Keule“
Titelbild: RNAs sollen chemische Pflanzenschutzmittel ersetzen, um Pilzkrankheiten wie Fusariosen nachhaltig zu bekämpfen. Hier im Bild: Eine gesunde Getreide-Ähre (links) im Vergleich mit einer von Fusarium graminearum befallenen Pflanze (rechts). (Bildquelle: © Wikipedia, gemeinfrei)